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Kapitel 3:Die menschliche Handlung I.Grundlagen
Оглавление121Voraussetzung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist stets ein bestimmtes menschliches Verhalten. Hieran – und nicht an den Eintritt eines bestimmten Erfolges – knüpft jeweils die strafrechtliche Bewertung an. Es kann strafrechtlich zwar eine bestimmte Handlung ohne einen Erfolg geben (z. B. beim Versuch: Der Täter schießt vorbei), nie aber einen strafrechtlich relevanten Erfolg ohne Handlung. Wenn also Menschen infolge der Verwendung gesundheitsschädlicher Produkte sterben, muss stets geprüft werden, auf welches konkrete menschliche Verhalten (dies kann sowohl ein Tun als auch ein Unterlassen sein) welcher konkreten Person (dies können, insbesondere bei der Mittäterschaft, auch mehrere konkrete Personen sein, die aber individualisiert werden müssen) der Erfolg zurückzuführen ist. Die wesentliche Funktion des Handlungsbegriffs liegt somit vorwiegend darin, deutlich zu machen, an welches konkrete menschliche Verhalten welcher Person angeknüpft wird.
Klausurtipp
Die exakte Bestimmung der Handlung ist insbesondere für den Prüfungsaufbau in einer Klausur wichtig. Hier muss jedenfalls dann, wenn mehrere Verhaltensweisen des Täters in Frage kommen, bereits im Einleitungssatz der Prüfung jedes einzelnen Tatbestandes genau festgestellt werden, durch welches Verhalten sich der Täter hinsichtlich welcher Strafvorschrift möglicherweise strafbar gemacht hat.
Formulierung
„Anton könnte sich dadurch, dass er die Tretmine in Brunos Garten vergrub und entsicherte, wegen eines Totschlags an Bruno strafbar gemacht haben“. – „Rudi könnte sich dadurch, dass er als Geschäftsführer der ‚X-AG‘ den Rückruf des Holzschutzmittels ‚Superfax‘ nicht anordnete, nachdem die ersten Schadensfälle bekannt wurden, wegen einer gefährlichen Körperverletzung durch Unterlassen an Hilde strafbar gemacht haben“.
122Die zweite Aufgabe des Handlungsbegriffs besteht darin, bereits an dieser Stelle die sog. „Nicht-Handlungen“ auszufiltern, die strafrechtlich keine Relevanz besitzen, wobei allerdings darauf hinzuweisen ist, dass nur eindeutige Fälle, die zudem kaum juristisches „Geschick“ erfordern, über den Handlungsbegriff ausgeschieden werden.
Bsp.: Anton und Bruno laufen gemeinsam durch die Stadt. Nach einem Streit gibt Anton dem Bruno einen kräftigen Stoß, wodurch Bruno auf ein an der Straße abgestelltes Fahrrad fällt und dieses verbeult. Bei der anschließenden Flucht vor Anton stolpert Bruno und kollidiert infolgedessen mit der vierjährigen Anna, die infolge des Sturzes eine Kopfverletzung erleidet. – Bei der Frage, ob sich (auch) Bruno wegen einer Sachbeschädigung am Fahrrad, § 303 StGB, strafbar gemacht hat, ist als erstes zu prüfen, ob überhaupt eine Handlung Brunos vorlag. Erst wenn eine solche festgestellt werden kann (was hier zu verneinen ist), kann man sich mit der Frage beschäftigen, ob Bruno auch vorsätzlich handelte. Dagegen ist das Stolpern infolge der Flucht als Handlung Brunos anzusehen, da er das Weglaufen als solches willentlich steuerte. Hier fehlt es im Hinblick auf die Körperverletzung gegenüber Anna, § 223 StGB, allerdings am Vorsatz. Es kommt jedoch eine fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB, in Betracht.