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Fünfzehnter Februar

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Es war Winter. Nicht nur kalendarisch, sondern auch meteorologisch. Wir hatten Februar. Es musste draußen kalt sein. Es musste draußen Schnee liegen. Zu mindestens dann, wenn der Winter seinem Namen alle Ehre machen wollte.

Die Kinder gingen nachmittags raus, wenn sie Schule hatten. Waren die Kinder zu Hause, so wie am Wochenende, gingen die Kinder schon am Vormittag hinaus. Sie machten eine Schneeballschlacht. Sie holten den Schlitten aus dem Keller und gingen rodeln. Einen kleinen Abhang gab es fast überall. Manchmal war der Abhang auch ein kleiner Berg, der zum Rodeln einlud. Wer keinen Schlitten besaß, baute einen Schneemann. Vielleicht auch mehrere. Sofern der Schnee reichlich war. Ohne Schnee konnte natürlich kein Schneemann gebaut werden.

Während die Kinder in der Schule waren, während sie im Kindergarten waren, während die Kinder Zuhause bei ihren Eltern waren, war die arbeitende Bevölkerung unterwegs zur Arbeit. Vielleicht schon auf der Arbeit. Doch nicht jeder Erwachsene ging zur Arbeit. Manch einer lernte noch. Machte seinen Hochschulabschluss. Seinen Bachelor, seinen Master oder noch ganz altmodisch sein Diplom.

Auch ich war damals zur Universität unterwegs. Sie lag in der nächsten größeren Stadt. Ein Auto besaß ich nicht. Einen Führerschein hatte ich noch nicht. Mit Fahrrad wäre es zu weit. Zu Fuß hätte es Stunden, wenn nicht Tage, gedauert. Mir blieb nur eine Lösung. Ich musste die Bahn nehmen. Glücklicherweise gab es in meiner Gemeinde einen Bahnhof. Zum Glück hatte ich es bis zum Bahnhof nicht weit. Ich musste nur wenige hundert Meter laufen. Zehn Minuten brauchte ich zum Bahnhof. Zum Glück war auch meine Universität mit der Bahn zu erreichen. Bis dorthin war ich eine Stunde unterwegs - mit Zug. Dann musste ich noch eine Viertelstunde mit der Straßenbahn fahren, ehe ich am Campus ankam.

Ich war im ersten Semester und fuhr jeden Tag mit der Bahn. Kurz nach sieben Uhr musste ich los. Jetzt im Februar musste ich nicht mehr so oft zur Uni. Es war vorlesungsfreie Zeit. Trotzdem hatte ich genug zu tun. Bis Mitte Februar liefen die Prüfungen. Wer nicht lernte, konnte durchfallen. Auch ich lernte. Der Erfolg blieb nicht aus. Beruflich als auch privat.

Es war der fünfzehnte Februar. An diesem Tag hatte ich meine letzte Prüfung. An dem Tag ging ich etwas früher los. Ich benötigte noch eine Fahrkarte. Eine Fahrkarte mit der ich zur Uni und zurückkommen konnte. Am Ticketschalter kaufte ich mir eine Fahrkarte für elf Euro fünfzig. Dann ging ich zum Bahnsteig Zwei. Von dort fuhr mein Zug immer ab, wenn ich zur Uni wollte.

Ich musste einige Minuten warten. Die Fahrkarte erhielt ich schneller als ich dachte. Ich plante immer mehr Zeit ein. Den Zug verpassen wollte ich nicht. Er fuhr nur einmal in der Stunde. Den Zug verpasste ich an diesem Tag auch nicht.

Zum Glück. Sonst hätte ich meine Frau nie kennengelernt. Ich stieg damals in den Zug. Nahm wie immer Platz. Nach einiger Zeit kam die Schaffnerin. Sie hatte hellblondes kurzes Haar. Doch noch bevor ich sie sah, hörte ich sie. „Die Fahrkarten bitte“ rief sie. Ich suchte meine Fahrkarte und wollte sie der Schaffnerin zeigen. Sie schlich sich von hinten an und überrumpelte mein Herz. Als ich die Schaffnerin sah, raste mein Herz. Ich hatte mich auf den ersten Blick verliebt. Da ich wusste, dass ich die Schaffnerin eventuell nie wieder sehen würde, sprach ich sie während der Kontrolle an. Ich lud sie zu einem Kaffee ein. Sie nahm die Einladung an. Nach unserem zweisamen Treffen waren wir ein Paar. Ein Paar, das heute verheiratet ist und ein Kind hat. Ein zweites Kind wird folgen. Da sind wir uns sicher. Sehr sicher. Die Frage ist nur noch wann.

Erzählen-AG: 366 Geschichten

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