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Große Veränderungen

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Nachdem der erste Schock über den Tod des alten Nachbarn überwunden ist, stehen viele Veränderungen an. Zuerst muss einmal die Beisetzung erfolgen.

Die Totengräber leisten echte Schwerstarbeit, um das Grab auszuheben, denn immer wieder steht die Grube innerhalb kürzester Zeit unter Wasser.

Nachdem der Sarg dann endlich herabgelassen ist und das Loch zugeschippt wird, tritt die junge Mrs. Johnson zu Carol. „Darf ich Sie etwas fragen, Mrs. Widefield?“

„Selbstverständlich, nur zu!“ Carol tupft sich mit einem Taschentuch die Augen, denn immer wieder will eine Träne hervor kullern.

Mrs. Johnson räuspert sich. „Nun, ich äh, ich wollte Sie bitten, ob ich noch eine Weile auf der Ranch bleiben kann, bis ich etwas Neues gefunden habe. Ich könnte mich um das Haus kümmern, damit es nicht leer steht und verwahrlost.“

Das junge Mädchen zieht die Augenbrauen in die Höhe und betrachtet die verhärmt wirkende Frau, die sich mit unendlicher Geduld um ihren Schwiegervater gekümmert hat. Es ist nicht mehr viel von der hübschen, lebenslustigen, jungen Witwe vorhanden, auf die Carol vor ihrer Hochzeit so eifersüchtig gewesen ist. Das Zusammenleben mit dem oft verbitterten Alten hat seine unübersehbaren Spuren hinterlassen.

Sie zuckt mit den Achseln. „Von mir aus gerne. Wenn es nach mir geht, dürfen Sie sogar bis an Ihr Lebensende auf der Johnson-Ranch wohnen bleiben, aber leider bin ich da der verkehrte Ansprechpartner. Das müssten Sie schon mit Mr. Carpenter oder Mr. Widefield besprechen.

Ich weiß nicht, was für die Zukunft der Ranch geplant ist. Ich denke aber mal, dass Mr. Carpenter einen Verwalter einstellen wird, aber so genau bin ich nicht informiert. Ich glaube allerdings nicht, dass er das Anwesen verkaufen wird.“

Sie seufzt. „Möglicherweise hat sich aber auch noch keiner so richtige Gedanken gemacht, denn der Tod Ihres Schwiegervaters kam für uns alle völlig überraschend.“

Die verwitwete Frau nickt und ihr Blick fällt auf die beiden Totengräber, die noch immer nicht mit ihrer schwierigen Arbeit fertig sind. Der nasse Lehm klebt an den Schaufeln fest und wenn sich endlich ein Klumpen löst, fällt er mit einem lauten Klatschen in die Grube.

Mrs. Johnson geht zu einem anderen Grab und flüstert kaum vernehmlich: „Jetzt ist Schwiegervater endlich bei seinem geliebten Sohn.“

Sie dreht sich zu Carol um. „Ich habe zwar ein wenig Geld geerbt, aber ich weiß einfach nicht, was ich nun anfangen soll.

Es kam wirklich sehr plötzlich. Ich habe bisher jeden Gedanken dieser Art immer weit von mir geschoben, obwohl ich eigentlich schon lange damit habe rechnen müssen, dass er einfach so von mir geht.

Mein Schwiegervater schien immer so ein sturer alter Mann zu sein, aber tief in seinem Inneren hat er Freds Tod nie richtig verwunden. Seit der Beerdigung damals hat er nur noch auf seinen eigenen Tod hin gelebt.“

Carol holt tief Luft. „Es ging Ihrem Schwiegervater gesundheitlich schon lange nicht mehr so toll, das habe ich wohl mitbekommen. Aber man kann einen erwachsenen Menschen ja schlecht zum Doktor prügeln. Tja, aber was soll’s, alles nachkarten hilft nun auch nichts mehr und Ihr Problem lösen wir damit schon gar nicht.“

Flehentlich schaut Mrs. Johnson die wesentlich jüngere Frau an. „Könnten Sie nicht mit Ihrem Mann reden? Wenn ich ehrlich bin, ich habe ein wenig Respekt vor dem Indianer. Er wirkt immer so unnahbar.“

Carol schmunzelt: „Ach so, deswegen haben wir also drei Kinder, weil mein Mann immer so unnahbar ist.

Sie haben doch selbst einen Mund, da können Sie auch selbst mit einem der Herren reden. Und Mr. Carpenter ist längst nicht so unnahbar, wie mein Göttergatte.“

Als hätte sie laut gerufen, treten der Rancher und der Indian zu den beiden Frauen und Carol redet gar nicht lange um den heißen Brei herum, denn ihr tut die vereinsamte Frau von Herzen leid und sie will sie nicht unnötig quälen. „Mrs. Johnson weiß nicht, wo sie nun hingehen soll und fragt deswegen, ob sie noch eine Weile auf der Johnson-Ranch bleiben kann.“

Carpenter zieht die Augenbrauen hoch und der Indianer versucht ein Schmunzeln zu unterdrücken.

