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Eine fröhliche Feier

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Es wird eine sehr fröhliche Kaffeerunde an diesem wunderschönen Sonntagnachmittag. Der alte Richter Harrods und Carpenter wechseln sich beim Wiegen des Babys ab und schließlich meint Kenneth schmunzelnd: „Also, Onkel, ich muss schon sagen, an Dir ist ein guter Opa verloren gegangen. Schade, dass Du keine Kinder hast.“

Der Alte kneift die Augen zusammen und knurrt: „Wozu habe ich wohl einen Neffen großgezogen? Du hast gefälligst für kleine Großneffen und -nichten zu sorgen.“

Alle lachen herzhaft über das verdutzte Gesicht des jungen Mannes und Mansfall, der heute ein ganz anderer ist, als der eingebildete Angeber, den man im Death Valley kennen gelernt hat, fühlt sich offensichtlich in der Gesellschaft dieser einfachen, natürlichen Menschen riesig wohl. Mit geröteten Wangen und strahlenden Augen sitzt er Carol gegenüber und kann kaum seinen Blick von dem liebreizenden Antlitz des Mädchens lassen.

John beobachtet das und stößt seinen Freund an. „Du musst aufpassen, da ist jemand bis über alle Ohren in Deine Frau verknallt und wie mir scheint, hat das Bürschlein auch noch eine ganze Menge Kohle an den Füßen.“

Mit unbewegtem Gesicht antwortet der Indian: „Stinkreich sage ich Dir und Carol hat ihn gehasst, wie die Pest. Er sie im Gegenzug übrigens auch. Ich sage nur: Honeymoon im Tal des Todes. Und beinahe hätte es für den geklappt. Mit dem Tod meine ich, nicht das Ding mit dem Honeymoon.“

Blacky nickt, wendet sich an den jungen Mann und fragt scheinheilig, woher Mansfall die Widefields eigentlich kennen würde.

Zunächst leise und in dürren Worten gibt dieser Auskunft, dann wird er gesprächig und das Abenteuer wird noch einmal in allen mehr oder weniger peinlichen Facetten geschildert und schließlich meint der junge Mann sehr verlegen: „Ich habe mich damals so unglaublich dumm benommen, dass ich mich heute selber gar nicht mehr verstehen kann. Meine Dummheit ist mir schon vor meiner Verletzung aufgefallen, aber ich wusste nicht, wie ich mich vor den ganzen Leuten plötzlich für mein unmögliches Benehmen entschuldigen sollte.“

Er räuspert sich, schluckt und brummt: „Tja, und die Schlage hat mich dieser Entschuldigung dann enthoben. Ich habe in den folgenden Monaten immer und immer wieder darüber gegrübelt, welch einen nachhaltig miesen Eindruck ich wohl bei meinen Tourgefährten hinterlassen hatte und dann treffe ich eines schönen Tages ganz zufällig im Cheyenne Club einen Richter Harrods, der mir von einem herrlichen Fleckchen Erde und einer großen Ranch mit seinen fabelhaften Bewohnern vorgeschwärmt hat.“

Er grinst ungewöhnlich jungenhaft und nichts ist mehr von dem blasierten Schnösel zu erkennen. „Dabei hat er ganz besonders warm von einem wundervollen, lieblichen, rothaarigen Persönchen gesprochen. Sehr schnell durfte ich feststellen, dass dieses liebreizende Wesen mit meiner Lebensretterin identisch sein musste und als mir dies durch Harrods dann bestätigt wurde, habe ich erst richtig bemerkt, dass ich mich damals auf unserem Ausflug ausgesprochen blöde benommen habe. - Und wo ich Sie heute hier wiedersehe und Ihre unwahrscheinlich großzügige Gastfreundschaft genießen darf, muss ich beschämt feststellen, dass ich nicht zurechnungsfähig gewesen sein kann.“

Carols Blick drückt eine belustigte Verständnislosigkeit aus. „Mein lieber Mr. Mansfall, können Sie bitte Sätze formulieren, die auch das dumme Hirn eines armen, ungebildeten Cowgirls verstehen kann?

Ich bin nämlich ein bisschen dumm müssen Sie wissen, ich habe wirklich nur sehr mangelhaft vier oder fünf Jahre eine Schule besucht, wovon ich die meiste Zeit auch noch durch Abwesenheit, meistens körperlich, ansonsten zumindest geistig, geglänzt habe.

