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Überraschungen des Lebens

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Langsam verschwindet der Winter aus Wyoming und zieht sich in die höheren Lagen der Rocky Mountains zurück und schon Ende März ist nichts mehr von dem Blizzard und den Wassermassen hinterher zu spüren. Lediglich der kleine Bach, der bisher nordwärts aus dem Wäldchen abgeflossen ist, hat sich einen neuen Lauf gesucht und fließt nun wesentlich dichter am Haus vorbei, macht dann einen scharfen Knick, um endlich wieder in sein ursprüngliches Bett zurückzukehren. Außerdem erinnert der noch immer feuchte und daher ein wenig muffige Keller der Ranch die Bewohner an die Fluten, doch Ines sorgt durch ständige Durchlüftung dafür, dass die Nässe täglich weniger wird.

Carol hat die feuchte Zeit genutzt und sich unter Ines Anleitung zu einer guten Köchin und sogar recht passablen Hausfrau gemausert. Die Kinder entwickeln sich prachtvoll und obwohl die Zwillinge erst knapp vierzehn Monate alt sind, können sie bereits hervorragend laufen und stellen die Ranch auf den Kopf. Auf ihren kurzen, dicken Beinchen folgen sie dem nur ein Jahr älteren Jimmy auf Schritt und Tritt, so dass die drei überall nur das Kleeblatt genannt werden.

Mit einiger Erleichterung beobachtet David seine Frau, wenn sie sich temperamentvoll auf Silkys Rücken schwingt und in wildestem Galopp über die Weiden reitet. Es tut ihr offensichtlich sehr gut, dass sich ihr Körper von den drei kurz hintereinander erfolgten Schwangerschaften ein wenig erholen kann.

Anfang Juni ist es schon drückend heiß und Carol hat zum ersten Mal in ihrem Leben eine gewisse Schwierigkeit, sich auf die Hitze einzustellen. Sie würde das zwar niemals zugeben, aber als sie eines Tages beim Kontrollieren der Salzsteine auf der Kälberweide ohnmächtig wird, kann sie es nicht länger verheimlichen.

Besorgt will der Indian wissen, was los ist, da gesteht sie, dass sie sich durch die Kochstunden bei Ines wohl einige unliebsame Pölsterchen angefuttert hat und dass sie nun versucht, durch rigorose Einschränkung der Nahrungsaufnahme, diese wieder loszuwerden.

David ist äußerst ungehalten, als er diesen Unsinn hört und er schimpft mächtig mit seinem Girl, dann knurrt er: „Du musst nicht dünn sein, wie ein Junge, mich erregen kleine Pölsterchen wahnsinnig!“

Carol lächelt matt, knöpft die Hose auf, hebt das Hemd an und schiebt mit der rechten Hand einen Wulst Haut und Gewebe über ihrem Hüftknochen zusammen, dann flüstert sie unglücklich: „Wenn die Fettröllchen wegen eines Babys da sind, liebe ich sie auch, aber angefressen finde ich sie scheußlich!“

Der Indianer starrt auf die zarte, weiße Haut und reißt das Mädchen in seine Arme. „Du hättest die Knöpfe besser zugelassen. Ich habe schon den ganzen Vormittag so einen wahnsinnigen Drang, Dich zu lieben. Bis heute Abend halte ich es nicht mehr aus!“

Der Mann schaut sich um. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. „Zieh dich aus, Carol, ich will es jetzt mit Dir tun!“

Die junge Frau schaut ihren Mann ungläubig an, dann denkt sie einen flüchtigen Moment an die Indianerin, mit der David auch beinahe unter freiem Himmel gelegen hätte und urplötzlich überschwemmt auch sie eine heiße Woge des Verlangens.

Als sie sich auf dem Heimritt zur Ranch befinden, sagt der Mann mit heiserer Stimme: „Wenn die Weise Tante mit ihrer Voraussage einer Schwangerschaft recht gehabt hätte, wärst Du jetzt schon wieder rund, wie eine kleine Kanonenkugel und wir hätten uns keinen so aufregenden Tag machen können.“

„Du Lustmolch!“, kichert die junge Frau vergnügt. „Meine Jeans ist quatschnass und scheuert wie bekloppt. Ich glaube, Karnickel sind nichts gegen uns beide.“

Der Indian lacht leise. „Wenn Du heute nicht schwanger geworden bist, wirst Du es in diesem Leben nie wieder, Liebste. So erregt wie heute war ich kaum bei unserem ersten Mal.“

„Und da hat es sofort geklappt. Ach, David“, die kleine Frau seufzt, „es wäre toll, wenn Du mich gerade wieder geschwängert hättest. Die Zwillinge sind schon so selbstständig, ich hätte gerne wieder ein hilfloses, kleines Würmchen zu versorgen.“

Die Hitze wird von Tag zu Tag drückender und Carol wird zu ihrem Leidwesen immer runder, obwohl sie sich auch in den nächsten Wochen bei allen Mahlzeiten sehr zurückhält.

