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Kapitel 24

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Selena richtete sich in dem zweiten Schlafzimmer ein. Sie hatte sich ein paar Dinge aus ihrem Zimmer im Mayflower rüberschicken lassen.

Nicks Appartement war minimalistisch dekoriert. Eine hochwertige Kopie eines Paul-Klee-Gemäldes hing über der Couch. Der Teppich war ein neutrales Braun. An einer Wand hingen japanische Holzschnitte. Die Möbel waren europäisch modern, schlicht und funktional.

Ronnie saß auf der Couch und las ein Magazin. Er hatte sich nebenan eingerichtet. Das Buch lag verschlossen bei PROJECT. Selena hatte es auf ihren Laptop gescannt und arbeitete an der Übersetzung.

Nick war in der Küche und bereitete einen Salat und Nudeln vor. Er mochte Salat und Nudeln. Es forderte seine kulinarischen Fähigkeiten nicht heraus, welche im besten Fall minimal waren. Selenas Mobiltelefon klingelte. Er hörte sie sprechen, die Stimme aufgeregt und erfreut.

Sie hielt inne, bedeckte das Telefon. »Das ist eine alte Freundin, Cathy Chen. Wir sind zusammen ausgegangen, etwas trinken, tanzen, diese Dinge. Sie ist hier in Washington und würde sich gerne mit mir treffen. Wir sollen ja nicht rausgehen, aber ich dachte, sie könnte hierher kommen und wir könnten uns unterhalten. Das macht dir doch nichts aus, oder?«

»Nein, natürlich nicht.«

Selena beschrieb ihrer Freundin den Weg und legte auf.

»Ich muss die Security unten informieren. Wann kommt sie?«

»Sie sagte, es würde ungefähr eine halbe Stunde dauern.«

»Dann sollten wir lieber essen. Es ist fertig.«

»Die beste Nachricht, die ich heute gehört habe«, meinte Ronnie von der Couch.

Nick stellte das Essen auf den Tisch und öffnete eine Flasche Pinot. Er rief die Security an und sagte dem Wachmann, dass Selenas Freundin kommen würde. Sie setzten sich.

»Wie läuft es mit der Übersetzung?«

»Ich habe das Sanskrit erledigt und mache Fortschritte mit der Linearschrift A. Es ist alles hier auf meinem Laptop. Erinnerst du dich, dass ich sagte, eine der Zutaten für das Elixier wären brennende Silbersteine?«

»Ja?«

»Der Text besagt, die Silbersteine werden schwarz. Die Anweisung lautet, die Steine sollen zerschlagen und mit vermutlich einer Art Säure ausgewaschen werden. Dadurch wird der Stein golden, oder zumindest gelb. Ich habe diese spezielle Wortkonstruktion zuvor noch nie gesehen. Das Resultat wird dann zu Pulver verarbeitet und mit den anderen Zutaten in einem flüssigen Aufguss gemischt. Oder vielleicht ist es eine Lösung.«

»Klingt wie Alchemie. Die Alchemisten haben andauernd versucht, Dinge in Gold zu verwandeln.«

»Diese Formel beinhaltet bereits Gold. Ich habe eine Idee bezüglich dieser Steine. Ich glaube, sie sind extrem hochgradiges Uranerz. Ich habe Stephanie gebeten, meine Übersetzung in ihre Szenarien zu programmieren, um zu sehen, was dabei rauskommt. Wir werden es morgen erfahren.«

»Wie kommst du auf Uran?«

»Welche Art von Stein ›brennt‹? Da steht nichts davon in dem Text, dass sie erhitzt werden sollen. Das Einzige, was mir einfiel, war etwas Radioaktives. Ich habe ein wenig nachgeforscht. Uranerz kann von silberner Farbe sein. Es oxidiert und wird schwarz.«

»China hat Uranvorkommen. Warum sollte Yang das interessieren?«

»Chinas Vorkommen sind von niedriger Qualität. Es erfordert eine Menge Verarbeitung, um irgendetwas zu erhalten, das brauchbar ist.«

»Wie für Bomben etwa?«, fragte Ronnie.

»Ja. Wenn diese Steine von einem hochgradigen Vorkommen sind, dann würde Yang wissen wollen, wo es ist. Es gibt nur ein bekanntes Vorkommen dieser Art auf der Welt, in Saskatchewan. Die Kanadier erhalten bis zu fünfundsiebzig Prozent brauchbare Ausbeute von ihrem Rohmaterial. Das normale Zeug ergibt nur etwa ein oder zwei Prozent.«

»Das würde Yang ermöglichen, Chinas Nuklearprogramm zu beschleunigen. Das scheint sinnvoller, als die Suche nach einem Lebenselixier.« Nick trank etwas Wein.

Ronnie bestrich ein Stück Sauerteigbrot mit Butter und biss ab. Krümel fielen auf die Polyester-Surfszene, die er trug.

»Was denkst du, Nick? Plant Yang hier einen Angriff? Er muss verrückt sein, wenn er denkt, wir würden nicht zurückschlagen.«

»Verrückt wie ein Fuchs, vielleicht. Da die Politik ist, was sie ist, könnte es ihm sogar gelingen, indem er jemanden als Sündenbock hinstellt, eine Terrororganisation zum Beispiel oder sogar die Triade. Die sind gleich hier und viel einfacher zu verfolgen, als wer auch immer die Zügel in Peking in der Hand hält.«

»Aber die Triade würde ihn verraten.«

»Klar, aber wo sind die Beweise? Es stände ihr Wort gegen seines, und er würde am Abzug von Chinas Atombomben sitzen. Wenn du ein Haufen unserer Politiker wärst, die gerade versuchen, alle zu beruhigen, würdest du die Wahrheit sagen? Sie würden lügen, dass die Balken brechen.«

»Man müsste annehmen, Yang wäre zufrieden mit all der Macht, die er bereits hat.«

»Macht ist niemals genug«, erwiderte Selena. »Zumindest scheint es, wer Macht hat, will immer noch mehr.«

»Sie sind eine Zynikerin«, sagte Ronnie.

