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2 Das Accouchirhospital Am Heiligen Kreuz

Vom Entbindungshospital zur Gaststätte

Um 1785: Eine einfache junge Frau, ein Mädchen noch, alleinstehend, ledig und – schwanger. Sie irrt ängstlich durch die engen Gassen Celles und sucht die neue Gebäranstalt, in der sie in wenigen Wochen ihr Kind zur Welt bringen will. Das zurückgesetzte Haus mit der Backsteinfassade ist düster und dunkel, die Unterkünfte für die Schwangeren sind dürftig. Aber das Haus besitzt einen eigenen Gebärraum. Die junge Frau weiß, es bleiben nur Heimlichkeit, die Gosse oder dieses Haus. Woanders hat sie keine Möglichkeit zu entbinden. Doch hier, so hat sie gehört, kann sie einige Zeit trocken und warm wohnen, hier erhält sie Kost, Logis und einige Münzen in Form des Wochengeldes sowie das teure Taufgeld – ein Thaler und zehn Groschen sind es und in zwei Raten ausbezahlt.

Für Unterkunft und diskrete Entbindung muss sie dafür den angehenden Doktoren Wundärzten, Chirurgen, Anatomen und Hebammen nun Tag und Nacht zur Verfügung stehen. Meldet sie nach Aufnahme die Geburt zu spät an oder will sie gar heimlich in der eigenen Kammer entbinden, hat sie mit empfindlichen Strafen zu rechnen. Doch auch ohne Strafe drohen der Schwangeren bald qualvolle Stunden und Tage, schließlich sind die meisten Mädchen, die hilfesuchend vor der Tür stehen, nur „gefallene Dinger“, Pack von der Straße und kaum den Lohn wert, den sie bekommen. Ihr eigentlicher Preis für die Doktoren ist nur ihr geschwollener Leib.

Verfügbar sein, den gewölbten Bauch für Anschauungszwecke zur Schau stellen und die Demütigungen dabei stumm erdulden, das alles diente einem höheren Zweck – dem Unterricht in lebendiger Lehre. Ziel war es für die angehenden Studiosi und Hebammen, die Geburtshilfe in situs zu erlernen, Untersuchungen und Praktiken zu üben (oftmals mit schmutzigen Fingern, die Lehre über Sepsis und Asepsis von Semmelweis, später „Retter der Mütter“ genannt, war noch nicht bekannt) .

Unterzeichnet wurde die „Verordnung wegen des künftigen Unterrichts der für das Fürstenthum Lüneburg bestimmten Hebammen im Cellischen Accouchir-Hospital“ im St. James-Palast in London am 06. 08. 1784 von König Georg III. höchst persönlich. Gegründet hatte das Hospital einst der Arzt Johann Daniel Scheller, als dessen Direktor er auch 53 Jahre lang wirkte. Zudem war Scheller Gründer und Leiter des „Collegium Anatomico Chirurgicum“, siehe auch S. 192.

Mitten in der Altstadt liegt das „Accouchir-Hospital“ (französisch: accoucher = entbinden) heute noch. Es hat eine sehr bewegte Vergangenheit und ist doch den meisten nur durch die jüngere Zeit als Bierkneipe „Hannenfass“ oder italienisches Bistro bekannt, denn durch die Medizingeschichte, die es einst geschrieben hat. Scheller bekundete übrigens in seinem 52. Amtsjahr die 3832. Entbindung in dritter Frauengeneration durch seine Hand.


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