Читать книгу PROJECT Band 1-3 (Bundle) - Alex Lukeman - Страница 43
Kapitel 38
ОглавлениеWährend der Humvee im Leerlauf tuckerte, betrachtete Nick die durch sein Nachtsichtfernglas geisterhaft grün gefärbte Landschaft. Die Straße, der sie folgten, verschwand auf dem Weg zum Kloster hinter dem Fuß eines großen Hügels. Zu ihrer Linken verlief ein breites Tal um den Hügel und führte nach Norden. Ein kalter, harter Wind blies ohne Unterlass gegen das Fahrzeug.
Nick legte das Fernglas zur Seite.
»Das hier sollte uns in die Nähe unseres Ziels bringen.« Er fuhr auf der Karte das Tal entlang. »Ich denke, wenn wir auf keine Hindernisse treffen, dann können wir in vier oder fünf Stunden dort sein.«
Selena sagte: »Ich muss pinkeln.«
Ronnie und Nick fingen an zu lachen.
»Was ist so witzig?« Sie spürte, wie ihr Gesicht sich rötete.
»Nichts«, sagte Nick. »Bloß Anspannung, das ist alles. Ich muss auch mal. Sucht euch jeder eine Ecke.«
Ein paar Minuten später setzte Ronnie das Fahrzeug wieder in Bewegung und sie fuhren in das Tal.
Die Gipfel auf beiden Seiten waren größer als die höchsten Berge in den Vereinigten Staaten. Und sie stellten bloß das Vorgebirge der massiven Giganten dahinter dar. Die Hänge waren frei von Vegetation und mit Schutt und Geröll bedeckt. Lebloser Fels erstreckte sich mit kalter Gleichgültigkeit in alle Richtungen. Es war, als würden sie auf einem fremden Planeten sein.
Der Mond war fast untergegangen. Die Sterne funkelten strahlend über ihnen. Nick hatte noch nie so viele Sterne gesehen. Da waren Sternenwolken, hell genug, um Schatten auf den Talboden zu werfen. Der tiefschwarze, sternenübersäte Himmel schien auf etwas Ungreifbares, Mysteriöses hinzudeuten. Unter diesem Himmel, umgeben von glänzenden, schneebedeckten Gipfeln, war es leicht nachzuvollziehen, warum die hier lebenden Menschen glaubten, die Berge seien die Heimat der Götter.
»Wie geht es dir, Selena?«
»Ich habe Kopfschmerzen, aber abgesehen davon, gut. Ich bin froh, dass ich jetzt hier nicht wandern muss.«
»Gönn dir etwas Sauerstoff. Wir wollen hier oben nicht krank werden. Wir sind an die Höhe nicht gewöhnt, aber wir bleiben auch nicht lange.«
»Ich frage mich, was wir entdecken werden.«
»Das finden wir bald genug heraus«, sagte Ron. »Wir sind etwa vier Klicks von den Ruinen entfernt.«
Der Humvee holperte über eine Ansammlung rauer Felsen. Plötzlich war ein lautes Krachen von brechendem Metall zu hören. Sie schlitterten nach rechts, lose Felsen sprühten um sie herum, dann krachten sie hart nach unten auf einen tiefer gelegenen Felsblock, ehe Ronnie anhalten konnte. Er schaltete den Motor ab.
»Was war das?«
»Ich weiß nicht«, sagte Ronnie. »Klang nicht gut. Die Lenkung hat sich verabschiedet.«
Sie stiegen aus. Der Humvee hing auf dem Felsblock, das rechte Rad ragte in die Luft. Ronnie holte seine Taschenlampe heraus und schaute unter den Wagen.
»Kann nicht viel sehen, mit der ganzen Panzerung.« Er griff nach dem Reifen. Das Rad schwang ganz leicht vor und zurück. »Sieht aus, als müssten wir laufen. Ich schätze, eine Zugstange oder ein Kontrollarm ist gebrochen.«
»Verdammt. Okay, dann lass ihn uns verstecken.«
Sie zogen das Gepäck aus dem Heck und deckten das Fahrzeug mit einem Tarnnetz ab. Der Humvee wurde zu einem Teil der Landschaft. Nicks Höhenmesser zeigte fünftausend Meter.
Sie schulterten ihr Gepäck und begannen zu klettern. Sie folgten einer steilen Schneise, um riesige Felsbrocken und Steinschläge herum. Der Wind war unerbittlich und kalt. Lose Steine rollten wie ungleichmäßige Murmeln unter ihren Füßen. Nick rutschte immer wieder aus. Sein Rücken schmerzte wie verrückt. Sein Gepäck fühlte sich an, als wäre es aus Blei.