»Es stimmt hier bei uns. Warum sollte es im kommunistischen China anders sein?«

Nick aß eine Gabel voll Nudeln. Der Summer ertönte. Er stand auf und ging zur Gegensprechanlage.

»Ja.«

»Mister Carter, Ihr Gast ist hier.«

»Schicken Sie sie rauf.« Er schaute zu Selena. »Deine Freundin ist unten.«

»Du wirst sie mögen.«

Ronnie wischte seinen Teller mit Brot aus und trank den Rest seines Sodawassers aus. Er trank niemals Alkohol. Er hatte Familien und Freunde im Reservat gesehen, die daran zerbrochen sind. »Ich gehe nach nebenan. Lasst mich wissen, wenn ihr mich für irgendetwas braucht.«

Es gab ein leichtes Klopfen an der Tür, als Ronnie sie erreichte. Er öffnete und trat zur Seite.

Cathy Chen hatte lange, rabenschwarze Haare und war eine klassische, eurasische Schönheit. Sie trug ein burgunderrotes seidenes Cheongsam, tief ausgeschnitten und eng anliegend. Es brachte ihre schlanke Figur perfekt zur Geltung. Manche Frauen hätten darin wie hochpreisige Prostituierte ausgesehen. An Cathy Chen sorgte es für den Hauch von Eleganz und Stil, den es vermitteln sollte. Eine Kette aus delikater weißer Jade zierte ihren Hals. Sie trug eine Papiertüte mit einem teuren Logo darauf. Der Hals einer Flasche schaute daraus hervor.

»Cathy!«

»Hi, Selena.«

Sie umarmten sich. Ronnie blickte zu Nick, zuckte mit den Schultern und schloss die Tür hinter sich.

»Cathy, das ist Nick.«

Sie nahm seine Hand, ihre Berührung war kühl. Ihre Augen strahlten. Er glaubte, etwas in ihnen zu entdecken, aber dann war es verschwunden.

»Schön, Sie kennenzulernen, Nick. Das ist Ihre Wohnung?«

»Ja.«

»Klasse Aussicht.« Sie wandte sich an Selena. »Hey, Freundin. Was hast du gemacht, mal abgesehen von Nick hier?«

»Oh, nicht besonders viel. Nick und ich haben etwas Zeit miteinander verbracht. Ich arbeite an einer Übersetzung und mache etwas Beratungsarbeit.«

»Es ist höchste Zeit, dass du Zeit mit jemandem verbringst. Du warst mit niemandem mehr zusammen seit diesem Blödmann, den du in Griechenland abserviert hast – wie war sein Name …«

»Ted. Aber Nick und ich sind nur Freunde.«

»Oh, klar.« Sie schaute ihn an. »Wie auch immer, es ist schön, dich zu sehen.«

»Was ist mit dir, was machst du?«

»Ich habe gerade bei einem Beratungsunternehmen hier in Washington angefangen. Sie betreuen einen Klienten in China und haben mich als symbolische Asiatin eingestellt.«

»Ach, komm schon, Cathy, niemand stellt dich nur als Symbol ein. Wo bist du untergekommen?«

Sie begannen drauflos zu plaudern. Nach ein paar Minuten holte Cathy die mitgebrachte Flasche hervor. »Lass sie uns öffnen. Ich weiß, du magst Wein, und der hier soll exzellent sein. Kommt aus Australien. Die machen jetzt richtig gutes Zeug.«

Nick holte einen Öffner und frische Gläser und entfernte den Korken. Cathy goss ein. Sie hielt ihr Glas in die Höhe. »Geld, Gesundheit, Liebe und die Zeit, das alles zu genießen. Zum Wohl.«

Sie stießen an. Der Wein war gut, mit vollem Körper und sanft, mit einer leichten Geschmacksnote, die Nick nicht zuordnen konnte. Sie gingen mit den Gläsern in den Wohnbereich und setzten sich.

Cathy warf einen Blick auf Selenas Laptop, der noch geöffnet auf dem Tisch stand.

»Ist das die Übersetzung, an der du arbeitest? Worum geht es?«

»Ja. Es ist ein alter Sanskrit-Text über Medizin. Nichts sonderlich Weltbewegendes.«

»Du warst schon immer ein Ass mit diesen Dingen. Bei der Arbeit mit Originaltexten. Ich hatte schon genug Mühe, die bereits übersetzten Informationen zu erforschen.«

Nick fühlte sich schwindelig. Das Licht flackerte. Cathy sah ihn an.

»Ich fühle mich nicht besonders gut«, sagte Selena.

»Kann ich irgendwas für dich besorgen?«, fragte Cathy.

Selenas Weinglas glitt aus ihrer Hand und fiel zu Boden. Der Wein verteilte sich in einem größer werdenden Fleck über den Teppich. Nick versuchte aufzustehen, aber seine Beine versagten ihren Dienst und er stürzte zu Boden. Seine Sicht wurde verschwommen. Als Letztes hörte er Cathy Chen zu Selena sagen, es täte ihr leid.

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