Читать книгу Nur ein Tropfen Leben - Christina M. Kerpen - Страница 14
Schmerzende Eifersucht
ОглавлениеIn Carols Gedanken herrscht wüstes Durcheinander. Was hat Luk‘ana gesagt? Dass sie noch viele Männer haben wird? ‚Ich bin doch keine Hure!’, denkt sie empört. ‚Wenn ich so leichtlebig wäre, hätte ich längst mal mit Stacy, Bill und einer ganzen Menge anderer Männer Liebe machen können. Aber wozu brauche ich denn andere Männer? An David kann kein einziger heranreichen, wirklich keiner.’
Sie denkt plötzlich weiter und ihr fallen die Worte ein, die sagten, dass sie angeblich schon wieder schwanger sein soll. Ihr tritt der kalte Schweiß auf die Stirn. Mit Hilfe der Finger versucht sie auszurechnen, wann dieser Knirps geboren werden wird, doch so sehr sie sich auch anstrengt, es will ihr nicht gelingen. Ihr fallen nur die Schmerzen bei der Geburt der Zwillinge wieder ein und die Angst davor, das wieder durchstehen zu müssen, schnürt ihr die Kehle zu.
Sie pellt sich aus ihrer Decke und schleicht leise aus der Hütte. Draußen ist alles stockfinster, nur hier und dort flackert noch ein kleines Feuerchen. Das Girl blickt in den klaren Sternenhimmel. Irgendwo rascheln ein paar Mäuse und ein Käuzchen singt sein Nachtlied.
Die junge Frau muss an die Nacht denken, in der sie das erste Mal richtig von David geküsst worden ist. Es war eine wundervolle, klare Mondnacht und sie waren zu ihrem Versteck geritten.
Vor Carols Füßen zirpen Grillen um die Wette, als gelte es, einen Lautstärkerekord zu brechen und sie holen das Girl in die Gegenwart zurück.
Langsam tappt die junge Frau um die Behausung der Frauen herum und entfernt sich einige Meter von den Hütten. Auf einem dicken, glatten Stein lässt sie sich nieder und sinniert weiter.
Plötzlich ertönt eine leise Stimme und lässt ihr Herz vor Schreck fast zum Stillstand kommen, doch es ist nur David, dessen Innerstes ebenfalls zu aufgewühlt ist, als dass er ruhig schlafen könnte.
Er setzt sich neben seine Frau und legt seinen Arm um sie. „Tja, Schätzchen, dann werden wir also Mitte nächsten Jahres wieder einen Baum pflanzen.“
Carol nickt schweigend und faltet ihre Hände über ihrem Bauch. Nach einer Weile hüstelt sie und flüstert: „Auf das die Lichtung voll werde und keine Lichtung mehr ist.“
„Mh, nur geht es mir eigentlich zu schnell. Wenn Du jedes Jahr ein Kind bekommst, hast Du es mit vierzig schon auf über zwanzig Kinder gebracht, dann kommen die Leute von nah und fern um Dich als Supermutter zu begaffen.“
„Ha, dann verlange ich aber Eintritt, darauf kannst Du Gift nehmen. Ich glaube aber nicht, dass das möglich ist. Ich habe noch nie gehört, dass eine einzige Frau so viele Kinder hat. – Warum darf ich eigentlich nicht mir Dir zusammen sein?“
Ernst blickt der heute noch indianischer wirkende Mann das geliebte Geschöpf an. „Weil es so Sitte ist. Eine Frau, die Ruhe braucht, weil sie stillt, weil sie ihre unreinen Tage hat oder auch weil sie schwanger ist, schläft im Frauenhaus. Sie kann sich auch dorthin zurückziehen, wenn sie nur einfach ihre Ruhe haben will, wenn Du verstehst, wie ich das meine. Das war schon immer so.“
Carol begehrt auf. „Eigentlich weiß ich doch gar nicht, dass ich schwanger bin und ich kann es mir fast nicht vorstellen. Wir haben doch so aufgepasst Also ganz ehrlich, ich brauche keine Ruhe und ich will auch gar keine. Ich will und brauche Dich endlich wieder. Was ist das schon, so ein bisschen schwanger?“ Ihre Umarmung ist heiß, leidenschaftlich und fordernd, auf eine Art fordernd, dass der Indian nicht anders kann, als nachzugeben.