Sie nimmt trotz allem noch einige Pfündchen zu und fürchtet fast, darüber zu verzweifeln.

An einem schweißtreibend heißen Julimorgen ist sie so aufgequollen, dass sie nur unter größter Anstrengung die Knöpfe ihrer Jeans geschlossen bekommt und danach fast erstickt.

In der Küche klagt das junge Mädchen der Haushälterin ihr Leid und diese schaut sie prüfend an. „Sie sind doch wohl nicht schon wieder schwanger, Mrs. Carol?“

„Bisher gab und gibt es keinerlei Anzeichen, Ines. Ich glaube eher, mir ist das viele Kosten und Probieren beim Kochen lernen nicht bekommen. Vielleicht bewege ich mich aber auch einfach nicht mehr genug.“

Sie seufzt. „Na ja, jetzt gehe ich erst mal in den Garten, es muss nämlich unbedingt gejätet werden. Und nächste Woche muss Perkins mich dann mit zum Kälberbrennen einteilen. Ich muss einfach wieder in meinen alten Rhythmus fallen, dann bekomme ich vielleicht auch wieder etwas Figur. Dieser Schwabbelspeck ist abstoßend!“

Ines schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. „Jesus, Kindchen, Sie sind eine verheiratete Frau, da geht man nicht mehr mit den Jungs auf die Weide zum Kälberbrennen. Außerdem wird der gnädige Herr da bestimmt etwas gegen haben, der schmeißt den armen Perkins glatt raus!“

„Warum sollte ich Perkins raus schmeißen?“, fragt Davids tiefe Stimme von der Tür her. Er hat nur den letzten Satz mitbekommen und tritt nun neugierig näher.

Carol lächelt gewinnend. „Weil er mich mit zum Kälberbrennen und Zäune flicken einteilen soll. Ich brauche unbedingt ein bisschen was Abwechslung und vor allem Bewegung. Ich roste total ein und setze von Tag zu Tag mehr Fett an, wie eine alte Matrone.“

„Du weißt, dass ich es nicht mehr so gerne sehe, aber andererseits habe ich Dich, bevor Du meine Frau geworden bist, selber ohne Skrupel und Gewissensbisse diese Arbeiten machen lassen. Nur warst Du damals dafür auch eingestellt und wurdest bezahlt. Heute brauchst Du es nicht mehr zu tun! - Aber nun sag mir um Gottes willen, warum Du wirklich so scharf darauf bist, unbedingt wieder Cowboyarbeit machen zu wollen? Die paar Gramm, die du heute mehr wiegst, wie vor unserer Hochzeit, können es doch wirklich nicht alleine sein.“

„Doch, mein Lieber! Genau die sind aber der Grund. Ich werde immer fetter und fetter. Guck mich doch nur an, wie ich aussehe. Wie ein Mastschwein. Ich habe ja fast mein Schlachtgewicht schon überschritten.“

Der Indianer griemelt. „Du hast recht, Deine Hose ist ein klein wenig zu eng. Du erinnerst in der Tat darin so ein kleines bisschen an eine Presswurst. - Aber Carol, ich bitte Dich, Du bist kein kleines Mädchen mehr, Du bist eine junge Frau mit einer ganz bezaubernden Figur. Du brauchst Dir lediglich eine etwas größere Jeans zu kaufen, dann ist alles wieder im Lot, mein Herzblatt.“

„Das tröstet die Presswurst aber enorm! Ich will keine größere Hose, ich will in diese hier wieder rein passen!“ Mit energischen Schritten stapft die junge Frau aus der Küche.

