Читать книгу Nur ein Tropfen Leben - Christina M. Kerpen - Страница 7
Geständnis
ОглавлениеCarol verlässt mit dem Baby auf dem Arm, gefolgt von Ines, den Raum. David schaut ihr stirnrunzelnd nach. Er will sie die ganze Zeit schon etwas fragen, doch bis jetzt hatte er noch keinerlei Gelegenheit dazu.
Er entschuldigt sich ebenfalls bei den Gästen und grinst, denn Blacky hat schon mit dem Bericht über den dramatischen Banküberfall, bei dem er gar nicht dabei gewesen ist, begonnen und dem Gast steht der Mund vor Staunen weit offen, dann eilt der Indianer den beiden Frauen nach.
Carol ist sofort die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf geflitzt und hat ihren Sohn aus der verschmutzten Windel gepellt. Summend reinigt sie dem Zwerg gerade den Po, als der Indian leise hinter sie tritt. „Na, mein Schatz, alles in Ordnung?“
„Aber immer, Geliebter. Hast Du von unseren Gästen etwa schon die Nase voll oder kannst Du die Schilderung des Banküberfalls noch immer nicht ertragen?“
„Ach, es geht so. Weißt Du, Blacky macht das schon. Er hat gerade bei Adam und Eva angefangen.“
Carol grinst. „Das glaube ich gerne. Mein Bruderherz ist in seinem Element, herrlich.“
David nickt und schaut dem Girl über die Schulter. „Jetzt aber mal Scherz beiseite, Carol. Seit wir aus der Kirche gekommen sind, brennt mir eine Frage unter den Nägeln, die ich Dir allerdings vor so vielen Leuten nicht stellen wollte.“
Erstaunt zieht das Mädchen die Augenbrauen hoch, sagt aber nichts. Der Mann fasst ihr mit der Hand unter das Kinn und dreht ihr Gesicht zu sich herum.
„Was hat Dr. Steel gesagt? Übernimmst Du Dich? Die viele Arbeit mit dem Baby, Deine ganzen Planungen auf der Johnson-Ranch, keine Nacht kannst Du durchschlafen und dann komme ich schrecklicher Mensch auch noch dauernd und will Dich lieben.“
„Hm“, Carol schließt für einen kurzen Augenblick genießerisch die Augen. „Du wärst nur dann schrecklich, wenn Du mich nicht jede Nacht nehmen würdest, dafür bin ich nämlich nie zu müde.“
Sie wendet sich wieder dem Kind zu und er küsst ihren Nacken, während seine Finger ihre vollen, festen Brüste liebkosen.
„Aber damit Du beruhigt bist, Darling“, flüstert sie leise, „ich bin kerngesund, nur umständehalber bedingt etwas wetterfühlig.“
„Ja klar doch, das ständige Stillen schlaucht.“
„Ach, das ist es nicht wirklich.“
Sie lächelt still vor sich hin, dann dreht sie den Kopf und schaut ihrem Mann in die Augen. „James bekommt in ein paar Monaten ein Geschwisterchen.“
David klappt die Kinnlade herunter. „Wie bitte? Bist Du sicher?“
Das Girl nickt ernst. „Ziemlich sicher. Dr. Steel meint, es könnte kaum etwas anderes sein.“
Mit geschickten Bewegungen verpackt sie den strampelnden, kleinen Menschen wieder in alle nötigen Stofflagen, nimmt ihn auf und drückt ihn fest an sich. „Bald bekommt unser kleiner Liebling einen Spielkameraden.“
Sie wendet sich dem Indian zu, der bleich im Türrahmen lehnt. „Und was sagt der Papi dazu?“
Der schluckt, bläst die Backen auf und brummt dann heiser: „Ich weiß nicht so recht, soll ich mich freuen oder soll ich Angst um Dich haben? Du bist noch nicht mal neunzehn und schon zum dritten Mal schwanger. Ich liebe Dich viel zu sehr, als dass ich das gewollt hätte.“ Er atmet hörbar durch die Nase aus. „Und was machen wir jetzt?“
„Wie, was machen wir jetzt? Natürlich freuen wir uns auf den nächsten Murkel genauso wie auf Jimmy!“
„Na Du, ich weiß nicht! Ich habe Angst, dass das für Deinen Körper zu viel wird. Du stillst doch noch, alleine das schwächt schon genug, aber gleichzeitig auch noch eine Schwangerschaft, was zu viel ist, ist einfach zu viel!“
„Papperlapapp! Das schaffen wir schon. Schließlich entlastet Ines mich sehr und für ein Kind sind nun mal Spielkameraden unheimlich wichtig. Wo soll er die denn bitte sehr hernehmen, wenn wir ihm keine machen? Ebony Town ist ja nun mal nicht gerade um die Ecke.“
