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B.Die Grundsätze im Einzelnen

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I.Wettbewerbsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 Satz 1 GWB)

1.Inhalt und Reichweite

12Der Wettbewerbsgrundsatz ist das tragende Prinzip und das zentrale Element bei Beschaffungen durch einen öffentlichen Auftraggeber.10 Europarechtlich dient er der Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs. Der Wettbewerbsgrundsatz erschöpft sich jedoch nicht im Bieterschutz11, sondern kommt auch den Auftraggebern und Konzessionsgebern zugute, weil die Öffnung des Wettbewerbs für möglichst viele Unternehmen eine Beschaffung zu bestmöglichen Konditionen ermöglicht.12

2.Der Wettbewerbsgrundsatz in den Vergabeordnungen

13Der Wettbewerbsgrundsatz wird auch in § 2 EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A, § 2 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A und § 2 Abs. 1 Satz 1 UVgO genannt. Eigenständige Bedeutung kommt insoweit allerdings nur § 2 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A und § 2 Abs. 1 Satz 1 UVgO bei Unterschwellenvergaben zu. § 2 EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A enthält lediglich eine Wiederholung von § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB.

3.Verstöße gegen den Wettbewerbsgrundsatz

14Unter wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen sind generell Verhaltensweisen der Auftraggeber oder Bieter zu verstehen, die den Wettbewerb beeinträchtigen.13 Als solche kommen u. a. in Betracht:

15– De-facto-Vergaben, d. h. Direktvergaben ohne Durchführung eines von Rechts wegen gebotenen Vergabeverfahrens.14

16– Nachverhandlungen bzw. Preisänderungen nach Ablauf der Angebotsfrist, sofern diese nicht von Rechts wegen zugelassen sind.15

17– Angebotsabsprachen oder andere Verletzungen des Geheimwettbewerbs durch Kenntnis anderer Angebote. Der Geheimwettbewerb ist verletzt, wenn ein Bieter sein Angebot in Kenntnis eines anderen Angebots (auch teilweise) abgibt.16 Die Einhaltung der Geheimhaltungsvorschriften soll einerseits Wettbewerbsverzerrungen vorbeugen und andererseits die Bieter vor Offenlegung ihrer Geschäftsgeheimnisse schützen. Haben einzelne Bieter insoweit einen Informationsvorsprung gegenüber Mitbietern, ist kein fairer Wettbewerb mehr gewährleistet. Es kommt dabei allein auf die Tatsache der Kenntnis eines anderen Angebots an; ob der Bieter, der diese Kenntnis hat, sich konspirativ verhalten hat, ist unerheblich.17 Im Zuge der Vergaberechtsreform 2016 wurde die Verpflichtung der Auftraggeber zur Wahrung der Vertraulichkeit untergesetzlich geregelt (vgl. § 5 VgV, § 5 SektVO, § 4 KonzVgV und § 2 EU Abs. 6 VOB/A).

18– Die Mehrfachbeteiligung eines Unternehmens durch Abgabe mehrerer Angebote oder durch Abgabe eines eigenen Angebots und Abgabe eines weiteren Angebots durch Beteiligung an einer Bietergemeinschaft.18 Dieser Grundsatz ist in jüngster Zeit eingeschränkt worden. So hat der EuGH entschieden, dass die Beteiligung an einem Vergabeverfahren als Bieter und Mitglied einer Bietergemeinschaft nicht zwingend einen Verstoß gegen den Geheimwettbewerb darstellt; der Auftraggeber muss vielmehr aufklären, ob ein solcher Verstoß tatsächlich vorliegt. Kann das Unternehmen, das sich mehrfach beteiligt hat, nachweisen, dass es Vorkehrungen getroffen hat, die einen Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs ausschließen (z. B. Einführung unternehmensinterner „Chinese Walls“), ist ein Ausschluss unzulässig.19 Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist der Auftraggeber allerdings zum Ausschluss berechtigt, wenn Unternehmen, die sich mehrfach beteiligen, nicht bereits mit dem Angebot die grundsätzliche Vermutung, dass der Geheimwettbewerb zwischen ihnen nicht gewahrt ist, widerlegen.20

19– Vergleichbare Maßstäbe gelten bei der Beteiligung konzernverbundener Unternehmen. Nach der Rechtsprechung besteht bei diesen eine objektiv erhöhte Gefahr von Verstößen gegen den Geheimhaltungswettbewerb.21 In diesem Fall obliegt es den betroffenen Unternehmen, bereits mit dem Angebot nachzuweisen, dass sie den Geheimwettbewerb gewahrt haben.22 Arbeiten beide konzernverbundene Bieter mit derselben Rechtsabteilung zusammen und trägt der Bieter vor, diese sei den jeweiligen Konzerngesellschaften gegenüber zur Verschwiegenheit über andere Angebote verpflichtet, so darf der Auftraggeber von der Richtigkeit dieser Angaben ausgehen.23