Erst als der erste Hahn kräht, kehrt Carol frierend und müde zu ihrer Schlafstatt zurück.
Weiße Feder kommt ihr süffisant grinsend entgegen. „Dein Mädchenbaby hat Hunger, aber ich wollte Dich und den Schwarzen Bären nicht stören.“
Sie streckt Carol die kleine Poana entgegen und murmelt, mehr für sich selber: „Nach dem, was ich erkennen konnte, müsste er eigentlich starker Hengst heißen.“
Sie schaut Carol offen und ohne Scham an. „Ich habe schon mit vielen Männern unseres Stammes gelegen, aber so einen starken habe ich nie gesehen. Wie er in Dich gesteckt wurde, wirkte er richtig gefährlich. Du bist so zart und klein, ich dachte, er müsste Dich auseinander sprengen.“
Carol, die Poana an ihre Brust gelegt hat, wird rot. „Du hast uns beobachtet?“
Weiße Feder grinst. „Unabsichtlich, aber ich konnte nicht einfach so weggehen, es war zu faszinierend.“
Sehnsuchtsvoll schließt sie die Augen und ihre Zungenspitze erscheint im linken Mundwinkel. „Ich kann verstehen, dass Schwarzer Bär Dich liebt. Du bist einfach wunderschön, Carol. Du hast so eine zarte, weiße Haut, wie Milch. Und Du hast so runde, feste Brüste.“ Die Hand des Indianermädchens streichelt über Carols zweite Brustwarze, die darauf wartet, von einem hungrigen Baby gesaugt zu werden. „Ist Dir das unangenehm?“
Carol schluckt und nickt: „Ja, denn Carl hat schon ein Zähnchen und damit beißt er mich heftig. Es tut weh, wenn Du mich anfasst.“ Das ist glatt gelogen, doch die junge Weiße mag nicht von der fremden Frau angefasst werden.
Diese lächelt sanft, doch ihre Augen bleiben dabei kalt und ausdruckslos. Die Indianerin steht auf und holt Carlchen, der mittlerweile ebenfalls Hunger hat und leise vor sich hin greint.
Weiße Feder steckt ihm ihren kleinen Finger ins Mündchen und stutzt. „Er hat sogar schon zwei Zähnchen und damit beißt er ja wirklich gehörig zu.“
Sie hatte der jungen Mutter nicht geglaubt, dass das Baby schon Zähnchen hat, doch nun ist sie eines Besseren belehrt. Sie ergreift das Mädchenbaby, welches beim Saugen friedlich eingeschlummert ist und wiegt es nachdenklich hin und her. „Ich hätte auch gerne so ein hübsches Baby, aber Kleiner Fuchs hat es noch nicht geschafft, mir eins zu machen.“
Neugierig blickt Carol von ihrem zufrieden schmatzenden Jungen hoch. „Ist Kleiner Fuchs Dein Mann?“
Die Squaw lächelt ein bisschen gequält. „Ja, ich wurde ihm schon bei meiner Geburt als Squaw versprochen. Leider, denn er ist zwar so ganz nett, aber er hat noch in keiner Squaw einen Samen legen können. Dafür muss ich mir bestimmt einen anderen suchen.“ Träumerisch geht der Blick der dunkelhäutigen Frau in die Ferne, dann blitzen ihre Augen plötzlich, wie in einer Eingebung, auf. Geistesabwesend legt sie das Baby Poana zurück auf ihr Fell und verschwindet Grußlos.