Carol grinst frech. „Mach nicht so ein Gesicht, Liebster. Die Welt stirbt nicht aus, sie bevölkert sich immer mehr und das ist das Herrlichste, was man sich denken kann. – Außerdem“, setzt sie in fast trotzigem Tonfall noch hinzu, „außerdem bin ich unheimlich gerne schwanger. Wenn das Kind geboren ist, ist der Bauch so tot und leer, ich freue mich unbändig darauf, dass ich wieder ein wachsendes Leben in mir spüren darf.“
Schweigend nimmt der große, kräftige Mann das zarte Wesen und seinen Sohn in seine beschützenden Arme, dann murmelt er leise: „Ich liebe Dich und deswegen habe ich Angst um Dich. Und außerdem, wir beide brauchen Dich wie nichts sonst auf der Welt.“
Carol hebt ihm Ihre Lippen entgegen und er küsst sie sanft, bis sie plötzlich laut „Aua!“ ausruft und zu lachen beginnt. „Der kleine Racker, er hat mir schon wieder an den Haaren gezogen. Ich glaube, ich muss sie mir abschneiden lassen.“
„Um Himmels willen, nein, bloß nicht!“, wehrt David erschrocken ab. „Lass Dir bloß Deine wundervollen Haare nicht abschneiden.“
Die junge Frau bedenkt ihren Mann mit einem koketten Augenaufschlag und flüstert: „Ich kann sie mir ja auch hoch stecken.“
Lächelnd kehrt das glückliche Ehepaar zu seinen Gästen zurück.
„Mein Gott“, knurrt John gespielt empört. „Wir dachten schon, Ihr hättet Euch verlaufen und wollten einen Suchtrupp losschicken. – Oder...“, er kneift die Augen zu Schlitzen zusammen, „oder habt Ihr etwa Dummheiten gemacht?“
„Brauchen wir nicht mehr“, erwidert David trocken. „Carol wollte Euch was erzählen.“
Die zieht erstaunt die Augenbrauen hoch. „Ach, wollte ich das? Wusste ich gar nicht. Aber wenn Du meinst, na gut, dann gebe ich hiermit mein süßes Geheimnis preis.“
Sie lächelt in die erstaunten Gesichter. „Ich werde wahrscheinlich in ein paar Monaten wieder Mutter und Klein James bekommt ein Geschwisterchen.“
Sie wendet sich an Ines und fragt in das verblüffte Schweigen auf diese Nachricht hinein: „Hast Du noch einen Kaffee für mich?“
Die Mexikanerin rührt sich erst mal gar nicht und erst als Carol noch einmal nachfragt, ob sie noch einen Kaffee haben könnte, kommt Bewegung in die Frau und mechanisch füllt sie Carols Tasse nach. Plötzlich dringt die Erkenntnis dessen, was die junge Herrin da gerade verkündet hat in ihr Hirn. Sie setzt klirrend die Kaffeekanne ab, lässt sich auf ihren Stuhl fallen und stammelt fassungslos: „Aber, aber wie ist das denn möglich?“
Das verblüffte Schweigen löst sich in einem befreienden Gelächter auf und Carpenter brummt: „Aber Ines, brauchst Du etwa Nachhilfe?“
„Ja, äh, ich meine nein, natürlich nicht, aber ich meine nur, das ist doch noch viel zu früh, das arme Kind hat sich doch von den beiden anderen Schwangerschaften noch nicht richtig erholt. Nein, das ist gar nicht gut!“
Resolut schlägt das Hausmädchen mit der flachen Hand auf den Tisch und macht ein unglückliches Gesicht. „Das ist nicht gesund für die junge Frau und außerdem muss der gnädige Herr dann schon wieder einen Baum pflanzen. Bald ist da oben keine Lichtung mehr, sondern nur noch ein riesiger Wald.“
Keiner der anderen Anwesenden kümmert sich um das Lamento der guten Seele, sondern alle stürzen auf das Ehepaar zu, um den beiden zu gratulieren.
Erst nachdem sich die Aufregung wieder einigermaßen gelegt hat und alle zu ihren Plätzen zurückgekehrt sind, murmelt Ines leise: „Ich fürchte, der gnädige Herr übernimmt sich mit der zu schnellen Anlage des Waldes!“
„Was hast Du denn nur, Ines? Ein Wald ist doch etwas Wunderbares. Ich liebe Wälder. Hinzu kommt, dass Holz ein natürlicher Rohstoff ist, der immer gebraucht wird. Ich habe sowieso in Erwägung gezogen, irgendwo ein paar schöne Wälder zu Willow-Tree hinzu zukaufen. Ich dachte dabei ein wenig an die Ranch von Wilbur.“
Sie schielt vorsichtig zu ihrem Boss hinüber.