Der Himmel zeigte erste Anzeichen des Morgengrauens. Er sah zu den anderen. Selena schwitzte in der kalten Luft. Ronnie schaute verbissen.
»Lasst uns eine Pause einlegen«, sagte er.
Sie hielten an. Nick musste etwas gegen die Schmerzen tun. Er holte die Medizintasche hervor, entnahm ein paar Schmerztabletten, dachte darüber nach und legte eine zurück. Das war hier kein guter Ort, um Fehler in der Urteilsfähigkeit zu riskieren.
Drei Stunden, nachdem sie den Humvee verlassen hatten, erklommen sie die letzte Erhebung. Eine kalte Sonne tauchte die Berge in ein blechernes, ominöses Licht, das keinerlei Linderung gegen den eisigen Wind verschaffte. Der Ausblick vor ihnen war überwältigend.
Die Ruinen bedeckten die Kuppe des Hügels in einem Wirrwarr aus Steinen. Die Außenmauern waren sechs Meter hoch und aus flachen Steinen zusammengefügt. Sie erstreckten sich etwa hundert Meter in jede Richtung und bildeten ein äußeres Quadrat. Eingestürzte Lücken klafften in den Mauern. Ein Gebäude mit einem hohen, gestuften, pyramidenförmigen Dach dominierte den Mittelpunkt der Anlage.
Nick stellte sich vor, diese Mauern zu Fuß mit Speeren, Schwertern und Pfeil und Bogen anzugreifen. In jener Zeit wäre die Festung uneinnehmbar gewesen.
Die Stille war immens. Das einzige Geräusch war das konstante Wehklagen des Windes in den Ruinen.
Der Berg fiel von der Stelle ab, an der sie standen, und bot ihnen eine weitläufige Aussicht auf schneebedeckte Berge und Täler. Ein Wasserfall stürzte etwa 600 Meter vor ihnen hinab zu einem Fluss, der sich am Talboden entlang wand. Eine Yakherde graste in der Ferne an der Seite eines Berges, dreißig oder vierzig winzige schwarze Punkte. Ein einsamer Steinadler glitt unter ihnen vorbei.
Nick hatte noch nie solche Weite gesehen. Es war nicht nur die Größe der Berge. Es war die Weite um sie herum, die Art, wie sie sich in den dünnen Himmel drängten. Das Ausmaß der Natur war überwältigend. Er fühlte sich so klein wie eine Ameise.
Er konsultierte sein GPS und zeigte auf einen Punkt des Satellitenbildes.
»Wir sind hier, an der südwestlichen Ecke der Außenmauern. Diese vier Linien sehen aus wie Straßen zwischen Gebäuden. Wir werden uns entlang dieser Mauer bewegen und dann einer der Straßen nach innen folgen.«
»Sie laufen alle in der Mitte zusammen«, sagte Selena, »an dem Gebäude mit dem großen Platz darum.«
»Ist die Mitte hier in der Gegend nicht von großer Bedeutung?«
»Ja. Mount Kailash dort drüben galt als das Zentrum der Welt. Das Gebäude ist das Zentrum dieser Anlage und die Höhle befindet sich darunter.«
Ronnie meldete sich zu Wort. »Warum fangen wir dann nicht dort an?«
Eine weitere codierte Nachricht an Harker ließ sie wissen, dass sie angekommen waren und nach Plan verfahren würden. Nick steckte das Telefon zurück in seine Tasche und sie machten sich entlang der westlichen Mauer auf den Weg. Auf halber Strecke gelangten sie an die Überreste eines Torbogens. Das Tor selbst war schon lange nicht mehr da. Eine breite, unebene Allee aus grauen Steinen, die sich durch den Frost an vielen Stellen gehoben hatten, führte direkt zu dem Gebäude mit dem Pyramidendach.
Sie gingen hinein. Graue Steinwände und Schutthaufen säumten die Straße. Selena wies auf einen riesigen, gemeißelten Vogel auf einer großen, verwitterten Steinsäule hin.
»Das ist ein Garuda, wie der Name des Buches.«
»Wofür waren alle diese Gebäude da?«
»Geschäfte, Unterkünfte, Ställe. Das hier ist eine kleine Stadt.«
Der Wind stöhnte durch die verlassenen Steine und wirbelte dabei dünnen Staub in die Luft. Selena hielt an einem Gebäude am Rand des Platzes an. Das Dach war noch intakt. Sie trat ein, in die Ruine eines breiten Atriums.
