Читать книгу Basislehrbuch Kriminalistik - Christoph Keller, Bijan Nowrousian - Страница 94
D.Vorermittlungen
ОглавлениеEs kann in der Praxis durchaus vorkommen, dass man als Polizeibeamter oder Staatsanwalt von tatsächlichen Umständen Kenntnis erlangt, die mehr sind als bloße Spekulationen, aber für die Annahme eines Anfangsverdachts gleichwohl noch nicht ausreichen. Eine solche Konstellation wäre etwa denkbar bei einer anonymen Anzeige, die hinreichend aussagekräftig ist, um nicht sogleich verworfen zu werden, aber für die Annahme eines Anfangsverdachts noch nicht genügt. Auf anonyme Anzeigen wird im Weiteren noch detaillierter eingegangen. In solchen Fällen ist es den Strafverfolgungsbehörden gestattet, im Rahmen sogenannter Vorermittlungen zu klären, ob ein Anfangsverdacht überhaupt besteht.
Orientiert man sich am Wortlaut des § 152 Abs. 2 StPO, der zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme eines Anfangsverdachts verlangt, und bedenkt man ferner, dass bloße Spekulationen nicht ausreichen, kann man ein Vorverfahren, in dem Vorermittlungen geführt werden dürfen, so charakterisieren: Vorermittlungen sind dann möglich, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die einen Verdacht begründen können, diese Tatsachen aber noch nicht zureichend im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO sind.
Zu beachten ist dabei indes, dass die strafprozessualen Zwangsmaßnahmen unterhalb der Schwelle eines Anfangsverdachts niemals möglich sind. In Betracht kommen im Rahmen solcher Vorermittlungen also nur solche Maßnahmen, die nach dem Gesetz einen Anfangsverdacht nicht verlangen. Das sind in der Sache im Wesentlichen Zeugenvernehmungen sowie die Bitte um Amtshilfe an andere Behörden. Solche Maßnahmen sind nach zwar umstrittener, aber herrschender Lehre und Rechtsprechung bereits vor Bejahung eines Anfangsverdachts erlaubt.4
Diese – im Gesetz nicht geregelten – „Vorermittlungen“ können auf zwei Arten enden: mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, falls sich ein Anfangsverdacht ergibt. Oder mit dem „Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens“, falls sich ein solcher nicht ergibt (was dann einer „Einstellung“ entspricht). Ersteres kann – wie die Verfahrenseinleitung sonst auch – auch die Polizei; Letzteres – wie die Einstellung sonst auch – nur die Staatsanwaltschaft.
Für die Polizei empfiehlt es sich in derartigen Fällen stets, zunächst mit der Staatsanwaltschaft Kontakt aufzunehmen und zu klären, ob solche Vorermittlungen überhaupt geführt werden sollen. Auf die Möglichkeit, den weiteren Verfahrensgang mit der Staatsanwaltschaft zu erörtern, wird an späterer Stelle noch eingegangen.