„Oh nein“, stöhnt Carpenter, „hörst Du denn nie auf, ans Geschäft zu denken? Dir haben wir es zu verdanken, dass Willow-Tree sowieso schon die größte Ranch weit und breit ist, nachdem Du mich von den Vorzügen der Schafzucht überzeugen konntest und ich die Johnson-Ranch günstig erwerben konnte. Und kaum hat sich alles von diesem Schock erholt, denkst Du schon an die nächsten Landkäufe. Ich mache darauf aufmerksam, dass das auch ein wenig eine Frage der Finanzen ist.“ Er lächelt müde.
„Na ja, James, ich denke dabei eigentlich nur an die Rentabilität der Ranch. Wäre doch schade, wenn Willow-Tree langsam den Bach runter ginge. Außerdem verkauft Wilbur echt günstig.“
Carol will noch etwas sagen, denn sie hat das Geschäft längst unter Dach und Fach gebracht, da horcht sie auf, erhebt sich und tritt ans Fenster. „Erwarten wir noch mehr Besuch?“
Sie hat Pferdehufe und das Knirschen von Rädern auf dem Kies des Vorplatzes gehört. Sie lugt aus dem Fenster und erbleicht. „Oh nein, nicht doch, eine Anhäufung von Langweilern. Wer hat den die faden Millers und den nervigen Gerrit Fischer eingeladen? Ich glaube, mir ist es schlecht, ich brauche dringend frische Luft.“
David ist hinter seine Frau getreten und schaut ihr über die Schulter. „Aber Liebling, Haltung bewahren, auch wenn Du Kathy nicht magst und Dir bei Gerrits Anblick Schauer über den Rücken laufen. Der Gute weiß, dass er aus dem Rennen um Deine Gunst ist und ich denke mal, ohne Grund erscheinen die hier nicht als Komplett-Aufgebot.“
„Puh!“, Carol bläst ihr Pony hoch und schüttelt energisch den Kopf. „Ohne mich Leute, das tue ich mir nicht freiwillig an. Ich denke, ich zeige Mr. Mansfall die Ranch, natürlich nur, wenn Sie Lust dazu haben.“
Der junge Mann nickt erfreut und springt auf.
John zieht die Augenbrauen in die Höhe. „Du kannst es dem armen Gerrit einfach nicht verzeihen, dass er Dich bei Eurer Bergtour fast umgebracht hat. Ich kann das zwar irgendwie verstehen, aber deswegen musst Du doch nicht immer gleich sehen, dass Du Land gewinnst, wenn er auftaucht.“
„Quatsch, tue ich doch gar nicht. Ich war sogar in den letzten Wochen ziemlich häufig bei ihm in der Bank und das sogar freiwillig.“
„Ach, aus einem bestimmten Grund? Vielleicht will er doch noch was mit Dir besprechen?“
„Nö, bestimmt nicht. Ich habe mich nur von ihm beraten lassen und außerdem, wenn wir Geschäftliches zu besprechen haben, hat Kathy nichts dabei verloren und darf gerne draußen bleiben.
Ich bin durch die Tür. Lasst Euch von Kathys dummem Gerede nicht zu sehr einlullen, seht lieber zu, dass ihr die Typen so schnell wie möglich wieder loswerdet. – Ach, und noch etwas! Klein James braucht in den nächsten zwei Stunden nichts zu essen, er hat ununterbrochen Kuchen gefuttert.“
Strafend blickt die junge Mama auf die Herren Harrods und Carpenter. „Ihr habt ihm ohne Unterlass was ins Mäulchen geschoben. Wenn ihm heute Nacht übel werden sollte und er deswegen brüllt, dürft Ihr Euch um ihn kümmern! Er ist nämlich für feste Nahrung noch viel zu klein.“
Sie ergreift den Arm des Überraschungsgastes. „Kommen Sie, Mr. Mansfall, verschwinden wir lieber, bevor uns das Schicksal in seiner langweiligsten Form ereilt.“
Sie zieht den Mann hinter sich her in Richtung Küche. „Wir fliehen durch die Hintertür!“
David schaut seiner Frau schmunzelnd nach, bis Johns Stimme ihn aus seinen Gedanken reißt: „Hoffentlich machen die keine Dummheiten. Der Typ scheint wirklich steinreich zu sein, aber das schlimmste ist, er ist total verknallt in Carol.“
Die Stirn des Indian umwölkt sich. ‚Und außerdem ist er viel jünger als ich und schlecht aussehen tut er auch nicht gerade,’ denkt er, doch er schiebt diesen bösen Gedanken sofort beiseite, denn er zweifelt nicht an Carols unbedingter Treue, insbesondere nach ihrem eben gemachten, freudigen Geständnis.