20– Kein Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz liegt dagegen vor, wenn Unternehmen sich zu Bietergemeinschaften zusammenschließen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn es sich um miteinander konkurrierende Unternehmen handelt, die den Auftrag auch allein erbringen könnten.24

21– Dasselbe gilt bei der parallelen Beteiligung als Einzelbieter und Nachunternehmer eines anderen Bieters. Dies gilt selbst bei einer Beteiligung „über Kreuz“.25 Anders kann dies aber dann sein, wenn Indizien dafür bestehen, dass ein Bieter dadurch Kenntnis eines anderen Angebots erlangt hat.26

22– Auch mehrere Hauptangebote eines Bieters können zulässig sein, wenn sie sich in technischer Hinsicht unterscheiden.27 Variiert dagegen lediglich der Preis, so ist davon auszugehen, dass sich der Bieter einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil verschaffen will. Dies führt zur Unzulässigkeit aller Angebote.28

II.Transparenzgrundsatz (§ 97 Abs. 1 Satz 1 GWB)

1.Inhalt und Reichweite

23Der Transparenzgrundsatz soll die ausreichende Information der Bieter und eine nachvollziehbare Gestaltung des Vergabeverfahrens sicherstellen.29 Er dient dadurch auch der Verwirklichung des Wettbewerbsgedankens: Wettbewerb kann nur dann entstehen, wenn die potentiell an einem Auftrag interessierten Unternehmen ausreichende Kenntnisse von der Beschaffungsabsicht des Auftraggebers und den Bedingungen, unter denen die Vergabe erfolgen soll, haben.30 Der Transparenzgrundsatz ist bei allen Handlungen und Entscheidungen im Vergabeverfahren zu beachten, die für Unternehmen von Bedeutung sein könnten.

24Eingeschränkt wird der Transparenzgrundsatz durch den Grundsatz des Geheimwettbewerbs.31 Informationspflichten des Auftraggebers können nur insoweit bestehen, als sie nicht den Geheimhaltungsinteressen der anderen Bieter zuwiderlaufen.

2.Der Transparenzgrundsatz in den Vergabeordnungen

25Mit der Vergaberechtsreform 2009 fand der Transparenzgrundsatz auch Einzug in die Vergabeordnungen und gilt daher auch im Unterschwellenbereich: § 2 Abs. 1 VOB/A und § 2 Abs. 1 Satz 1 UVgO machen ein transparentes Verfahren zur Voraussetzung der Vergabe. Die Nennung in § 2 EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A ist nur eine Wiederholung der im Oberschwellenbereich ohnehin geltenden gesetzlichen Regelungen.

3.Verstöße gegen den Transparenzgrundsatz

26Verstöße gegen den Transparenzgrundsatz liegen u. a. in folgenden Fällen vor:

27– Unterlassen eines gebotenen Teilnahmewettbewerbs; die Kriterien für die Auswahl der Bieter sind den Bewerbern in der Bekanntmachung mitzuteilen.32

28– Zu unbestimmte Ausschreibungen. Der Transparenzgrundsatz gebietet die Bestimmtheit bezüglich Leistungsumfang und Leistungsinhalt.33 Die Leistung ist derart zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung gleichermaßen verstehen müssen und die Preise sicher und ohne umfangreiche ­Vorarbeit berechnen können.34 Bei der Ausschreibung von Rahmenvereinbarungen über Liefer- und Dienstleistungen wird der Bestimmtheitsgrundsatz allerdings durch den Wegfall des (für Bauvergaben nach wie vor geltenden) Verbots der Aufbürdung ungewöhnlicher Wagnisse eingeschränkt.35

29– Keine ausreichende Information über den geplanten Ablauf des Vergabeverfahrens, insbesondere bei mehrstufigen Verhandlungsverfahren.36 Die diesbezüglichen Anforderungen aller Auftraggeber und Konzessionsgeber werden nunmehr in § 18 VgV, § 13 Abs. 3 KonzVgV und § 3b EU Abs. 3 und Abs. 4 VOB/A konkretisiert.