Ein wenig indigniert schaut der Indianer ihr nach, dann brummt er: „Andere Frauen sorgen sich ab dem Tag der Hochzeit nicht mehr groß um ihr Aussehen, nur Carol ist wie versessen darauf, rank und schlank zu sein. Ein Wunder, dass sie es sich getraut hat, schwanger zu werden.“

Ines lächelt klug. „Das macht die gnädige Frau nur für Sie, Sir. Sie weiß zwar, dass Sie kleine Pölsterchen durchaus zu schätzen wissen, dass Ihnen dicke Frauen aber nicht unbedingt zusagen.“

Im Verlauf des Vormittags beobachtet die Mexikanerin ihre junge Herrin, wie sie verbissen das Unkraut in dem mittlerweile riesig gewordenen Küchengarten bekämpft, an den Tomatenpflanzen herum zupft und ihre geliebten Kürbisse hätschelt.

Die Perle wendet sich schließlich ab und knetet den Brotteig weiter, den sie morgens schon in aller Frühe angesetzt hat.

Ein Stöhnen von der Tür her lässt sie plötzlich erschrocken herumfahren.

Dort steht die junge Frau, vor Schmerzen zusammengekrümmt, wie ein welkes, trockenes Blatt. „Ines, ich sterbe. Ich habe so wahnsinnige Schmerzen. Mein ganzer Bauch zerreißt. Es ist schlimmer, als bei der Geburt der Zwillinge!“

Bewusstlos sinkt das rothaarige Girl in sich zusammen.

Voller Entsetzen schreit Ines um Hilfe, doch der einzige, der sie hören kann, ist James Carpenter, der allerdings wendig, wie ein fünfundzwanzigjähriger Jüngling, angesprintet kommt.

Mit einem einzige Blick erfasst er die Dramatik der Lage und hebt die junge Frau auf. Behände trägt er sie in den Wohnraum und bettet sie auf das dortige Sofa.

Ines, die ihm gefolgt ist, öffnet mit ihren mehligen Händen die Jeansknöpfe und brummt: „Diese Hose ist wirklich reichlich eng, wie hat sie die bloß zu gekriegt?“, dann erstarrt sie, als sie bemerkt, dass sich eine große Wasserlache auf dem Leder des Sofas ausbreitet.

„Oh mein Gott“, ruft die Frau aufgeregt. „Ich weiß zwar nicht, wie das gehen soll, aber es sieht ganz so aus, als bekäme Mrs. Widefield ein Baby!“

Carpenter sieht Ines streng an. „Jetzt spinnst Du aber ein wenig reichlich, Ines! Carol war nicht schwanger, also woher soll denn da so plötzlich ein Baby kommen?“

„Ich weiß es auch nicht, Sir. Drehen Sie sich doch bitte mal für einen Moment um!“

Flink untersucht die mittlerweile mit Geburten bestens vertraute Frau die noch immer Bewusstlose.

Verblüfft stammelt die Haushälterin schließlich: „Ich kann es selbst nicht glauben, Sir, aber ich habe ein Köpfchen gefühlt.“

Carpenter wird kreidebleich, er schluckt und seine Stimme versagt ihm fast ihren Dienst. „Und was machen wir jetzt?“

„Carol muss erst mal ganz schnell zu sich kommen, damit sie das Baby heraus pressen kann, sonst erstickt es womöglich noch. Ja und dann, - ich weiß es auch nicht!“

So ratlos hat Carpenter seine Hausangestellte noch nie gesehen, aber er weiß, dass ein scharfer Brandy schnell die Lebensgeister wieder zu wecken versteht.

Rasch holt er die Flasche und flößt der jungen Frau einige Schlucke ein. Er nimmt sich nicht einmal die Zeit, ein Glas zu füllen und während er das Mädchen beobachtet, genehmigt er sich auch fix einen großen Schluck.

Hustend kommt die Kleine zu sich und stöhnt erstickt: „Das ist ein Gefühl wie Kinderkriegen!“

Ines, mittlerweile, ebenfalls nach einem kräftigen Schluck Brandy, wieder ganz die Ruhe selbst, drückt die junge Frau auf das Sofa zurück, als diese versucht, sich aufzusetzen. „Nur nicht aufregen, Kindchen. Es ist nichts weiter, sie bekommen nur tatsächlich ein Baby.“

Carol, die vor Schmerzen gar nichts mehr versteht, lässt sich Gott ergeben entkleiden und von dem alten Rancher, der den schmalen, bloßen Körper anstarrt wie ein Weltwunder, mit einer Decke zudecken.

Am späten Nachmittag kehren die Cowboys heim und Perkins macht einen raschen Inspektionsgang.