„Nun“, meint der alte Rancher bedächtig, „ich denke schon, aber Sie müssen sich eventuell auf ein paar Neuerungen einstellen, Ma’am.“

„Das ist mir klar, Sir. Ich bin schon dankbar, wenn ich mich in Ruhe nach etwas Neuem umsehen darf.“

„Einverstanden! Ich denke, wir fahren jetzt aber erst mal nach Willow-Tree, wärmen uns bei einer guten Tasse Kaffee ein wenig auf und besprechen die ganze Angelegenheit in etwas gemütlicherer Atmosphäre, als hier auf dem Kirchhof. Ich habe nämlich nasse Füße und ehrlich gesagt noch überhaupt keine Lust, mich nächste Woche neben den alten Johnson zu legen. Mr. Perkins kommt auch mit, der bringt Sie dann später wieder sicher nach Hause.“

Am Kaffeetisch lässt Carpenter die Katze endlich aus dem Sack. Er schaut erst Carol an, dann wandert sein Blick weiter zu seinem Vormann.

„Wie wir alle wissen, hat die Johnson-Ranch ihren Verwalter verloren. Nichts gegen Sie, Mr. Perkins, aber wir haben uns ja schon eingehend über das Thema unterhalten und sie haben mir zu verstehen gegeben, dass sie lieber Vormann bleiben möchten.“

Die Augen des Alten ruhen auf dem Johnson-Vormann. „Dennoch, wir sind uns auch darüber im Klaren, dass ein neuer Verantwortlicher her muss. Und da haben wir uns gedacht“, er legt seine Hand auf Davids Arm, „dass Mr. Blake mein zukünftiger Verwalter der Johnson-Ranch wird. – Natürlich nur, wenn Sie das möchten, John.“

Er schaut den erstaunt dreinblickenden jungen Mann an. „Ich denke doch aber, das kommt Ihren zukünftigen Platzbedürfnissen sicherlich entgegen, nicht wahr? Außerdem könnten Sie dann endlich ganz eigenverantwortlich arbeiten.“

Blacky ist immer noch sprachlos, dann stammelt er: „Danke, Sir, vielen Dank. Das ist sehr großzügig von Ihnen.“

Auch Carol strahlt, wirft aber dennoch einen verstohlenen Blick zu ihrer Schwägerin hinüber, die mit zusammengekniffenen Lippen dabei sitzt, als ginge sie das alles herzlich wenig an und würde sie zu Tode langweilen.

Carpenter wendet sich nun wieder direkt an Blacky. „Ich möchte Sie allerdings bitten, Blake, dass Sie Mrs. Johnson noch für eine Weile mit im Ranchhaus wohnen lassen, bis sie sich anderweitig orientiert hat. Immerhin bedeutet das alles einen gehörigen Einschnitt in ihr Leben.“

John kann natürlich gar nicht anders, als dieser Bitte zuzustimmen. „Selbstverständlich kann sie bei uns bleiben und zwar so lange, wie sie das möchte. Sie kann meiner Frau sicherlich viele nützliche Tipps für das Führen einer Ranch geben.“

Auf dem traurigen Gesicht der Frau erscheint ein dankbarer Hoffnungsschimmer und als sie langsam begreift, dass sie ihr Zuhause nicht direkt verlassen muss, lächelt sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ihr strahlendes Lächeln, mit welchem sie früher viele Männerherzen erobern konnte.

John lächelt zurück, dann wendet er sich Carpenter zu und bedankt sich nochmals überschwänglich für seine Beförderung. Er kann sein Glück noch immer nicht richtig fassen.

David pustet geräuschvoll die Luft aus den Lungen, dann kratzt er sich am Kopf und brummt: „Nur haben wir jetzt ein kleines Problem, uns fehlt nämlich fortan ein anständiger, guter Vormann. Weder Mitch noch Fess möchten diesen Job übernehmen. Ich habe beide schon gefragt, doch sie haben mir einen Korb gegeben.“

Er schaut nun Perkins direkt an. „Aus diesem Grunde wollte ich Sie fragen, Max, ob Sie nicht Lust hätten, Vormann auf der Willow-Tree-Ranch zu werden.“

Perkins klappt verdutzt den Mund auf und zu, dann nickt er und sagt schlicht: „Gerne, Sir. Es ist mir eine Ehre. Vielen Dank für Ihr Vertrauen.“

„Schon gut, Mann!“ Der Indian lächelt leicht und dreht sich zu seinem Schwager um. „Allerdings, so leid es mir tut, Schwager, jetzt musst du Dir einen neuen Vormann suchen.“

„Mit Vergnügen, Boss!“, strahlt dieser und drückt glücklich den Arm seiner Frau, die allerdings überhaupt keinen frohen Eindruck macht.

Carol freut sich für ihren Bruder, doch immer, wenn ihr Blick auf Ruth fällt, beschleicht sie ein ungutes Gefühl. Sie senkt die Augenlider und schielt zu der sehr blassen, nun aber doch sehr erleichtert wirkenden Mrs. Johnson hinüber.

Da ihre Eifersucht im Laufe der Jahre verflogen ist, muss sie sich ehrlich eingestehen, dass diese eine wesentlich bessere Partnerin für John abgegeben hätte, als das Zierpüppchen aus der Stadt. Ob sie sich ratsuchend an die Witwe Gwendale wenden soll? Sie seufzt leise. Besser nicht, denn im Zweifelsfall wird diese wohl eher auf der Seite ihrer Nichte stehen, denn Blut ist ja bekanntlich immer noch dicker als Wasser.

Nur ein Tropfen Leben

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