30– Anwendung von Zuschlagskriterien, die nicht bekannt gegeben wurden, sowie Nichtanwendung von Zuschlagskriterien, die bekannt gegeben wurden. Die Zuschlagskriterien sind rechtzeitig vor Angebotsabgabe bekannt zu geben, sodass sich die Bieter darauf einstellen können.37 Bei europaweiten Vergabeverfahren ist zusätzlich die Gewichtung oder zumindest die Rangfolge der einzelnen Zuschlagskriterien bekannt zu geben.38

31– Keine ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens sowie fehlerhafte Dokumentation des Vergabeverfahrens (z. B. der Angebotswertung). Der Auftraggeber hat die Pflicht, die einzelnen Stufen des Vergabeverfahrens sowie die im Verfahren getroffenen wesentlichen Entscheidungen mit Begründung fortlaufend und zeitnah zu dokumentieren.39 Zum Inhalt der Dokumentationspflicht siehe § 8 VgV, § 8 SektVO, § 6 KonzVgV, § 43 VSVgV, § 20 EU VOB/A, § 20 VOB/A und § 6 UVgO.

32– Im Gegensatz zu den bisher genannten Fällen, in denen der Vergaberechtsverstoß in einem Mangel an Transparenz besteht, kann auch ein Zuviel an Transparenz vergaberechtswidrig sein. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn in Pressemitteilungen die Namen, Rangfolgen und Angebotssummen der Bieter offengelegt werden. Generell ist die Pflicht zur Herstellung von Öffentlichkeit gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs abzuwägen.40

III.Wirtschaftlichkeitsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 Satz 1 GWB)

33Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz findet nicht mehr nur im Zusammenhang mit dem Zuschlag Erwähnung,41 sondern wird zum Grundsatz der Vergabe erhoben. Damit verbundene inhaltliche Änderungen sind nicht ersichtlich. Maßgeblicher Inhalt des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes ist vielmehr nach wie vor, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist; insoweit wird auf die Kommentierung von § 127 GWB Bezug genommen.

34Darüber hinausgehende Bedeutung könnte der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz allerdings im Zusammenhang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewinnen. Insoweit wird auf dessen nachfolgende Kommentierung verwiesen.

35Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz wird auch in allen Vergabeordnungen erwähnt.

IV.Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 Satz 2 GWB)

1.Inhalt und Reichweite

36Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist neu zu den Grundsätzen der Vergabe in § 97 GWB hinzugekommen. Grund hierfür ist die ausdrückliche Erwähnung der Verhältnismäßigkeit in Art. 3 Abs. 1 KVR, Art. 18 Abs. 1 VRL und Art. 36 SRL. Allerdings haben die Vergabe-Nachprüfungsinstanzen auch bisher schon auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zurückgegriffen, um die Pflichten von Auftraggebern und Auftragnehmern im Vergabeverfahren auszutarieren.

37Die Rechtsprechung hat aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz u. a. Folgendes abgeleitet:

38– Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet bei sicherheitsrelevanten Vergaben eine Abwägung zwischen staatlichen Sicherheitsinteressen und Bieterinteressen.42

39– Eignungs- und Zuschlagskriterien müssen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen.43 Auch in der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere bei den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung, die Eignung, den Zuschlag und die Ausführungsbedingung zu beachten ist.44

40– Auftraggeber müssen aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes negative Referenzen nicht überprüfen.45

41– Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es, eine Heilung von Dokumentationsmängeln nicht kategorisch auszuschließen.46

42– Vergabesperren müssen verhältnismäßig sein.47 Zwar enthält § 126 GWB nunmehr Höchstgrenzen für Vergabesperren. Diese entbinden Auftraggeber und Konzessionsgeber aber nicht, bei Verhängung einer Vergabesperre den Einzelfall im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.

43– Die Aufhebung eines Vergabeverfahrens steht unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit und setzt daher eine ausreichende Aufklärung des Sachverhalts voraus.48

44– Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lässt sich auch ableiten, dass die Vergabe-Nachprüfungsinstanzen das Vergabeverfahren bei Feststellung eines Vergaberechtsverstoßes nur soweit zurückversetzen dürfen, wie es zur Behebung des Vergaberechtsverstoßes erforderlich ist.49

45Die dargestellten Beispiele machen deutlich, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vom Wirtschaftlichkeitsgrundsatz beeinflusst wird. Sowohl Auftraggeber und Konzessionsgeber als auch Unternehmen können unwirtschaftliche Anforderungen im Vergabeverfahren zurückweisen. Oftmals wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bezüglich der Unternehmen durch Spezialvorschriften, wie z. B. die §§ 121 ff. GWB, konkretisiert. Weniger Konkretisierungen finden sich dagegen zu den die Auftraggeber und Konzessionsgeber treffenden Verpflichtungen. Diese können jetzt – gestützt auf den nunmehr gesetzlich normierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – unverhältnismäßige Anforderungen im Vergabeverfahren (z. B. Aufklärung negativer Referenzen, Aufklärung einer sehr großen Anzahl von Referenzen, Aufklärung sehr unklarer Angebote, Anzahl der Verhandlungsrunden im Verhandlungsverfahren etc.) zurückweisen.