Schimpfend erscheint er wenig später am Corral. „Wer in drei Gottes Namen hat im Garten gearbeitet? Alles Werkzeug liegt noch rum, nichts ist aufgeräumt, das ausgerissene Unkraut ist nicht auf dem Kompost, eine Schlamperei ist das!“

David zieht die Augenbrauen hoch. Das versteht er nicht. Carol wollte Unkraut jäten, aber das Handwerkszeug nicht wegzuräumen, das sieht ihr so gar nicht ähnlich.

Trocken knurrt er: „Soviel ich weiß, wollte meine Frau sich heute um den Garten kümmern. Wahrscheinlich hat sie etwas anderes angefangen und den Garten dann darüber vergessen.“

„Ihre Frau, Sir?“ In Perkins Augen erscheint Ungläubigkeit, dann wird er hektisch. „Da stimmt was nicht, Sir. So was vergisst sie nicht. Es muss etwas passiert sein. Hoffentlich ist nichts mit den Kindern.“

Den Indian durchzuckt ein eisiger Schreck. Ihm fällt ein, wie Carol vor einigen Wochen bewusstlos zusammengebrochen ist.

Gefolgt von seinem Vormann stürmt er ins Haus, wie von Furien gehetzt.

Das etwas gar nicht stimmen kann, das bemerkt er bereits, als er die Haustüre öffnet. Es sieht zwar auf den ersten Blick alles aus wie immer und doch ist irgendetwas ganz anders.

Er rennt in die Küche, wo es nach frisch gebackenem Brot duftet und Ines mit den Kindern spielt. „Ist etwas passiert?“

Sein Blick fällt auf seinen Nachwuchs, dem es augenscheinlich sehr gut geht. „Ist was mit Carol oder Mr. Carpenter?“

Müde schaut Ines ihn an. „Das sollten Sie sich selber ansehen, Sir. Die beiden sind im Blauen Zimmer.“

Der Indian hört nur Blaues Zimmer, da ist er schon auf der Treppe. Perkins folgt ihm ein wenig langsamer und staunt, wie viel Energie noch in dem Verwalter steckt, der gut und gerne zehn Jahre älter ist, wie er selber.

Atemlos stößt der dunkelhaarige Mann die Tür zum Blauen Zimmer auf und bleibt wie erstarrt im Türrahmen stehen, so dass der Vormann ihn fast umläuft.

Das Bild welches sich den beiden Männern bietet, ist richtig idyllisch. Carol liegt mit geschlossenen Augen, aber einem seligen Lächeln auf ihrem bleichen Gesicht im Bett und der Rancher sitzt im Schaukelstuhl, ein kleines Bündelchen im Arm und schaut ihnen erwartungsvoll entgegen.

Völlig verdattert stammelt David leise: „Was, was ist denn hier los?“

Carpenter strahlt, erhebt sich ächzend und streckt dem Mann das Bündel entgegen. „Ich gratuliere, mein Junge. Du hast einen prachtvollen Sohn bekommen. Das nächste Kind sollte dann aber wieder ein Töchterchen sein, um den Proporz zu wahren.“

Carol, die ihre Augen nun geöffnet hat, strahlt ihren Mann noch immer erschöpft, aber glücklich an. „Na, was sagst Du zu der Überraschung des Tages? Es ist wie ein Wunder, ich habe von der Schwangerschaft nicht das Geringste gemerkt, außer dass ich mich über meine Pfunde aufgeregt habe.“

Fassungslos starrt der Indian in das schrunzlige, rote Gesichtchen, dann kommt langsam bei ihm die Erkenntnis, dass aus dem Kleeblatt nun ein Glückskleeblatt geworden ist. Ein Leuchten geht über sein Antlitz. Er drückt dem schlafenden Baby einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn und reicht es an Carpenter zurück, dann geht er zu Carol, nimmt sie in die Arme und flüstert: „Du bist eine richtige kleine Supermami. Dann wird es wohl nichts mit dem Kälberbrennen in den nächsten Tagen, was?“

„Nö“, Carol schmunzelt. „Ich hoffe, ich bin in ein paar Wochen auch ohne zusätzliche Anstrengung wieder so schlank wie bei unserem Kennenlernen.“

Perkins schluckt. Er gratuliert seiner Chefin und dem Boss, dann betrachtet er mit einem zärtlich wehmütigen Blick in den Augen das neugeborene Leben. „Das muss ein tolles Gefühl sein, wenn man so etwas zustande bringt“, flüstert er Carpenter zu.

