Читать книгу Basislehrbuch Kriminalistik - Christoph Keller, Bijan Nowrousian - Страница 101
I.Hinweis, Strafanzeige und Strafantrag
ОглавлениеBei der Strafanzeige handelt es sich gemäß § 158 StPO um „die Mitteilung eines Sachverhalts, der nach Meinung des Anzeigenden Anlass für eine Strafverfolgung bietet“9. Sie ist nicht mehr als der Hinweis auf ein nach Ansicht des Anzeigenden strafbares Verhalten. Begehrt der Anzeigende indes die Strafverfolgung, handelt es sich um einen sogenannten Strafantrag (im prozessualen Sinne).10
Strafanzeige kann jedermann stellen, also auch Personen, die mit Tat und Täter nichts zu tun haben. Ein Formzwang besteht nicht, sodass Anzeigen auch mündlich, telefonisch oder per Mail erstattet werden können. Über eine mündliche Anzeige hat der Beamte, dem gegenüber diese erfolgte, einen Vermerk für die Akten zu fertigen.
Ein Strafantrag im prozessualen Sinne liegt wie dargelegt vor, wenn mit der Anzeigenerstattung (oder sonst im Rahmen des Verfahrens) der erkennbare Wille zum Ausdruck gebracht wird, dass die angezeigte Tat auch verfolgt wird. Der Strafantrag muss dabei schriftlich gestellt werden, wobei ein Telefax reicht. Erforderlich ist aber die Unterschrift des Antragstellers. Nicht erforderlich ist indes, dass die Stellung ausdrücklich als Strafantrag bezeichnet ist oder expressis verbis das Verfolgungsverlangen enthält. Ausreichend ist vielmehr, dass sich aus einem Anzeigevorbringen oder einer sonstigen Äußerung unmissverständlich ergibt, dass eine Verfolgung gewünscht ist.11 So genügt etwa eine dies deutlich machende Anzeige, die vom Polizeibeamten niedergeschrieben wurde und die der Zeuge danach lediglich unterschrieben hat. Soweit in der polizeilichen Praxis Formulare verwendet werden, auf denen der Anzeigende ankreuzen kann, ob er Strafantrag stellen will oder nicht, sind diese keine Voraussetzung für eine wirksame Antragstellung, sondern erleichtern lediglich die Feststellung, ob ein Verfolgungswille vorhanden war oder nicht. Für diesen Zweck sind sie indes sehr hilfreich.
Auch den Strafantrag im prozessualen Sinne kann jedermann stellen. Auch hier ist also nicht erforderlich, dass es der Verletzte ist, der in der beschriebenen Art bei Anzeigenerstattung deutlich macht, auch die Verfolgung der angezeigten Tat zu wollen.
Enger als in der StPO wird der Begriff „Strafantrag“ im StGB verwendet. Ein Strafantrag bezeichnet dort einen Verfolgungswillen bei Antragsdelikten, also solchen Straftaten, die nur bei einem Verfolgungswillen des Verletzten überhaupt verfolgt werden können. Diesen Strafantrag im materiellen Sinne kann nach § 77 I StGB nur der Verletzte stellen. Die Möglichkeit zur wirksamen Antragstellung ist nach § 77b StGB fristgebunden, wobei die Frist drei Monate nach Kenntniserlangung von Tat und Täter beträgt. Ausreichend ist dann aber auch hier, wenn der Wunsch nach Verfolgung hinreichend klar zum Ausdruck kommt.
Bringt eine Person lediglich einen Sachverhalt zur Kenntnis, bei dem diese Person selber nicht unbedingt von einer Straftat ausgeht, sondern nur meint, die Strafverfolgungsbehörden sollten „mal draufschauen“, ist in der Praxis üblich, von einem bloßen Hinweisgeber und einem bloßen Hinweis zu sprechen. Vom „Anzeigenden“ soll dieser sich dadurch unterscheiden, dass Letzterer den bekannt gemachten Sachverhalt für strafbar hält. Gemeinsam haben Anzeigender und Hinweisgeber, die Strafverfolgung nicht zu begehren, sondern nur eine Prüfung veranlassen zu wollen. Das unterscheidet sie vom (Straf-)Antragsteller.
Es gibt also:
•Hinweisgeber, die nur möglicherweise strafrechtlich Relevantes mitteilen, ohne Verfolgungsinteresse zu haben,
•Anzeigende, die für strafbar Gehaltenes mitteilen, ohne Verfolgungsinteresse zu haben,
•Antragsteller im prozessualen Sinne, die für strafbar Gehaltenes mitteilen und dabei Verfolgungsinteresse haben,
•Antragsteller im materiellen Sinne, die anzeigen, Verletzte eines Antragsdelikts zu sein, und dabei Verfolgungsinteresse haben.
Soweit es um die Frage geht, ob ein Anfangsverdacht vorliegt und wie dann zu verfahren ist, hat die Unterscheidung zwischen Strafanzeige beziehungsweise bloßem Hinweis und Strafantrag im prozessualen Sinne indes keine Relevanz. Auch wenn der Anzeigende eine Strafverfolgung nicht begehrt, ist dann, wenn dieser zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten mitteilt, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, zuführen und nach Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu übersenden! Bedeutung hat die Unterscheidung nach der Person des Anzeigenden bereits für die Polizei aber insofern, als bei absoluten beziehungsweise relativen Antragsdelikten ein Verfolgungshindernis bestehen kann, wenn kein Strafantrag im materiellen Sinne, also durch den Verletzten binnen drei Monaten, gestellt wurde. In solchen Fällen sind die Akten nach Eingang der Anzeige der Staatsanwaltschaft zu übersenden, die entscheiden muss, ob verfolgt werden kann beziehungsweise soll oder nicht.