2.Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in den Vergabeordnungen

46In den Vergabeordnungen findet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in § 2 Abs. 1 Satz 2 VOB/A und § 2 EU Abs. 1 Satz 2 VOB/A sowie in § 2 Abs. 2 Satz 2 UVgO Erwähnung.

3.Verstöße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

47Siehe hierzu die Beispiele aus der Rechtsprechung oben unter 1. und die Kommentierung von § 127 GWB.

V.Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 GWB)

1.Inhalt und Reichweite

48Der Gleichbehandlungsgrundsatz gehört zu den elementaren Prinzipien des Vergaberechts. Er ist in allen Phasen des Vergabeverfahrens zu beachten.50 Er stellt sicher, dass die Vergabeentscheidungen auf sachliche und willkürfreie Erwägungen gestützt werden.51

Er findet sich sowohl im deutschen Verfassungsrecht (Art. 3 GG) als auch im primären und sekundären Gemeinschaftsrecht (Art. 18, 34 ff., 49 ff. und 56 ff. AEUV). Auftraggeber sind damit grundsätzlich zur Gleichbehandlung aller Bieter verpflichtet. Eine Ungleichbehandlung darf nur erfolgen, wenn es dafür eine gesetzliche Grundlage oder einen sachlichen und willkürfreien Grund gibt.

49Danach ist vor allem eine offene oder versteckte Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit unzulässig. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 97 Abs. 2 GWB gilt aber nicht nur für Unternehmen aus dem Inland und den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, sondern auch für Unternehmen aus Drittländern.52 § 97 Abs. 2 GWB ist damit strenger als die europarechtlichen Vorgaben.

50Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Eine Benachteiligung einzelner Bieter ist dann zulässig, wenn sie aufgrund des GWB ausdrücklich geboten oder gestattet oder durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Folglich kann der Gleichbehandlungsgrundsatz durch das GWB selbst oder aufgrund des GWB eingeschränkt werden. Eine von Gesetzes wegen geltende Einschränkung stellt z. B. die Mittelstandsklausel in § 97 Abs. 4 GWB dar. Eine weitere zulässige Benachteiligung enthält die Drittlandsklausel in § 55 SektVO, wonach Sektorenauftraggeber bei Lieferaufträgen Angebote zurückweisen können, deren Warenanteil zu mehr als 50 % aus Ländern stammt, mit denen keine vertraglichen Absprachen bezüglich des gegenseitigen Marktzugangs bestehen.

2.Der Gleichbehandlungsgrundsatz in den Vergabeordnungen

51Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt gem. § 2 Abs. 2 VOB/A und § 2 Abs. 2 UVgO auch bei Unterschwellenvergaben. Die Aufführung in § 2 Abs. 2 UVgO VOB/A ist nur deklaratorischer Natur.

3.Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz

52Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet z. B. folgende Verhaltensweisen:

53– Die Bevorzugung einzelner Bieter bei der Preisgabe von Informationen.53 Es darf zu keiner Wettbewerbsverzerrung durch einen Informationsvorsprung einzelner Bieter kommen;54 werden Fragen einzelner Bieter durch die Vergabestelle beantwortet, sind die Fragen und Antworten auch den anderen Bietern mitzuteilen.55

54– Den Ausschluss von verbundenen Unternehmen, wenn diese nachgewiesen haben, dass sie jedenfalls im konkreten Vergabeverfahren miteinander konkurrieren und den Grundsatz des geheimen Wettbewerbs beachten.56

55– Die Diskriminierung von Marktteilnehmern wegen ihrer Herkunft oder Staatsangehörigkeit.

56– Die ausschließliche Berücksichtigung oder Bevorzugung örtlicher Unternehmen57 oder die Forderung nach regionalen Nachweisen.58

57– Die unterschiedliche Behandlung unvollständiger Angebote.59

Kein diskriminierendes Verhalten liegt dagegen in folgenden Fällen vor:

58– Die „Abschichtung“ von Bietern im Verhandlungsverfahren. Die Effizienz des Verfahrens rechtfertigt es, weniger wirtschaftliche Angebote sukzessiv zurückzustellen.60 Dies ist nunmehr in § 18 VgV, § 13 Abs. 3 KonzVgV und § 3b EU Abs. 3 VOB/A ausdrücklich geregelt, gilt aber in allen Vergabeverfahren.