Mit hochgezogenen Augenbrauen blickt Carol der Frau nach, schüttelt ein wenig konsterniert den Kopf und flüstert zu ihrem Söhnchen gewandt: „Die sind hier ja alle ganz reizend, aber Weiße Feder ist ein wenig plemplem.“
Carl sagt natürlich nichts darauf, er blickt seine Mama nur aus seinen dunklen Knopfaugen an und es dauert gar nicht mehr lange und er ist ebenfalls eingeschlafen.
Carol legt den kleinen Mann neben seine Zwillingsschwester und deckt beide zu. Auch Klein Jimmy, der sich frei gestrampelt hat, wird wieder zugedeckt, dann kehrt die Mutter zu ihrer Schlafstätte zurück. Trotzdem sie sehr müde ist, bekommt sie kein Auge zu und starrt nur nachdenklich in die Dämmerung.
Mit einem mal verspürt sie eine sachte Bewegung und sie erkennt Luk‘anas Gesicht, das auf sie herab schaut. Gütig lächelnd meint die Alte: „Du hältst Weiße Feder für nicht ganz richtig im Kopf, dabei ist sie nur eine enttäuschte, unbefriedigte Frau. Kleiner Fuchs ist nicht besonders stürmisch und leider wird er ihr nie den Wunsch nach einem Baby erfüllen können. Aber trotzdem wird Weiße Feder in einigen Monaten ein Baby haben. Ein hübsches Baby, denke ich.“
Carol schluckt. „Von einem anderen Mann?“
Luk‘ana nickt. „Ja, und es ist nichts dabei, denn es ist zur Erhaltung unseres Stammes notwendig, dass alle Frauen genügend Kinder zur Welt bringen.“
Nachdem Mrs. Widefield ihre Morgentoilette erledigt und ihre drei kleinen Kinder versorgt hat, macht sie sich auf die Suche nach David. Die Zwillinge bleiben in Luk‘anas Obhut und Klein James hat sein Händchen in Mamas Hand geschoben und tapst auf seinen kurzen Beinchen neben ihr her.
Schließlich erreichen die beiden einen kleinen Fluss, ohne David gefunden zu haben. Sie setzen sich auf einen Stein und beobachten das plätschernde Wasser.
Plötzlich vernehmen Carols scharfe Ohren ein leises Kichern und ein unterdrücktes Stöhnen. Sie nimmt Jimmy auf den Arm und geht ein Stück am Bach entlang bis zu einer Buschgruppe in der sich etwas bewegt.
Was das Mädchen sieht, lässt ihren Atem stocken und Tränen in ihre Augen steigen. Weiße Feder und David in einer eindeutigen Umarmung. Entsetzt presst sie die rechte Hand auf ihren Mund, um nicht los zu schreien. Sie möchte weglaufen, doch ihre Beine versagen ihr den Dienst.
Carol starrt und starrt auf das schockierende Bild, bis Jimmy leise quietscht und sie wieder auf den Boden der Realität zurückholt.
Leise entfernt sie sich von der Stelle und es fällt ihr wie Schuppen von den Augen. Weiße Feder wird die Mutter von Davids Kind werden! Deswegen ist sich Luk‘ana so sicher, dass es ein hübsches Kind sein wird.
Bei dieser Erkenntnis wird es dem Girl übel. Sie setzt ihren Zwerg auf den Boden und beginnt zu würgen. Das Bild von der Frau und ihrem Mann will einfach nicht aus ihrem Kopf weichen und plötzlich fließen Tränen aus den grünen Augen.
James klettert seiner Mami auf den Schoß, schlingt seine Ärmchen um ihren Hals und will wissen: „War Jimmy böse? Warum weint Mami?“
„Nein, mein kleiner Schatz.“ Carol drückt dem Kleinen einen Kuss auf die Stirn. „Du bist ganz doll lieb. Weißt Du, Mami ist nur ein kleines bisschen müde und hat ganz furchtbaren Hunger. Es ist gleich alles wieder gut Liebling.“
Sie setzt den Zwerg auf den Boden, nimmt sein Händchen und langsam kehren sie ins Reservat zurück.
