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V.Prüfung der Handlung in einem strafrechtlichen Gutachten
Оглавление135 Prüfungsschema
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Handlung (z. B. Messerstich)
b) Erfolg (z. B. Tod eines Menschen)
c) Kausalität
d) Objektive Zurechnung
2. Subjektiver Tatbestand
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
Die Handlung bietet stets den „Einstieg“ in eine strafrechtliche Prüfung. Nur wenn feststeht, an welche Handlung angeknüpft wird, kann auf die Tatbestandsmäßigkeit im Einzelnen eingegangen werden. Systematisch ist die Handlung daher jeweils zu Beginn des objektiven Tatbestandes zu erörtern, wobei ein näheres Eingehen hierauf in einer Klausur nur dann zu erfolgen hat, wenn das Vorliegen einer Handlung überhaupt fraglich ist. Dies wird überwiegend nicht der Fall sein. In eindeutigen Fällen ist dann lediglich im Einleitungssatz festzustellen, welche Handlung zum Gegenstand der strafrechtlichen Prüfung gemacht wird.
Formulierung
„Anton könnte sich dadurch, dass er mit dem Hammer auf Bruno einschlug, wegen einer gefährlichen Körperverletzung, §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5 StGB, strafbar gemacht haben“. – „Martha könnte sich dadurch, dass sie ihrem Säugling Siegfried über mehrere Tage hinweg nichts zu essen und zu trinken gab, wegen eines versuchten Totschlags durch Unterlassen, §§ 212, 22, 13 StGB, strafbar gemacht haben“. – „Toni könnte sich dadurch, dass er Rudis Auto bestieg und mit diesem davonfuhr, wegen eines Diebstahls, § 242 StGB, strafbar gemacht haben“.
136Die exakte Bestimmung, an welche Handlung angeknüpft wird, ist im Verlaufe der weiteren Prüfung an mehreren Stellen entscheidend. Daher ist es unbedingt anzuraten, die zu untersuchende Handlung im Einleitungssatz der Prüfung konkret zu benennen. So muss (1) die konkrete Handlung – und nicht „irgendeine“ Handlung – ursächlich für den jeweiligen Erfolgseintritt sein. Ferner muss (2) der bei den Vorsatzdelikten erforderliche Vorsatz als Element des subjektiven Tatbestandes stets zum Zeitpunkt der Handlung (und nicht etwa früher oder später) vorliegen.
Bsp.: Der Spaziergänger Sepp löst beim Bergwandern versehentlich eine Steinlawine aus, die den Bergbauern Bruno unter sich begräbt. Als Sepp den Ort des tragischen Geschehens besichtigt und merkt, dass er Bruno getötet hat, freut er sich, da er Bruno ohnehin nicht leiden konnte. – Dieses spätere Billigen des Erfolges führt nicht dazu, dass Sepp nun wegen einer vorsätzlichen Tötung zu bestrafen ist. Entscheidend ist, ob er zum Zeitpunkt der Handlung (dem Auslösen der Lawine) Vorsatz hatte. Da dies nicht der Fall war, liegt diesbezüglich höchstens Fahrlässigkeit vor. Wenn Bruno nun aber zum Zeitpunkt der Entdeckung noch zu retten gewesen wäre, Sepp ihm aber nicht half, sodass Bruno verblutete, läge zu diesem Zeitpunkt Vorsatz hinsichtlich der Tötung vor, der nun aber nicht mehr an das aktive Tun (Auslösen der Lawine), sondern an das Unterlassen der Rettung anknüpfen würde. Der Einleitungssatz „Sepp könnte sich wegen Totschlags strafbar gemacht haben“ wäre daher unvollständig, da die konkret zu untersuchende Handlung nicht genannt wird.
Literaturhinweise
Fahl, Schlaf als Zustand verminderten Strafrechtsschutzes?, JURA 1998, 456 (der Beitrag geht jedenfalls zu Beginn auf die Frage von Handlungen im Schlaf ein und behandelt anschließend einige BT-Probleme); Welzel, Die deutsche strafrechtliche Dogmatik der letzten 100 Jahre und die finale Handlungslehre, JuS 1966, 421 (vertiefender Überblick mit historischem Bezug)
Rönnau, Der volltrunkene Macho, JuS 2000, L 28 (anspruchsvoller Fall, der die aufbautechnischen Probleme, die bei der Prüfung bestimmter Handlungen auftreten können, verdeutlicht)
BGHSt 23, 156 – Müdigkeit (zur Frage, ob das Einschlafen während des Autofahrens als Handlung angesehen werden kann); BGHSt 40, 341 – Epilepsie (zur Frage, ob ein epileptischer Anfall beim Autofahren als Handlung angesehen werden kann); OLG Hamm NJW 1975, 657 – Fliege (zur Frage automatisierter Verhaltensweisen als Handlung)