59– Die Beteiligung eines sog. Projektanten61. Auch dies ist nunmehr ausdrücklich geregelt, vgl. § 7 VgV, § 10 Abs. 2 VSVgV, § 7 SektVO und § 6 EU Abs. 3 Nr. 4 VOB/A.

60Alle aufgeführten Beispiele sind bei Unterschwellenvergaben entsprechend anwendbar.

4.Prozessuale Bedeutung

61Der Gleichbehandlungsgrundsatz hat besondere prozessuale Bedeutung, wenn ein vom Vergabeverfahren ausgeschlossener Bieter der Auffassung ist, dass der Auftraggeber auch alle anderen Bieter vom Vergabeverfahren hätte ausschließen müssen. In diesem Fall kann der Bieter im Nachprüfungsverfahren geltend machen, dass eine Verpflichtung des Auftraggebers zum Ausschluss aller Angebote besteht und er infolgedessen zur Aufhebung des Vergabeverfahrens verpflichtet ist. Hat der Bieter mit seinem Nachprüfungsantrag Erfolg, erhält er in einem neuen Vergabeverfahren eine neue Zuschlagschance.62

VI.Berücksichtigung von Aspekten der Qualität und der Innovation sowie sozialer und umweltbezogener Aspekte (§ 97 Abs. 3 GWB)

62Die Stärkung der Möglichkeiten zur strategischen Beschaffung – die im deutschen Vergaberecht früher etwas despektierlich, aber nicht ganz unzutreffend als „vergabefremde Aspekte“ bezeichnet wurden – war eine der wesentlichen politischen Ziele der EU beim Erlass der Vergaberichtlinien 2014.63 § 97 Abs. 3 GWB schafft hierfür die gesetzliche Grundlage im deutschen Vergaberecht. Auch § 97 Abs. 3 GWB kann bei Unterschwellenvergaben entsprechend herangezogen werden.

63Anders als die Grundsätze in § 97 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 GWB enthält § 97 Abs. 3 GWB keinen echten materiellen Grundsatz, sondern lediglich einen Programmsatz. Auftraggeber und Konzessionsgeber können qualitative, soziale umwelt­bezogene oder innovative Aspekte einbeziehen, müssen dies aber grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt nur bei der Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Waren oder die Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen bei der Definition der Leistung, wo Auftraggeber und Konzessionsgeber zwingende untergesetzliche Vorgaben beachten müssen. Im Übrigen enthält § 97 Abs. 3 GWB lediglich einen Hinweis auf die den Auftraggebern und Konzessionsgebern eingeräumten Möglichkeiten, deren Schranken durch die Vorschriften des 4. Teils des GWB und der auf der Grundlage des GWB erlassenen untergesetzlichen Vorschriften näher bestimmt werden. Da die in § 97 Abs. 3 GWB genannten Aspekte nur „nach Maßgabe dieses Teils“ berücksichtigt werden, kommt der Vorschrift keine eigene materielle Bedeutung zu.

VII.Grundsatz der Berücksichtigung mittelständischer Interessen (§ 97 Abs. 4 GWB)

1.Inhalt und Reichweite

64a) Allgemeines. § 97 Abs. 4 GWB soll – unter Inkaufnahme einer Beschränkung der Beschaffungsfreiheit der Auftraggeber – die Berücksichtigung mittelständischer Interessen sicherstellen. Normzweck ist die Stärkung des Mittelstandsschutzes im Vergaberecht. Er wurde im Zuge der Vergaberechtsreform 2016 nicht verändert, sondern ist mit § 97 Abs. 3 GWB a. F. identisch. Sämtliche Entscheidungen und sämtliche Literatur zu § 97 Abs. 3 GWB a. F. sind daher eins zu eins auf § 97 Abs. 4 GWB n. F. übertragbar.