Wieder ist es Luk‘ana, die ihnen als erste über den Weg läuft. Sie schaut die Frau ihres Neffen an, zieht die Augenbrauen hoch, nimmt Jimmys Hand und flüstert: „Du hast etwas gesehen, was Du besser nicht gesehen hättest. Ist es so schlimm?“
Das Girl zuckt mit den Schultern und holt tief Luft durch die Nase.
„Papa, Papa!“, Jimmy läuft juchzend los und Carol, die David nur aus dem Augenwinkel nahen sieht, dreht sich auf dem Absatz um, ruft: „Entschuldige bitte, Weise Tante!“, und rennt davon.
Verwirrt und mit einem sichtlich schlechten Gewissen schaut David, der zwischenzeitlich herangekommen ist, hinter ihr her. „Geht es ihr heute nicht gut?“
Luk‘ana spitzt die Lippen, schaut zu Boden und brummt: „War Weiße Feder sehr stürmisch?“
David erbleicht. „Hat Carol etwas gesehen?“
Luk‘ana nickt. „Du weißt, wie wir über den Zeugungsakt denken, aber Deine Frau denkt anders. Für sie hat das auch noch was mit Liebe zu tun.“
„Für mich auch, Weise Tante. Meine Eltern fanden das auch schon, deshalb haben sie sich ein wenig von Euch abgewandt. Und glaube nicht, dass ich außer Abscheu etwas für Weiße Feder empfinde, deswegen ging auch gar nichts, obwohl sie sich redlich bemüht hat.“
„Ihr habe Euch nicht vereinigt?“
„Weiße Feder wollte es gerne und sie hat sich auch alle Mühe gegeben, aber ich wollte nicht und deswegen war auch nichts!“
„Oh weh, wie willst Du das aber Deiner Frau so klar machen, dass sie es Dir glaubt? Ich fürchte, Du wirst sehr viel Mühe haben, ihr Vertrauen wieder zu gewinnen. Sie ist sehr gekränkt. Sie weiß nämlich, warum Weiße Feder unbedingt mit Dir liegen wollte.“
Verständnislos zieht David eine Augenbraue hoch. „Ach, dann weiß sie mehr, wie ich. Ich dachte, der Frau gehen einfach die Zügel durch.“
„Oh nein, Weiße Feder wünscht sich sehnlichst ein Baby, aber Kleiner Fuchs, der ihr Partner ist, kann keine Kinder zeugen, denn er hat keinen fruchtbaren Samen. Deswegen hat sich Weiße Feder bestimmt gedacht, wenn sie mit Dir zusammen ist, wird sie empfangen, denn Du machst Deiner Frau ein Kind nach dem anderen, also musst Du sehr fruchtbare Samen haben.“
„Oh verdammt, das konnte ich ja nicht wissen. Es wäre aber trotzdem nicht gegangen, ich empfinde nichts für Weiße Feder!“
David hebt Jimmy hoch, nimmt ihn auf den Arm und knurrt, wobei die berühmte Unmutsfalte auf seiner Stirn erscheint: „Na gut, dann wollen wir Mami mal suchen gehen.“
Mit energischen Schritten entfernt er sich und die Squaw, die sich sicher war, dass sie für Weiße Feders Zukunft ein Baby gesehen hat, schaut ihm nach.
Diesen harten Gesichtsausdruck hat er von seinem Großvater, der zeigte auch nie seine Gefühle, lediglich die steilen Falten auf seiner Stirn deuteten Gewitterstimmung an. David ist seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Wenn er nicht die helle Haut seines Vaters geerbt hätte, könnte er sich noch so sehr bemühen durch seine Kleidung wie ein Weißer zu wirken, es würde ihm niemals gelingen.