Das einzige, was ich von Ihrer langen Rede kapiert habe, ist, dass Sie zufällig Richter Harrods getroffen und im Gespräch festgestellt haben, dass die Welt klein ist und sie gemeinsame Bekannte, nämlich die Widefields haben.“

Der junge Mann erwidert darauf sehr ernst: „Das ist Ihre Masche, sich als einfaches, ungebildetes Mädchen hinzustellen, dabei sind Sie hier die Gattin Ranchers mit dem absolut größten Anwesen weit und breit. Und sehen Sie, dass hätte mir vor einem Jahr schon auffallen müssen, einfach an Ihrer ganzen Art sich zu geben und zu unterhalten.“

„Langsam, langsam!“, mischt sich nun David in das Gespräch ein. „Der Rancher sitzt dort drüben“, er weist auf Mr. Carpenter, „und auch wenn es einem Uneingeweihten anders vorkommen mag, weder meine Frau noch ich sind mit ihm verwandt oder verschwägert. Wir sind seine angestellten Verwalter, waren allerdings in der Tat bis vor unserer Reise nur ganz einfache, schlichte Cowboys.“

„Wirklich?“ Mansfall staunt nicht schlecht.

Er war seit seinem Zusammentreffen mit Harrods der festen Überzeugung gewesen, die Ranch würde den Widefields gehören, denn dass ein so gebildeter Mann wie der Richter so verliebt von einem einfachen Mädchen schwärmen könnte, wäre ihm bislang niemals in den Sinn gekommen.

Er schaut in Carols grüne Augen und versteht den Richter plötzlich. „Sie sind merkwürdige Menschen“, murmelt er leise. „Sie sind alle mehr als nur Freunde. Ich habe das Gefühl, ich bin hier in einer großen, glücklichen Familie gelandet.“

Der Sheriff grinst. „Na warten Sie erst mal ab, bis Sie die Rechnung für diese Gastfreundschaft bekommen. Das mindeste ist, Ines beim Spülen zu helfen!“

Dröhnendes Gelächter der Herren Harrods und Carpenter begleitet diesen Ausspruch, dann wird der Sheriff ernst: „Aber Spaß beiseite, so ganz unrecht haben Sie noch nicht mal. Wer auf Willow-Tree arbeitet, gehört wirklich zur Familie, aber auch Freunde werden ohne Probleme adoptiert, wie Sie an meinem oder dem Beispiel der Herren Richter sehen können.“

„Das finde ich toll, aber so langsam blicke ich nicht mehr ganz durch. Hier sitzen so viele Personen am Tisch und ich könnte nicht sagen, wer zur Familie gehört, wer angestellt ist oder wer das herrliche Privileg hat, ein Freund zu sein.“

Carol lacht: „Ach, das scheint nur so kompliziert zu sein, ist es in Wirklichkeit aber überhaupt nicht. Das dort sind Mr. Carpenter und Stacy Carpenter.“ Sie deutet nacheinander auf die beiden Männer. „Mr. Carpenter ist der Besitzer dieses Anwesens und Stacy ist sein Enkel, der Bruder meiner Freundin Susan, die Sie vom Death Valley her kennen.

Dann gibt es die kleine Familie Widefield, meinen Mann, unser Kind und mich mit Anhang, denn der Typ da drüben“, ihr Daumen geht in Blackys Richtung, „ist nicht nur unser Vormann, sondern auch noch mein Bruder.“

Mansfall holt tief Luft, doch bevor er etwas äußern kann, redet Carol schon weiter: „Die, die dort drüben neben unserer guten Seele Ines sitzen, Ines ist unsere unverzichtbare Hausdame“, Carol schmunzelt über Ines entsetzten Gesichtsausdruck, ob ihrer gestelzten Ausdrucksweise, „sind unsere Cowboys, unschwer daran zu erkennen, dass sie sich kaum trauen, den Mund aufzumachen, obwohl er ihnen nicht verboten worden ist.

Und alle anderen sind noch besser, als Familie, die man nämlich immer leider so nehmen muss, wie sie ist, ob man will oder nicht, alle anderen sind Freunde. Die besten Freunde, die man übrigens finden kann und unsere Jungs, jeder einzelne von ihnen, zählen auch dazu!“ Sie strahlt in Richtung der Cowboys, die verlegen auf ihre Teller blicken.

