Читать книгу Nur ein Tropfen Leben - Christina M. Kerpen - Страница 18
Ein klärendes Gespräch
ОглавлениеAm nächsten Morgen, unmittelbar nach der Zeremonie für die Verstorbenen, reist die kleine Familie Widefield wieder in Richtung Wyoming ab.
Carol ist die ganzen Tage über ziemlich schweigsam und am letzten Tag endlich, die heimatlichen Berge sind schon wieder in Sichtweite, stellt David die junge Frau zur Rede. „Sag mal, Liebling, bist Du eigentlich noch immer sauer, wegen neulich?“
Carol starrt angestrengt in die Ferne. „Ich weiß nicht, ob Du das so nennen kannst, David. Ich bin nicht direkt sauer, ich bin, ich bin ...“, das Girl druckst herum, dann schaut sie ihm zum ersten Mal seit vielen Tagen direkt in die Augen, „ich bin verwirrt. Ich weiß nicht, wie ich das einschätzen soll. Ich bin die Mutter Deiner Kinder, ich werde Dir in einigen Monaten noch ein Kind schenken und obwohl du alles das weißt, muss ich Dich in einer sehr eindeutigen Situation mit einer anderen Frau entdecken. Klar, dass mich das irgendwie verletzt. Es, es tut einfach weh.“
David nimmt die Zügel in die linke Hand und legt seinen rechten Arm um die schmalen Schultern seiner Frau. „Aber Liebling, es ist doch weiter wirklich nichts passiert. Weiße Feder hat sich sehr um mich bemüht, aber bei mir ging gar nichts. Ich konnte ihr nicht geben, was sie von mir wollte.“
„Sie wollte ein Kind von Dir!“, tonlos haucht Carol diese Worte. „Sie wollte ein Kind. Hast du ihr eines geschenkt? Ja oder Nein?“
„Mit Sicherheit nicht, Geliebte. Ich versichere Dir, es ist nichts, aber auch gar nichts geschehen.“
„Ich würde Dir ja so gerne glauben, David Widefield, aber es ist so schwer. Wenn ich Euch nicht überrascht hätte und nichts wüsste, wäre es mir wahrscheinlich gleichgültig, aber ich habe immerzu das Bild vor Augen, wie ihr ...“, der Satz erstirbt und das Mädchen verbirgt sein Gesicht in den Händen.
„Es war nichts, ganz ehrlich.“
„Hat Weiße Feder auch behauptet, aber ich weiß nicht, was ich glauben kann.“
Eine Weile herrscht Schweigen, während die geliebten Berge langsam näher rücken.
Als die Stille über dem Klappern der Hufe und dem Knirschen der Räder im Sand unerträglich zu werden droht, setzt David erneut an. „Seit diesem Moment gehst Du mir aus dem Weg, schweigst Dich aus und wir haben nicht einmal mehr miteinander gelegen.“
„Hm, und das, obwohl ich mich eigentlich sogar danach sehne. Aber andererseits, vergiss nicht, dass ich mich ganz schön schwer verletzt habe, bei dem Versuch, alle Kinder aus dem brennenden Haus zu retten.“
Sie schluckt und schüttelt noch immer fassungslos den Kopf. „Da stehen Dutzende ausgewachsene Männer wie die Ölgötzen herum und starren wie hypnotisiert auf die Flammen und keiner rührt sich, um irgendwas zu tun, derweil in dem Haus die Kinder vor Angst um ihr Leben schreien.“
Sie schickt den Blick in die Ferne, dann flüstert sie leise: „Du machst Dir keine Vorstellung davon, wie sehr mir mein Arm weh tut. Es ist ein überaus abscheulicher Schmerz. Jedes Ruckeln von diesem doofen Wagen ist wie ein Stich mit einem Messer, die Sonne auf dem Verband brennt, als wolle sie ihn in Flammen aufgehen lassen. Es ist scheußlich und ich fühle mich beschissen.
Dieses Mal ist der Schmerz wesentlich schlimmer als damals, wie ich noch ein Kind war. Sicherlich bin ich schmerzempfindlicher geworden oder die Wunde ist tiefer, was weiß ich. Ich weiß nur, dass ich richtig Angst vor einer Berührung habe. Ich schrecke selber schon davor zurück, eine Bewegung zu machen.“
Sie seufzt, dreht sich nach hinten und schaut zu den Kindern, die in speziellen Geschirren auf der Rückbank festgezurrt sind und tief und fest schlafen. „Außerdem habe ich nicht gerne winzige Zeugen, wenn wir uns lieben.“
David lacht leise, streicht sanft über den Verband und brummt: „Heute Abend machen wir es uns richtig schön kuschelig. Ines kann sich um die Kinder kümmern und wir zwei tun so, als hätten wir uns gerade erst kennen und lieben gelernt.“
Darauf erwidert das Girl erst einmal gar nichts, dann spitzt sie die Lippen und haucht spröde: „Mal sehen, kommt darauf an, wie ich mich heute Abend fühle!“