Читать книгу Handbuch Wirtschaftsstrafrecht - Udo Wackernagel, Axel Nordemann, Jurgen Brauer - Страница 330

aa) Schutz vor Täuschung durch Irreführung im Zusammenhang mit Lebensmitteln (§ 59 Abs. 1 Nrn. 7 bis 9 LFGB)

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Die Strafvorschriften der § 59 Abs. 1 Nrn. 7-9 LFGB dienen dem Schutz des Verbrauchers vor Täuschungen und beziehen sich auf das Inverkehrbringen unzureichend oder fehlerhaft gekennzeichneter Lebensmittel oder das irreführende Bewerben von Lebensmitteln.

Durch die Änderung des § 11 Abs. 1 LFGB ist von der Strafbarkeit ab dem 13.12.2014 auch das Verbot krankheitsbezogener Aufmachung und Werbung umfasst. Dieser vormals in § 60 Abs. 2 Nr. 1 LFGB normierte Bußgeldtatbestand wurde also ins Strafrecht verlagert und damit der bislang sanktionsbewehrte § 12 LFGB – mittlerweile aufgehobene – aus dem strafrechtlichen Schutz ausgegliedert.

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Nach § 59 Abs. 1 Nr. 7 LFGB in der bis zum 13.12.2014 geltenden Fassung wird bestraft, wer ein Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr bringt oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen wirbt. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn

bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung oder Gewinnung verwendet werden,
einem Lebensmittel durch Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind,
durch Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften zu verstehen gegeben wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften hat, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften haben,
durch Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften einem Lebensmittel der Anschein eines Arzneimittels gegeben wird.

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Nach § 59 Abs. 1 Nr. 7 LFGB in der ab dem 13.12.2014 geltenden Fassung wird bestraft, wer als Lebensmittelunternehmer im Sinne von Art. 8 VO (EU) Nr. 1169/2011 oder Importeur § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB verletzt, indem er Lebensmittel mit Informationen über Lebensmittel, die spezifischen Anforderungen der VO (EU) Nr. 1169/2011 zum Schutz vor Irreführung und Täuschung nicht entsprechen, in den Verkehr bringt oder allgemein oder im Einzelfall dafür wirbt.

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§ 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB verbietet den Verkehr von Informationen über Lebensmittel, die den Anforderungen des Art. 7 Abs. 1, auch i.V.m. Abs. 4 VO (EU) Nr. 1169/2011, nicht entsprechen, weil sie irreführend sind. Diese Irreführung kann nach Art. 7 Abs. 1 lit. a VO (EU) Nr. 1169/2011 die Eigenschaften des Lebensmittels betreffen, insbesondere seine auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, sein Ursprungsland oder seinen Herkunftsort sowie die Methode der Herstellung oder Erzeugung. Sind diese Angaben geeignet, beim Verbraucher einen Irrtum herbeizuführen, so sind sie irreführend. Ferner dürfen Lebensmittel nach Art. 7 Abs. 1 lit. b VO (EU) Nr. 1169/2011 keine Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die sie nicht besitzen; es darf nach Art. 7 Abs. 1 lit. c VO (EU) Nr. 1169/2011 nicht zu verstehen gegeben werden, dass sich das Lebensmittel durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen, insbesondere durch besondere Hervorhebung des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins bestimmter Zutaten und/oder Nährstoffe. Schließlich darf nicht durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellung das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert werden, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde.

Das Verbot und damit auch die Strafbarkeit bei seiner Verletzung gilt auch dann, wenn die Irreführung nicht durch die Angaben zum Lebensmittel selbst, sondern allein durch die Werbung (Art. 7 Abs. 4 lit. a VO (EU) Nr. 1169/2011) oder durch die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere durch ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung oder den Rahmen ihrer Darbietung erfolgt (Art. 7 Abs. 4 lit. b VO (EU) Nr. 1169/2011).

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§ 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB verbietet es, ein Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, das insofern täuschungsgeeignet ist, als die Informationen auf dem Lebensmittel oder auch seine Aufmachung (Art. 7 Abs. 4 lit. b VO (EU) Nr. 1169/2011) dem Lebensmittel die Eigenschaft zuschreiben oder den Eindruck entstehen lassen, das Lebensmittel könne der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung menschlicher Krankheiten dienen (Art. 7 Abs. 3 VO (EU) Nr. 1169/2011). Ausnahmen von diesem Verbot können nach den Unionsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, gelten.

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§ 11 Abs. 1 Nr. 3 LFGB weitet dieses Verbot auch auf freiwillige Angaben auf Lebensmitteln aus, so dass § 59 Abs. 1 Nr. 7 LFGB damit Art. 36 Abs. 2 lit. a VO (EU) Nr. 1169/2011 mit Strafe bewehrt.