Mansfall holt wieder tief Luft, dann seufzt er: „Sie wissen gar nicht, wie glücklich Sie mit Ihrem Leben und seinem ganzen Drumherum hier sein können. Seitdem ich das unvergessliche Erlebnis hatte, Sie kennen lernen zu dürfen, habe ich mehr vom Leben begriffen, als in all den Jahren zuvor und ich lerne immer neue Dinge hinzu.

Ich sehe seit dem Abenteuer alles viel bewusster und mir ist aufgefallen, dass Geld, Reisen und teure Anzüge nicht der Sinn des Lebens sind.

In den Minuten, als mein bisheriges Leben an meinem inneren Auge vorbeizog, fiel es mir schmerzlich auf, dass ich es bislang vollkommen sinnlos vergeudet habe und keine einzige positive Sache zu verbuchen hatte.

Ich konnte noch nicht einmal Freunde vorweisen, denn ich hatte keine. Höchstens ein paar Speichellecker, die hofften, dass von dem Geldkuchen ein paar Brocken auf sie niederregnen.“

„Hurra!“, jubelt das rothaarige Girl. „Wozu der Biss einer Klapperschlange doch so alles gut sein kann. Und wenn es Ihnen recht ist, dürfen Sie sich als unser Freund betrachten. Mir wäre es eine Ehre.“

„Oh, oh ja sehr gerne, wenn mich die Herrschaften in diesen Kreis aufnehmen würden, dieses Privileg wäre endlich etwas das meinem Leben einen kleinen Sinn geben würde“, stammelt er, woraufhin alle Anwesenden ihm lachend dieses Privileg gerne zugestehen.

Unvermittelt wird Carol wieder ernst und räuspert sich. „Entschuldigen Sie dass ich Sie das jetzt so unverblümt frage, aber mir ist aufgefallen, dass Sie hinken. Hat das etwas mit dieser Verletzung zu tun? Und wenn ja, wer war der Verursacher? Die Schlange oder die vermeintlichen Helfer?“

„Die Schlange, denn Ihr Biss hat einen Muskel gelähmt und eine Sehne ist in Mitleidenschaft gezogen worden, aber das ist nicht so tragisch, ich lebe noch und was macht da schon so ein bisschen Humpeln aus?“

Carol nickt. „Sie haben sich wirklich total verändert. Sie sind kaum noch wieder zu erkennen. Früher hätten Sie lamentiert und sich über den Makel der Behinderung mächtig aufgeregt und den Dilettanten, die sie so verstümmelt haben, die ganze Schuld gegeben und heute machen Sie nicht mal den Versuch, irgendwen zu belasten.

Das freut mich sehr und über kurz oder lang werden Sie merken, dass Ihnen die Menschen freundlicher gegenübertreten, wenn Sie sich natürlich geben, denn echte Freundschaften kann man sich nicht erkaufen. Scheinfreundschaften möglicherweise, aber echte Freunde, die findet man nicht im Portemonnaie, sondern hier drinnen.“ Sie tippt sich auf die Brust und lächelt bezaubernd.

Für einen kurzen Moment herrscht Schweigen, nur Baby James jauchzt auf Carpenters Arm, denn für den Kleinen ist das langweilige Gerede der Alten völlig uninteressant.

Nach einer geraumen Weile räuspert sich der Sheriff und kramt einen Brief aus seiner Westentasche. „Ich habe hier ein Kabel aus San Francisco bekommen, von einem gewissen Dr. Bruce Seyfarth. Er hat Eure Geburtsmitteilung bekommen und weil er leider durch einen Einbruch in seine Praxis Eure Anschrift verloren hat, bittet er auf diesem Wege mich, Euch zur Geburt Eures Sohnes herzlichst zu gratulieren.“

„Hey, Dr. Brennnesseltee, er hat uns nicht vergessen“, grinst Carol, „das finde ich aber echt nett von ihm. Ich werde ihm demnächst antworten. Darf ich das Kabel haben, Bill?“

„Aber natürlich!“, nickt dieser und drückt es seiner Freundin in die Hand. „Aber lass es Dir nicht klauen!“

„Bestimmt nicht“, lächelt die junge Frau zurück. „Gerade Du solltest wissen, dass hier niemand irgendetwas klaut.“ Sie grinst frech. „Sonst hättest Du keine Zeit hier gemütlich rumzusitzen und Kaffee zu trinken.“

„Wenn wir gerade dabei sind, ich habe da auch noch etwas, was ich Euch vorlesen wollte“, meldet sich Stacy zu Wort und Carol brummt trocken: „Märchenstunde auf der Willow-Tree-Ranch. Dann leg mal los, mein Lieber.“ Sie lehnt sich entspannt zurück und schaut den jungen Mann erwartungsvoll und sehr neugierig an.

