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Fall 3 Erklärungswütig
Inhaltsverzeichnis
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Seit langem wird Sinistrien wegen seiner Menschenrechtspolitik international kritisiert. Als der Staat wegen einer Wirtschaftskrise auf finanzielle Hilfe anderer Staaten angewiesen ist, verlangen die Geldgeber im Gegenzug, einigen menschenrechtlichen Verträgen beizutreten. Sinistrien willigt ein. Seinen Beitrittsurkunden fügt es freilich diverse Erklärungen bei. So enthält die Beitrittserklärung zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) eine „Stellungnahme“, in der die Geltung von Art. 27 für Sinistrien ausgeschlossen wird, sowie folgende „Protokollerklärung“: „Sinistrien versteht Art. 26 dieses Abkommens so, dass aus dieser Bestimmung keine Verpflichtung zu einer positiven Diskriminierung wegen eines der dort genannten Merkmale hergeleitet werden kann.“ Seiner Beitrittserklärung zur UN-Anti-Folter-Konvention gibt Sinistrien folgende „Interpretationserklärung“ bei: „Sinistrien betrachtet nicht als Folter im Sinne des Übereinkommens Handlungen, die von Personen in amtlicher Eigenschaft vorgenommen werden, um Leben oder Gesundheit anderer oder sonstige wichtige Interessen des Staates zu schützen.“ Einem Abkommen mit seinem Nachbarstaat Tutelien, in dem sich Sinistrien verpflichtet hat, gegen sinistrische Staatsbürger, die aus Tutelien an ihre Heimat ausgeliefert werden, nicht die Todesstrafe zu verhängen, fügt Sinstrien bei Überreichung der Ratifikationsurkunde einen als „Vorbehalt“ bezeichneten Zusatz bei, wonach sich Sinistrien in begründeten Ausnahmefällen vorbehält, die Todesstrafe zwar zu verhängen, aber einstweilen nicht zu vollstrecken. Jedenfalls zu der Erklärung zur Anti-Folter-Konvention liegt eine schriftliche Stellungnahme Kontrariens, einer anderen Vertragspartei, vor, wonach diese Erklärung unwirksam und Sinistrien einschränkungslos an den Vertrag gebunden sei.
Wie sind diese Erklärungen einzuordnen und welche Rechtsfolgen haben sie? Es ist davon auszugehen, dass die Vorschriften der WVK Anwendung finden.
Art. 26 IPBPR: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. In dieser Hinsicht hat das Gesetz jede Diskriminierung zu verbieten und allen Menschen gegen jede Diskriminierung, wie insbesondere wegen der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status, gleichen und wirksamen Schutz zu gewährleisten.
Art. 27 IPBPR: In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.