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§ 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB erfasst Fälle, in denen das Lebensmittel nicht im Sinne von Art. 14 Abs. 1, 2 lit. b BasisVO als unsicher anzusehen, aber doch für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist (sog. Ekelfälle).[105] Hierbei muss es sich um Lebensmittel handeln, die äußerlich unverändert sind, aber aufgrund ihrer Herstellungs-, Behandlungs- oder Lagerungsumstände (typischerweise wegen hygienischer Mängel)[106] nach der Verkehrsauffassung und aufgrund objektiver Anhaltspunkte beim Verbraucher, an den sich das Angebot im Allgemeinen richtet, Ekel oder Widerwillen auslösen würde, wenn er um diese Umstände wüsste.[107] Häufiger Anwendungsfall ist die Lagerung von Backwaren in der Nähe von Mäusekot.[108] Auf diese Weise unterscheidet sich die Verbotsmaterie von der des Art. 14 Abs. 1, 2 lit. b BasisVO, der die fehlende Eignung aufgrund einer schädigenden Einwirkung auf die Substanz (Fäulnis, Kontamination, Zersetzung etc.) erfordert und ein entsprechendes Verkehrsverbot normiert.[109] Die Verzehrungeeignetheit kann aufgrund dieser Begriffsbestimmung nicht durch entsprechende Hinweise beseitigt werden.[110]

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Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB und im Sinne des Täuschungsschutzes muss das Verbot des Inverkehrbringens auch dann gelten, wenn andere als hygienische Mängel auftreten, die dazu führen, dass ein Verbraucher das Erzeugnis nicht kaufen würde, wenn er um die Bedingungen wüsste, unter denen die Waren hergestellt oder gelagert worden sind. Gorny[111] umschreibt den hier zugrundliegenden Gedanken der Vorschrift mit den Worten „Wenn das der Verbraucher wüsste …“.[112] Danach führen etwa erhebliche Verstöße gegen Tierschutzvorschriften bei der Tierhaltung in einem Schlachthof oder bei dem Transport von Tieren dazu, dass die Fleischerzeugnisse nicht mehr verkehrsfähig sind und der Verkauf mit Strafe bedroht ist.[113]

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§ 11 Abs. 2 Nr. 2 LFGB basiert im Wesentlichen auf den Täuschungsverboten des Art. 16 BasisVO und integriert diese in das nationale Recht. Die Regelung betrifft bestimmte irreführende, nämlich nachgemachte, wertgeminderte und geschönte Lebensmittel:

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Nachmachen eines Lebensmittels (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 lit. a LFGB) ist das Nachbilden eines handelsüblichen, also echten Lebensmittels. Das nachgemachte Lebensmittel weist nur den äußeren Eindruck, nicht aber das Wesen und den inneren Gehalt des echten Lebensmittels auf, weil es ganz oder zum Teil aus anderen Stoffen besteht,[114] wobei die Eignung zur Täuschung ausreicht, um den Tatbestand zu erfüllen. Das nachgemachte Lebensmittel muss keinen wirtschaftlichen Minderwert aufweisen.[115] Das Nachmachen, das den Täuschungscharakter schon bei der Herstellung in sich trägt, ist vom schlicht unrichtigen Bezeichnen zu unterscheiden.[116]

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Durch seine Beschaffenheit weicht ein Lebensmittel von der Verkehrsauffassung ab (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 lit. b LFGB), wenn nach der Ansicht des relevanten Verkehrskreises eine Differenz zwischen Soll- und Ist-Beschaffenheit besteht.[117] Diese Abweichung muss zu einer nicht unerheblichen Wertminderung, insbesondere durch geringeren Nährwert, Genusswert oder eine eingeschränkte Brauchbarkeit, führen.[118] Das minderwertige Lebensmittel ist anders als das nachgemachte Lebensmittel kein aliud, sondern grundsätzlich artgleich, aber minderwertig.[119]

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Ein Lebensmittel ist geeignet, den Anschein einer besseren als der tatsächlichen Beschaffenheit zu erwecken (§ 11 Abs. 2 Nr. 2c LFGB), es ist also geschönt, wenn es zwar qualitativ grundsätzlich einwandfrei ist, jedoch mit dem Schein des optisch, olfaktorisch oder gustatorisch Höherwertigen versehen wurde.[120] Die Wertigkeit eines Lebensmittels ist grundsätzlich nach der Verkehrsauffassung zu bestimmen; oftmals wird hier eine wirtschaftliche Minderwertigkeit bestehen.[121]

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Nach § 59 Abs. 1 Nr. 8 LFGB wird bestraft, wer ein Lebensmittel in den Verkehr bringt, das zwar nicht gesundheitsschädlich, jedoch für den Verzehr durch Menschen ungeeignet ist und nicht dem Verbot von Art. 14 Abs. 1, 2 lit. b BasisVO unterliegt.

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Nach § 59 Abs. 1 Nr. 9 LFGB wird bestraft, wer

nachgemachte Lebensmittel ( § 11 Abs. 2 Nr. 2 lit. a LFGB )
Lebensmittel, die hinsichtlich ihrer Beschaffenheit von der Verkehrsauffassung abweichen und dadurch in ihrem Wert, insbesondere in ihrem Nähr- oder Genusswert oder in ihrer Brauchbarkeit nicht unerheblich gemindert sind ( § 11 Abs. 2 Nr. 2 lit. b LFGB ) oder
Lebensmittel, die geeignet sind, den Anschein einer besseren als der tatsächlichen Beschaffenheit zu erwecken, ohne ausreichende Kenntlichmachung in den Verkehr bringt ( § 11 Abs. 2 Nr. 2 lit. c LFGB .
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