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1. Herleitung

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Aus der Perspektive des Unionsrechts, wie sie v.a. vom → Europäischen Gerichtshof (EuGH) vertreten und weiterentwickelt wurde, besteht ein unbedingter und uneingeschränkter Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Dies folgt aus dem Gebot der einheitlichen Wirkung: Um der auf der Grundlage der Gegenseitigkeit beruhenden Unionsrechtsordnung praktische Wirksamkeit zu verleihen und die Ziele der Verträge effektiv umzusetzen, bedarf es einer einheitlichen Wirkung in allen Mitgliedstaaten; diese kann sich nicht – wie im Völkerrecht – nach den verschiedenen innerstaatlichen Rechtsordnungen richten. Daraus folgt zwingend, dass die Mitgliedstaaten nicht von Unionsrecht abweichen dürfen – anderenfalls würde der Charakter des Unionsrechts und die Rechtsgrundlage der Union insgesamt in Frage gestellt. Die mit den Verträgen eingegangenen Verpflichtungen zur Beachtung und Umsetzung des Unionsrechts in Verfolgung der Zielvorgaben der Verträge sind unbedingt; ein Abweichen hiervon, soweit nicht explizit im Vertragstext vorgesehen, ist prinzipiell damit unvereinbar und unwirksam (EuGH, Urt. v. 15.7.1964, 6/64 – Costa/ENEL –, Rn. 8 ff.).

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Der Vorrang wird zudem aus den Bestimmungen abgeleitet, die die unmittelbare Geltung und Verbindlichkeit der Unionsrechtsakte (jetzt Art. 288 AEUV) anordnen, und ergänzend aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV, → Unionstreue).

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Die Verträge selbst enthalten demgegenüber keine Aussage zum Anwendungsvorrang; die von der Regierungskonferenz von Lissabon (→ Europäische Union: Geschichte) verabschiedete Erklärung (Nr. 17) zum Vorrang verdeutlicht die gemeinsame Überzeugung der Mitgliedstaaten, dass das Unionsrecht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH unter den dort genannten Bedingungen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten hat.

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Die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen erkennen den Anwendungsvorrang des Unionsrechts im Grundsatz an, oft freilich nur nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls – in Deutschland also nach Maßgabe des Zustimmungsgesetzes zu den Verträgen und der vom BVerfG als „Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen“ (BVerfGE 126, 286 [302] – Honeywell) bezeichneten Ermächtigung in Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG, die die Übertragung von Hoheitsrechten und – im Rahmen und nach Maßgabe der Verträge – deren unmittelbare Ausübung bzw. Anwendung erlaubt (dazu unten Rn. 67).

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