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IX. Verfahrensrechtliche Sonderfragen

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Im lebensmittelrechtlichen Sanktionsverfahren, das sich mit der Beschaffenheit von Erzeugnissen auseinandersetzt, kommt dem Sachverständigengutachten überragende Bedeutung zu.[374] In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Guido Weber“[375] zu nennen, die die Konkretisierung der Verfahrensrechte der Beschuldigten bzw. Betroffenen betrifft. Darin hat der EuGH ausgeführt, dass im Sinne der Richtlinie 93/43/EWG[376] eine „Gesellschaft, die ein Lebensmittel eingeführt und anschließend vermarktet hat und deren Geschäftsführer auf der Grundlage von in einem Einzelhandelsgeschäft entnommenen Proben dieses Produkts für den Zustand und die Etikettierung des Produkts strafrechtlich oder bußgeldrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, als ‚Betroffener‚ im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist“. Diese formelle Parteistellung hat im Sanktionsrecht zu einer erheblichen Ausweitung des Rechts zur Durchführung eines Gegengutachtens geführt.

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Nach der EuGH-Judikatur gehört das Recht zur Gegenbegutachtung zu den legitimen Verfahrensrechten der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer. Wird bei einem Händler eine Probe eines Lebensmittels genommen, die in einem Sanktionsverfahren gegen den Geschäftsführer einer dieses Produkt herstellenden oder veräußernden Gesellschaft verwendet werden soll, so ist auch die Gesellschaft als „Betroffener“ im Sinne des Art. 7 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie 89/397 anzusehen.[377] Dem steht nicht entgegen, dass der betroffene Unternehmer nicht in der Aufmachung des Erzeugnisses als für dieses verantwortlich erscheint. Aufgrund dieser an die Steffensen-Judikatur anknüpfenden Rechtsprechung dürfen (straf-)prozessuale Verteidigungsrechte nicht mehr allein national bestimmt werden, sondern müssen im europäisch geprägten Lebensmittelrecht im europäischen Kontext gesehen werden. Daher besteht für das konkrete Sanktionsverfahren ein Verwertungsverbot für das Gutachten, wenn der betroffene Unternehmer nicht die Möglichkeit hatte, die Gegenprobe untersuchen zu lassen. Dies zwingt die nationalen Lebensmittelbehörden zur Einhaltung ihrer Informationspflichten über Zweitproben. Die Behörde hat zur Verhinderung von Beweisnot insbesondere bei leicht verderblichen Waren unverzüglich alle Unternehmer in der Handelskette zu ermitteln, über ihr Verfahrensrecht zu unterrichten und ihnen zu ermöglichen, dass sie die Zweitprobe untersuchen lassen können.[378]

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

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