65Mit der Verpflichtung zur Losvergabe sollen die Nachteile, die dem Mittelstand bei der Vergabe von Großaufträgen infolge mangelnder Leistungsfähigkeit entstehen können, ausgeglichen werden.64

66Nach § 97 Abs. 4 Satz 4 GWB müssen öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber (nicht aber Konzessionsgeber) Unternehmen, die nicht selbst öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber sind, aber von ihnen mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut werden, verpflichtet werden, bei der Vergabe von Unteraufträgen an Dritte ebenfalls nach § 97 Abs. 4 Satz 1 bis 3 GWB zu verfahren. Damit können auch Privatunternehmen zur Beachtung des Grundsatzes der Losaufteilung verpflichtet werden, was vor allem im Rahmen von PPP-Konstellationen relevant werden kann. Die Verpflichtung trifft die Privatunternehmen nicht schon von Gesetzes wegen, sondern erst dadurch, dass der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber sie entsprechend verpflichtet. Hat der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber es unterlassen, eine entsprechende Verpflichtung auszusprechen, so verhält sich das Unternehmen nicht rechtswidrig und kann sich infolgedessen auch nicht schadensersatzpflichtig machen. Diese Schadensersatzpflicht dürfte hingegen eher theoretischer Natur sein, da die benachteiligten Unternehmen nicht in der Lage sein werden, einen Schaden nachzuweisen. Benachteiligten Unternehmen dürfte daher allenfalls die Möglichkeit der Beschwerde beim öffentlichen Auftraggeber selbst oder dessen Aufsichtsbehörde bleiben.

67Ein genereller Auslegungsgrundsatz, dass Normen im Zweifel im Sinne der Mittelstandsförderung auszulegen sind, kann aus § 97 Abs. 3 GWB nicht abgeleitet werden.65 Die Mittelstandsförderung erfolgt allein durch Losaufteilung und nicht dadurch, dass mittelständische Unternehmen generell gegenüber anderen Unternehmen bevorzugt werden sollten.

68b) Voraussetzungen. § 97 Abs. 4 GWB enthält mit „mittelständische Interessen“ und „vornehmlich“ zwei auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe.

69Eine verbindliche rechtliche Definition des Mittelstandsbegriffs gibt es nicht. Die Europäische Kommission hat in ihrer Empfehlung vom 6.5.2003 Angaben dazu gemacht, wann aus ihrer Sicht ein kleines oder mittleres Unternehmen vorliegt. Danach ist ein Unternehmen als kleines Unternehmen anzusehen, wenn es weniger als 50 Personen beschäftigt und sein Umsatz 10 Mio. Euro nicht übersteigt; ein mittleres Unternehmen liegt vor, wenn es weniger als 250 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von maximal 50 Mio. Euro oder eine Jahresbilanzsumme von maximal 43 Mio. Euro hat.66 Obwohl die Orientierung an europäischen Empfehlungen zu einheitlichen Ergebnissen in den Mitgliedstaaten führen könnte, spricht die Tatsache, dass unterschiedliche Verhältnisse auf den einzelnen vom Vergaberecht erfassten Teilmärkten vorherrschen, gegen eine rein quantitative Definition des Mittelstands. Die Einordnung ist vielmehr nach dem Einzelfall unter Berücksichtigung der Struktur des jeweiligen Markts vorzunehmen. Bei dieser Einzelfallanalyse sind Faktoren wie die Zahl der Marktteilnehmer, Umsatzgröße, Beschäftigtenanzahl, Finanzkraft und andere Merkmale zu berücksichtigen.67

70Die Berücksichtigung des Mittelstands soll durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose gewährleistet werden. Unter Fachlosen versteht man die Aufteilung der Gesamtlose in die einzelnen Fachgebiete. Die Abgrenzung findet nach gewerberechtlichen Vorschriften oder sonstigen allgemein üblichen Abgrenzungen statt. Bei Teillosen erfolgt eine mengenmäßige oder räumliche Unterteilung der Gesamtleistung.

2.Die Berücksichtigung mittelständischer Interessen in den Vergabeordnungen

71Die Pflicht zur Losaufteilung gilt auch im Unterschwellenbereich, vgl. § 5 VOB/A und § 22 UVgO.

3.Verstöße gegen den Grundsatz der Berücksichtigung mittelständischer Interessen

72Vergaberechtswidrig ist eine als Mittelstandsförderung bezeichnete Maßnahme dann, wenn es sich tatsächlich um verdeckte Strukturpolitik auf lokaler oder regionaler Ebene handelt und diese zu einer Ungleichbehandlung anderer Bieter führt.68

73Die größte praktische Relevanz kommt der Frage zu, wann vom Grundsatz der Losvergabe abgewichen werden darf. Der Auftraggeber muss hierfür besondere wirtschaftliche oder technische Gründe nachweisen. Diese Nachweise müssen über allgemeine Angaben hinausgehen und eine einzelfallbezogene Abwägung69 zwischen den verschiedenen Interessen vorweisen können; ferner sind sie in der Dokumentation aktenkundig zu begründen.70 Insoweit wird das Gebot der Losvergabe durch das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Beschaffungsfreiheit des Auftraggebers eingeschränkt.71