Der Boden des Atriums war etwa neun Meter im Quadrat. Unterschiedlich gefärbte Kacheln formten ein kunstvolles Bild auf dem Boden. Flechten wuchsen zwischen den Kacheln und viele Teile fehlten, aber das Design war noch klar zu erkennen.
In den Ecken wachten Leoparden. In der Mitte lehnte sich eine Frau auf einem Sitzmöbel zurück. Sie trug eine blaue Robe. Sie hatte langes, schwarz gelocktes Haar, das von einem goldenen Band gehalten wurde. Drei Frauen in weißen Roben waren bei ihr. Eine spielte auf einer Flöte, eine andere trug einen Korb mit Früchten und die dritte goss Wein aus einem Krug. Alle drei hatten schwarze, lockige Haare, die von einem Stirnband gehalten wurden und lebensechte Augen, die aus schwarzen und goldenen Fliesen gemacht waren. Über der Szene fuhren zwei Frauen mit wehenden blonden Haaren in einem Streitwagen. Der Streitwagen wurde von zwei geflügelten Greifen gezogen. Über allem flog ein großer Vogel.
»Das ist kretisch«, sagte Selena. »Erstaunlich. Die Frau mit dem Wein gießt aus einer Amphore. Das ist definitiv minoisch. Ähnliche Gemälde wurden in einer minoischen Grabkammer in Nord-Kreta gefunden. Die Frauen in dem Streitwagen sind wahrscheinlich Göttinnen, vielleicht eine Eskorte, um die Seele ins Jenseits zu geleiten.«
»Dann waren die Minoer also tatsächlich hier.«
»Sieht so aus. Dieser Stil von Mosaiken kommt nur in der Ägäis vor. Entweder die Minoer, oder jemand, der mit ihnen Kontakt hatte, muss es gemacht haben. Das hier in Tibet zu finden, ist unglaublich.« Sie holte ihre Kamera hervor.
Nachdem sie einige Bilder gemacht hatte, traten sie wieder hinaus auf den Platz. Die Mauern des Gebäudes im Zentrum des Komplexes waren durch den endlosen Wind erodiert, der alte Stein dunkel und fleckig. Schmale Öffnungen befanden sich in den unteren Mauern und im Dach.
»Das ist ein früher Stil vedischer Tempelarchitektur«, sagte Selena. »Das Pyramidendach war typisch. Ich würde schätzen, so um 1800 vor Christus. Vielleicht etwas später.«
»Das war ein Tempel?«
»Es muss einer gewesen sein. Der gesamte Komplex ist angelegt wie ein Mandala, mit Eingängen zum Zentrum aus den vier Richtungen.«
»Was ist ein Mandala?« Ronnie rieb sich das Gesicht mit seinem Handschuh.
»Ein Hilfsmittel, ein Bild zur Unterstützung beim Fokussieren des Geistes. Durch das Betrachten des Bildes und das Meditieren darüber entwickelt man die Fähigkeit, eine spirituelle Dimension zu betreten.«
»Glaubst du das?«, fragte er.
»Es scheint für die Leute, die damit üben, zu funktionieren.«
Nick schaute sich auf dem breiten Platz um, stellte sich vor, wie es gewesen sein musste, als Menschen hier lebten.
»Dieser Platz war wirklich ein Mandala?« Er rieb an seinem Ohr.
»Das wäre die Idee gewesen. Alles konstruiert, um die Menschen an ihre spirituelle Natur zu erinnern und die Vergänglichkeit des Lebens.«
»Warum sind wir dann hier und suchen nach etwas, das einen unsterblich macht?«
»Unsterblichkeit ist in vielen Religionen eine Belohnung. Sie nimmt nur für unterschiedliche Menschen verschiedene Formen an. Im Osten erlangst du die Erleuchtung. Im Endeffekt wirst du unsterblich. Im Westen lebst du für immer im Himmel.«
»Oder in der Hölle«, entgegnete Nick.
»Daran glaube ich nicht«, sagte Selena.
Der Platz war weitestgehend frei von Trümmern. Sie gingen auf das Gebäude zu, hielten inne und betrachteten es gründlich.
Zwei massive Säulen stützten einen gewölbten Eingang. Über dem Bogen war ein großer, wilder Vogel in den Stein gehauen. Auf beiden Säulen war noch das Zeichen der Labrys zu erkennen, die doppelköpfige Axt des altertümlichen Kreta.