Der nickt und flüstert zurück: „Vor allem wenn man es in jedem Jahr auf ein Neues schafft.“

„Bei so einer Frau“, seufzt der Cowboy, „bei so einer Frau ist das auch kein Wunder, da würde ich es auch alle neun Monate schaffen.“

Carpenter zieht die rechte Augenbraue in die Höhe und knurrt: „An so was dürfen Sie nicht mal denken. Widefield killt Sie, Mann!“

Perkins nickt, dann brummt er: „Was man durchaus verstehen kann. Nun ja, ich werde dann mal wieder an meine Arbeit gehen.“

„Tun sie das!“, knurrt der Rancher, dann fällt ihm noch etwas ein. „Vielleicht schicken sie jemanden zur Johnson-Ranch. Ich denke, Blake sollte erfahren, dass er mal wieder Onkel geworden ist.“

„Der wird garantiert denken, er soll auf den Arm genommen werden. Er wird kein einziges Wort glauben, denn er hat letztens noch gesagt, wie erstaunlich er es findet, dass Mrs. Carol trotz der drei Schwangerschaften noch immer so schlank ist.“

Der Mann trollt sich, nachdem er noch einen kurzen Blick auf das verliebte Ehepaar geworfen hat, welches über das unerwartete Glück sichtlich hocherfreut ist.

„Jetzt ist aber für eine Weile Schluss mit lustig, meine Geliebte“, murmelt der Indian leise. „Jetzt machen wir aber mit dem Kinderkriegen doch erst mal ein Päuschen. Ich habe Angst, dass Du irgendwann mal eine Schwangerschaft nicht überlebst. Wenn ich daran denke, dass Dein Körper nicht mal die Kraft hatte, dick zu werden, bekomme ich eine Gänsehaut. Wir alle brauchen dich, Carol. Tu Dir selbst den Gefallen und lass uns mit dem nächsten Kind ein paar Jahre warten.“

Die junge Frau leckt sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen und haucht: „Wie sollen wir das anstellen, fruchtbar, wie wir beide nun mal sind.“

Der Mann haucht dem zarten Wesen einen Kuss auf die Stirn. „Wir üben mal für eine Weile Enthaltsamkeit.“

Entsetzte grüne Augen starren aus dem bleichen Gesicht. „Das ist nicht Dein Ernst!“, und dann erleichtert: „Das kannst Du genau so wenig, wie ich!“

„Abwarten, Liebling. Fünf Kinder in vier Jahren, das ist Wahnsinn. Für Dich werde ich es können. Ich habe mich schon einmal in großer Zurückhaltung geübt, sonst hätte ich dich schon mehr als ein Jahr früher zur Frau gemacht.“

„Ach wirklich? Dann wärst du aber als Kinderschänder in die Geschichte von Ebony Town eingegangen.“

„Das bin ich doch sowieso, aber das braucht uns nicht zu stören, wir lieben uns und das ist das Einzige, was zählt. Und eben weil ich Dich liebe, werde ich Dich in der nächsten Zeit ein wenig in Ruhe lassen.“

„Nur gut, dass ich auch noch meine kleinen Tricks habe!“, gähnt die junge Frau. „Aber sei mir jetzt bitte nicht böse, ich bin todmüde und würde gerne noch eine Weile schlafen. - Irre, wenn mir heute Morgen jemand gesagt hätte, dass wir heute Abend eine sechsköpfige Familie sind, ich hätte ihn laut ausgelacht.“

„Na Du, und ich erst. Wenn ich an gestern Abend und heute früh denke, wird es mir ganz komisch. Ich habe dich so heftig geliebt, alleine heute Morgen zwei Mal. ich frage mich, ob das Kind davon etwas mitbekommen hat.“

„Keine Ahnung, Liebster, aber wenn doch, wird der Kleine einmal genau so unersättlich, wie sein Vater, denn dann hat er bemerkt, wie schön das ist.“

Der Indian befeuchtet nachdenklich seine Lippen mit der Zungenspitze und brummt: „Und ich habe in all den Monaten keine große Veränderung an Deinem Körper beobachtet, das ist mir wirklich unheimlich.“

Er räuspert sich, dann runzelt er die Stirn. „Wie soll denn unser Junge eigentlich heißen. Hast du Dir da schon etwas überlegt?“

