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6. Veröffentlichung von Verstößen gegen das Lebensmittel- und Futtermittelrecht nach § 40 Abs. 1a LFGB

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Durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation[397] ist „en passant“[398] insbesondere eine Ergänzung des § 40 LFGB um eine Nr. 2 in Abs. 1 sowie um einen neuen Abs. 1a erfolgt. Letztere Vorschrift schreibt eine Information der Öffentlichkeit über den Namen bzw. die Firma und die Adresse eines Lebensmittelunternehmers in lebensmittelstrafrechtlich oder lebensmittelbußgeldrechtlich relevanten Verdachtsfällen zwingend vor.[399] Danach informiert die „zuständige Behörde die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Abs. 1 S. 2 auf der Grundlage mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen von Stellen nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass

1. in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder
2. gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.“ [400]

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Die überwiegende Auffassung in der Literatur hält die Vorschrift über den „Internet-Verdachtspranger“[401] für verfassungswidrig.[402] Teils wurde angenommen, die Regelung beinhalte eine Verdachtsstrafe und sei aus diesem Grund verfassungswidrig.[403] Auch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hat nahezu übereinstimmend „durchgreifende Bedenken“[404] gegen diese Regelung geäußert. Zwar konnten die unionsrechtlichen Zweifel durch eine Vorabentscheidung des EuGH[405] ausgeräumt werden. Die verfassungsrechtliche Kritik wiegt aber weiterhin schwer. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat Verstöße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angenommen wegen mangelnder zeitlicher Befristung der Veröffentlichung,[406] wegen eines unverhältnismäßiger Einwirkung auf den Geschäftsbetrieb[407] bzw. die Berufsausübungsfreiheit,[408] insbesondere wegen der zwingenden Veröffentlichung,[409] wegen eines nicht hinreichend gesetzlich umgrenzten Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.[410] Ferner wurde die mangelnde Bestimmtheit der Vorschrift gerügt.[411] Lediglich vereinzelte Stimmen aus der Literatur sehen § 40 Abs. 1a LFGB als mit der Verfassung vereinbar an.[412] Das Bayerische Staatsministerium für Verbraucherschutz hat in einer Pressemitteilung vom 25.3.2013 (Nr. 72/13) erklärt, die „Liste gegen Verstöße des § 40 Abs. 1a LFGB“ werde vorläufig ausgesetzt. Ähnliches gilt für Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfahlen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz, die die Veröffentlichungen vorläufig eingestellt haben.[413]

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Das BVerfG hat mit Beschluss vom 21.3.2018 in einem abstrakten Normenkontrollverfahren die Vereinbarkeit der Veröffentlichung von Verstößen gegen Lebensmittelrecht mit dem Verfassungsrecht zwar grundsätzlich bestätigt, aber eine gesetzliche Regelung zur zeitlichen Beschränkung der Veröffentlichung angemahnt. Der geltende § 40 Abs. 1a LFGB wurde aus diesem Grund für verfassungswidrig erklärt.[414] Nachdem ein bereits im Jahr 2015 vorgelegter Entwurf zur Neuregelung gescheitert war, brachte die Bundesregierung am 4.1.2018 einen neuen Gesetzesvorschlag in den Bundestag ein, der u.a. zeitliche Beschränkungen[415] und in seiner Fassung durch die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft vom 13.3.2019 weitere Entschärfungen der Veröffentlichungspflicht vorsieht[416]. Dieser Entwurf wurde am 14.3.2019 im Bundestag angenommen.

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