74Nach § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB dürften mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben werden dürfen, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern (Gesamtvergabe). Im Hinblick darauf, ob wirtschaftliche oder technische Gründe vorliegen, kommt dem Auftraggeber ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu (Entscheidungsprärogative).72 Die Vergabe-Nachprüfungsinstanzen dürfen nur prüfen, ob der Auftraggeber bei seiner Einschätzung die rechtlichen Grenzen des ihm zustehenden Spielraums überschritten hat. Beanstandet werden können infolgedessen lediglich Gesamtvergaben, die ohne Vornahme der gebotenen Abwägungen nicht mehr vertretbar sind und auf einer groben Fehleinschätzung beruhen.73

75Schon begründete Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte können ausreichen, um von der Losvergabe abzusehen.74 Als wirtschaftlicher Grund reicht z. B. die Ein­sparung von Gemeinkosten durch die gemeinsame Nutzung von Betriebseinrichtungen.75 Im Hinblick auf die technischen Gründe ist die bautechnische ­Koppelung benachbarter Baukörper76 oder die Verkehrssicherheit bei Straßenbauarbeiten77 zu nennen. Wegen des statuierten „Regel-Ausnahme“-Prinzips ist der jeweilige Einzelfall entscheidend.78

76Bloße Koordinationsschwierigkeiten, die leichtere Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen oder Mehraufwand im Vergabeverfahren reichen dagegen nicht aus, um vom Gebot der Losvergabe abzuweichen.79 Eine Abweichung kommt aber in Betracht, wenn die zusammenfassende Wertung eines Angebots auf mehrere Lose zu einem wirtschaftlicheren Angebot führt. An das Abweichen vom Grundsatz der Teil- oder Fachlosvergabe sind strenge Anforderungen zu stellen.

77Die Vergabe an Generalunternehmer oder Generalübernehmer kann stets einen potentiellen Verstoß gegen das Gebot der Losvergabe darstellen80; diese Fälle bedürfen daher einer besonders sorgfältigen Begründung, warum technische oder wirtschaftliche Gründe sie erfordern (vgl. § 97 Abs. 4 GWB). Er darf sich dabei nicht auf Umstände berufen, die typischerweise mit einer losweisen Vergabe verbunden sind, wie z. B. die Ersparnis von kosten- und zeitaufwändigen Vergabeverfahren bezüglich der Lose sowie die Vielzahl potentieller Gewährleistungsgegner oder den erhöhten Koordinierungsaufwand bei der Vertragsabwicklung.81 Eine Gesamtvergabe aus wirtschaftlichen Gründen kann insbesondere zulässig sein, wenn es ansonsten zu einer unverhältnismäßigen Zersplitterung des Auftrags käme oder es im Fall einer losweisen Vergabe zwangsläufig zu nicht unerheblichen Bauzeitverzögerungen gekommen wäre.82 Technische Gründe können eine Gesamtvergabe etwa dann rechtfertigen, z. B. wenn aus technischen Gründen nur eine einzige Abnahme sinnvoll ist, benachbarte Baukörper bautechnisch gekoppelt werden sollen sowie bei Erzielung von Synergie- und Beschleunigungseffekten.83 Nach der Rechtsprechung des EuGH84 dürfen sich auch Generalübernehmer, d. h. Auftragnehmer, die die Leistung nicht mit eigenen Mitteln, sondern vollständig durch Subunternehmer erbringen, am Vergabeverfahren beteiligen; die Forderung eines Eigenleistungsanteils galt bis zur Vergaberechtsreform 2016 als europarechtlich unzulässig.85

78Seit der Vergaberechtsreform 2016 ist die Forderung eines Eigenleistungsanteils (wieder) zulässig. Nach § 47 Abs. 5 VgV, § 47 Abs. 5 SektVO und § 6d EU Abs. 4 VOB/A können Auftraggeber vorschreiben, dass bestimmte kritische Aufgaben direkt vom Bieter selbst oder im Fall einer Bietergemeinschaft von einem Teilnehmer der Bietergemeinschaft ausgeführt werden müssen. Da die deutschen Vorschriften auf entsprechenden Richtlinienvorschriften beruhen, sind sie europarechtlich unbedenklich. Wenn derartige Anforderungen schon im Oberschwellenbereich zulässig sind, werden sie Auftraggebern bei Unterschwellenvergaben nicht verwehrt werden können. § 26 Abs. 6 UVgO gibt Auftraggebern nunmehr soweit die Möglichkeit, Bietern ein unbeschränktes Selbsterbringungsgebot vorzuschreiben.