Der junge Carpenter entfaltet ein Schreiben und beginnt: „Sehr geehrter Mr. Carpenter, ich wollte mich auf diesem Wege persönlich bei Ihnen für Ihren geschätzten Vorschlag für meine Beförderung und Belobigung bedanken.

Da ich Sie nicht kenne, mir auch Ihr Name völlig unbekannt war, können Sie sich sicherlich denken, dass ich mehr wie verblüfft war, als mir eine Belobigung ausgesprochen wurde, die darüber hinaus auch noch mit einer Beförderung verbunden war und die nur durch Ihre Fürsprache erfolgt ist.

Ich wusste bis zu dem Zeitpunkt gar nicht, dass ich so eine großartige Leistung vollbracht habe, als ich einer schwer verwundeten, bildhübschen und sehr mutigen jungen Lady die Hand gehalten habe, weil ich mehr nicht tun konnte. Es war für mich eine ganz normale Geste, die ich jederzeit, auch als Zivilist, wieder tun würde.

Nochmals vielen Dank für Ihre freundliche Fürsprache und bitte grüßen Sie die kleine Lady von mir, wenn Sie sie das nächste Mal treffen.

Ihr untergebenster Joshua Shane. – Was ich hiermit getan habe.“ Er lässt das Blatt sinken und holt tief Luft.

Nun strahlt David. „Das hast Du gut gemacht, Stacy. Wenn dieser Mann nicht instinktiv und ununterbrochen auf unser Mädchen eingeredet hätte, sie hätte ihre Verletzungen bestimmt nicht überstanden und wir säßen heute nicht hier. Freut mich, dass er nicht nur belobigt, sondern auch befördert worden ist.“

Interessiert schaut John von David zu Stacy und wieder zu David. „Ist das der Soldat, dessen Stimme Carols Unterbewusstsein am Leben gehalten hat?“

David nickt. „Hm, das ist er. Ich hatte Stacy gebeten, offiziell für eine Belobigung des Mannes zu sorgen. Ich dachte, von Washington aus ausgesprochen, hätte so eine Bitte mehr Gewicht, als von Wyoming aus.“

Carol grinst: „Hatte Sie scheinbar auch, wie Du gerade gehört hast. Schade, ich kann mich leider an gar nichts erinnern, nur die sanfte, fast zärtliche Stimme des Mannes ist mir im Gedächtnis geblieben.“ Es herrscht wieder einen Moment Schweigen, in dem der junge Mansfall etwas verdutzt von einem zum anderen blickt.

Carol fängt einen dieser Blicke auf und schmunzelt: „Der arme Mr. Mansfall weiß überhaupt nicht, wovon die Rede ist.“

Sie will gerade ausholen, um ihre Geschichte zum Besten zu geben, da meldet sich Richter Harrods vorsichtig zu Wort. „Bevor Sie loslegen, liebste Freundin, könnte es sein, dass Ihr Sohn, hm, dass er ein wenig stinkt?“

Die junge Frau lacht laut auf. „Und wie das sein könnte, Sir.“

Sie springt auf und eilt um den Tisch herum, um den Mann von dem brabbelnden Bündelchen zu befreien.

„Uh, und wie der kleine Kerl stinkt, schlimmer als ein Alter. Das ist ja fürchterlich! Ihr entschuldigt uns für eine Weile, wir sorgen nur mal schnell für ein besseres Klima im Raum und in der Windel.“

Ines ist ebenfalls aufgesprungen, doch die junge Mama wehrt lächelnd ab. „Lass gut sein, Ines, ich mache das schon. Aber Du könntest uns bitte noch etwas frischen Kaffee kochen. Ich könnte nämlich noch eine Tasse vertragen. Ich habe so viel von Deinem leckeren Kuchen gefuttert, den muss ich jetzt unbedingt begießen und stark verdünnen.“

Sie lächelt in die Männerrunde. „Ihr könnt derweil unserem Freund Mansfall von meinem San Franciscoer Abenteuer berichten, damit er nicht so staunend gucken und womöglich eines Tages dumm sterben muss.“

Nur ein Tropfen Leben

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