Читать книгу Heimat-Roman Extra Großband 6 Romane Juni 2017 - A. F. Morland - Страница 30
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ОглавлениеImmer steiler ging es hinauf. Und dann war irgendwann plötzlich Schluss. Der schmale Stieg, auf dem sie sich an der schroff aufragenden Felswand entlangearbeitet hatten, war auf einmal zu Ende.
"Mei, ein Erdrutsch", murmelte der Riedlinger düster.
"Dort unten war ein Vorsprung, aber der ist auch mit hinabgerissen worden..." Der ehemalige Bergführer seufzte.
"Hier können wir jedenfalls net weiter."
"Und was dann?", fragte der Bachsteiner. "Umkehren?"
Jakob Riedlinger wollte etwas erwidern, aber die helle Stimme seiner Tochter kam ihm zuvor.
"Jesses Maria!", rief sie voller Entsetzen aus und die beiden Männer drehten sich zu ihr herum.
Das Madl hielt in der einen Hand ihre Lampe, in der anderen etwas anderes.
"Mei, was hast du da?", fragte der Riedlinger.
Die Franziska reichte es ihrem Vater. Es war ein Stück Stoff. Der Riedlinger nahm es und hielt es ins Licht seiner Lampe.
"Mei, sieht aus, als wäre da Blut dran!", stellte er dann schließlich fest.
"Der Toni hatte ein Hemd aus diesem Stoff!", schluchzte die Franziska. "Er muss hier hinuntergestürzt sein... Ich darf gar net daran denken, dass er jetzt vielleicht da unten unter einer Lawine aus Geröll begraben liegt... Da wird jede Hilfe zu spät kommen!"
Der Riedlinger nahm seine Tochter in den Arm und strich ihr sanft über das Haar.
"Mei, ich kann's einfach net glauben, Vater!", schluchzte sie. "Hätte ich doch nur net so ein unnötiges Theater wegen der Großmayer-Rosl gemacht! Dann wäre das alles net passiert!" Sie schluckte. "Du kannst dir net vorstellen, wie mir zumute ist!"
"Doch, Franziska, das kann ich nur zu gut", erwiderte der Riedlinger düster.
Und die Franziska verstand natürlich sofort. Schließlich hatte der Riedlinger ja seine Frau früh verloren.
Die Franziska nickte nur.
Sie konnte nichts mehr sagen.
Der Loisl Bachsteiner stand indessen wie versteinert da und ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten.
"Mei, der Toni wird net der einzige Mann im Tal sein, der ein Hemd aus diesem Stoff hat!", versuchte der Riedlinger indessen, seiner Tochter noch etwas Mut zu machen, obwohl er wusste, dass sie mit ihrer schlimmen Vermutung wahrscheinlich recht hatte. "Vielleicht ist er in einem dornigen Busch hängengeblieben oder..."
"Ach, Vater!", sagte sie kopfschüttelnd.
"Still!", fuhr ihr der Riedlinger dann plötzlich über den Mund und lauschte in die Nacht hinein.
"Was ist los?", fragte der Bachsteiner schließlich.
"Ich hab gedacht, dass da eine Stimme zu hören war... Ganz leise nur, aber..." Dann schüttelte der Riedlinger den Kopf.
"Mei, es kann auch nur der Wind gewesen sein!"
"Dann dürfen wir net aufgeben!", forderte die Franziska. "Wenn auch nur die geringste Hoffnung besteht, dass der Toni noch lebt, dann müssen wir ihn suchen!"
Der Riedlinger deutete hinab in den finsteren Abgrund.
"Wenn er dort hinuntergestürzt ist, dann kann es net sein, dass er noch lebt. Aber vielleicht hatte er es noch bis zur Felsenkanzel geschafft und konnte dann net mehr zurück, weil der Erdrutsch den Weg mit hinabgerissen hat, auf dem er gekommen ist! Ich werde dort nachsehen!"
"Auf dem schwierigeren Weg, von dem du gesprochen hast, Riedlinger?", mischte sich der Bachsteiner ein.
"Ja", nickte der Riedlinger. Er wandte sich an die Franziska und sagte schließlich sehr bestimmt: "Wir werden ein Stück zurückgehen und und uns dann trennen."
"Ich werde mitgehen!" Der Bachsteiner, doch der Riedlinger schüttelte energisch den Kopf.
"Nein", sagte er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. "Es genügt, wenn sich einer in Gefahr begibt! Außerdem muss man sehr erfahren sein, um den zweiten Weg zur Felsenkanzel nehmen zu können!"