79§ 97 Abs. 4 GWB steht einer Bündelung von Aufträgen durch den Auftraggeber grundsätzlich nicht entgegen.86 Sie ist erst dann zu beanstanden, wenn ein kartellrechtliches Verbot samt Verstoß i. S. d. § 156 Abs. 2 GWB führt. Selbstverständlich muss auch bei einer Bündelung von Aufträgen wiederum der Grundsatz der Losaufteilung berücksichtigt werden.

4.Bieterschutz

80§ 97 Abs. 4 GWB ist grundsätzlich bieterschützend.87 Ob sich auch große Unternehmen auf die Verpflichtung des Auftraggebers zur Losaufteilung berufen können, ist umstritten: Während das OLG Düsseldorf88 zunächst davon ausging, dass die Grundsätze der Losvergabe als Ausprägung des Wettbewerbs- und Wirtschaftlichkeitsgebots auch von größeren Unternehmen geltend gemacht werden können, hat es diese Möglichkeit in einer neueren Entscheidung mit Bedenken ausdrücklich offengelassen.89 Die Bedenken des OLG Düsseldorf sind teilweise nachvollziehbar. Es ist nur schwer einzusehen, warum große Unternehmen sich auf eine Vorschrift berufen können sollten, die dem Schutz kleinerer und mittlerer Unternehmen dient. Andererseits haben die VK Baden-Württemberg und die VK Sachsen zu Recht darauf hingewiesen, dass jedenfalls die Fachlosvergabe nicht ausschließlich mittelständischen Interessen, sondern auch der Wettbewerbsförderung, Gleichbehandlung und Erhaltung eines weit gestreuten Markts dient.90 Im Ergebnis dürfte § 97 Abs. 4 GWB daher nur partiell bieterschützend sein: kleinere und mittlere Unternehmen können sich sowohl auf eine unterbliebene Teillosvergabe als auch auf eine unterbliebene Fachlosvergabe berufen, große Unternehmen dagegen nur auf eine unterbliebene Fachlosvergabe.

VIII.Grundsatz der E-Vergabe (§ 97 Abs. 5 GWB)

81§ 97 Abs. 5 GWB enthält den Grundsatz der elektronischen Kommunikation in Vergabeverfahren gem. Art. 29 Abs. 1 KVR, Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 VRL und Art. 40 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 SRL. Danach sollen sowohl Auftraggeber und Konzessionsgeber als auch Bieter bei Oberschwellenvergaben grundsätzlich elektronische Mittel nutzen. Die Nutzung elektronischer Mittel wird spätestens zum 18.10.2018 zwingend.91

82§ 97 Abs. 5 GWB geht über das Richtlinienrecht hinaus, als nicht nur das Senden, Empfangen und Weiterleiten von Daten in einem Vergabeverfahren elektronisch erfolgen muss, sondern grundsätzlich auch das Speichern von Daten. Dies bedeutet, dass auch die Dokumentation in elektronischer Form zu erfolgen hat. Allerdings muss dabei die Forderung der Rechtsprechung nach fortlaufender und zeitnaher Dokumentation erfüllt werden.92 Noch weitgehend ungeklärt ist, wie in Nachprüfungsverfahren die Übermittlung der Vergabeakte an die Vergabekammer zu erfolgen hat. Als Folgeproblem stellt sich die Frage der Gewährung der Akteneinsicht durch die am Nachprüfungsverfahren Beteiligten.

83Wie auch § 97 Abs. 3 GWB enthält § 97 Abs. 5 GWB grundsätzlich nur einen Programmsatz, der nach Maßgabe der aufgrund § 113 GWB erlassenen Verordnungen näher ausgestaltet wird. Allerdings enthält § 97 Abs. 5 GWB – insoweit anders als § 97 Abs. 3 GWB – keine bloße Möglichkeit der Auftraggeber, sondern (jedenfalls ab 18.10.2018) eine echte Pflicht. Auftraggeber müssen diese Pflicht bei der Auslegung der Vorschriften zur E-Vergabe in den Verordnungen berücksichtigen, Vergabe-Nachprüfungsinstanzen können sie zur Auslegung dieser Vorschriften heranziehen.

84Bezüglich der Einzelheiten der E-Vergabe wird auf die Kommentierungen der Vorschriften zur elektronischen Kommunikation in den untergesetzlichen Regelwerken verwiesen, insbesondere die Kommentierung zu §§ 9–13 VgV sowie die Kommentierung zu §§ 9–12 SektVO, §§ 7–11 KonzVgV und §§ 11–11b EU VOB/A.

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