Carol schließt die Augen und flüstert kaum hörbar: „Joseph, Joseph Widefield, so wie sein Großvater, der sicherlich stolz auf alle seine Enkel wäre.“

David holt tief Luft und bemerkt dann heiser: „Da hast Du recht. Mein Vater wäre sicher sehr stolz auf seine Enkelkinder und auf seine tapfere kleine Schwiegertochter, die mit so viel Energie für ein Weiterleben der Widefields sorgt.“

Carol lächelt, schon halb im Schlaf: „Und dennoch verstehe ich nicht, wo der Zwerg hergekommen ist, ich ...“, dann übermannt sie die Erschöpfung mitten im Satz und sie fällt in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Die beiden Männer legen das Baby in die zwischenzeitlich von Ines vorbereitete Wiege und verlassen das Zimmer der Schlafenden auf Zehenspitzen.

Auf dem Flur schlägt Carpenter seinem Verwalter auf die Schulter. „Du bist der reichste Mann der Welt, mein Lieber. So einen gebärfreudigen Schoß findet man nur selten und dann noch diese Kraft, die in der Kleinen steckt, es ist unglaublich. Ich beneide Dich. Andererseits bin ich dankbar, dass ich an so viel Glück teilhaben darf.“

Er schmunzelt: „Aber Glück macht auch irgendwie hungrig. Ich habe vor lauter Attraktion seit dem Frühstück nichts mehr zu essen bekommen. Ines hat vor Aufregung glatt die Mittagsmahlzeit vergessen.“

Irgendwann zwischen den Essenszeiten konnte sich Ines dann doch nur zu einem kleinen Imbiss überreden lassen, dafür hat sie aber ein wundervolles Abendessen zubereitet.

Die beiden Männer haben gerade ihre Mahlzeit beendet, da fliegt die Haustür laut krachend auf und John stürmt völlig erhitzt herein. „Wenn das hier ’ne Verarsche ist, mache ich jeden an dem Komplott Beteiligten fertig!“

„Ruhig, Junge, ruhig!“, versucht David den Freund wieder auf den Boden zu ziehen. „Setz dich erst mal und trink mit uns eine Tasse Kaffee und anschließend sagst Du uns, welches Kompott Du haben möchtest.“

„Komplott, nicht Kompott! Verscheißern kann ich mich alleine!“ John jappst. „So schnell bin ich die Strecke von Ebony Town hierher noch nie geritten. Nur gut, dass ich mich noch nicht auf den Heimweg gemacht hatte, wie Perkins mich angesprochen hat. Mein armes Mädchen ist mehr tot, als lebendig, meint Ihr, ich hätte jetzt die Ruhe zum Kaffee trinken?“

Der Indian schmunzelt. „Sag bloß, ist irgendwas passiert?“

Ines stellt verschmitzt griemelnd eine Tasse Kaffee vor den blonden Jungen und schlüpft wieder zur Tür hinaus, um das Gästezimmer für ihn zu richten, denn es ist schon viel zu spät, um noch zur Johnson-Ranch zurückzureiten.

Fassungslos starrt Blacky in das ausdruckslose Gesicht seines Schwagers, dann knurrt er: „Wenn ich Perkins in die Finger kriege, der kann aber was erleben!“

„Ach, das meinst Du. Hat Perkins Dir ausgerichtet, dass wir Dir Joseph vorstellen wollen?“

John klappt die Kinnlade herab, dann fragt er tonlos: „War doch kein Witz mit dem Baby?“

Nun kann der Indian sein Glück nicht mehr länger verbergen und strahlend verkündet er: „Wir können es zwar selbst noch nicht richtig glauben, aber oben in der Wiege neben Carols Bett liegt ein Neugeborenes.

Keine Ahnung, wo sie den Zwerg versteckt hatte, aber Deine Schwester hat heute entbunden. Ganz normal und ohne Komplikationen. Wenn Du möchtest, können wir gleich hochgehen und Du kannst Dir Deinen neuen Neffen ansehen.“

Natürlich will Blacky seine Schwester und ihr Baby sofort besuchen und kurze Zeit später stehen die Männer vor der jungen Mutter, die das Baby an die Brust gelegt hat und mit noch immer etwas ungläubigen Augen das kleine Wunder betrachtet.

David lässt die Geschwister allein, denn er weiß, das sind die Momente, in denen sie sich gemeinsam die Eltern ins Gedächtnis rufen und Zwiesprache mit ihnen halten.

Nur ein Tropfen Leben

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