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3.5.1 Aktionsorientierung (Active Searching/Sourcing)

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Neben den obigen Beispielen des Guerilla Recruitings sind Mitarbeiterempfehlungen und Talentdatenbanken zwei Wege, um selbst aktiv zu werden:

Referrals, also die Anwerbung von Bekannten, Freunden und Verwandten der eigenen Mitarbeiter, waren in der Vergangenheit mit dem Makel der Vetternwirtschaft eher negativ behaftet. In einer etwas veränderten Form ist die Nutzung der Kontakte von Mitarbeitenden heute (wieder) en vogue. Es ist damit nicht mehr nur die Einstellung von Kukis (Kundenkindern) und Mikis (Mitarbeiterkindern) gemeint, sondern die aktive Weiterleitung von Stellenanzeigen an Mitarbeiter, die als Multiplikatoren dienen (vgl. Trost & Berberich, 2012, S. 26 ff.). Viele Kontakte gibt es auf der persönlichen Ebene, noch mehr meist auf der virtuellen Ebene. Gerade in sozialen und Business-Netzwerken lässt sich eine Stellenanzeige über die eigenen Mitarbeiter zielgenau verbreiten. Folgende Aspekte können hier als Vorbedingung gelten:

• Die Mitarbeiter müssen so zufrieden mit ihrer Tätigkeit und dem Unternehmen sein, dass sie ihren Arbeitgeber überhaupt weiterempfehlen wollen.

• Eine frühzeitige Information über vakante Positionen sowie die Möglichkeit, diese ohne großen Aufwand auch extern weiterzuleiten.

• Wissen darüber, dass Empfehlungen vom Arbeitgeber ausdrücklich gewünscht sind.

Neben »Referrals« oder »Mitarbeiterempfehlungsprogrammen« hat sich der Begriff »Recruit/refer a friend«, etabliert. Die Idee ist, dass sich Mitarbeiter Gedanken machen, wer aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zur Kultur des Unternehmens und zum Stellenprofil passen könnte, was viele Vorteile bietet, aber auch Nachteile mit sich bringen kann, wie Tabelle 3.6 zusammenfasst.

Tab. 3.6: Vorteile und Gefahren von Referrals


VorteileGefahren

Verschiedene Anbieter offerieren spezifische Software, um den Prozess eines Mitarbeiterempfehlungsprogramms digital abzubilden. Dazu gehören Anbieter wie firstbird oder Talentry, die über eine Social Media-Integration für alle gängigen Anbieter (Facebook, Twitter, LinkedIn oder XING) verfügen. Über diese Anbindung können Mitarbeiter die offenen Stellen mit allen oder bestimmte Personen ihres jeweiligen Netzwerks teilen. Eine Vermittlungsprovision kann hier zusätzlichen Anreiz bieten, aktiv zu werden. Dabei muss nicht unbedingt eine Prämie fließen, die voll zu versteuern ist. Andere Möglichkeiten sind Gutscheine oder zusätzliche Urlaubstage.

Insbesondere mit Blick auf Einstiegspositionen bietet es sich für größere Unternehmen an, eine eigene Talentdatenbank aufzubauen, zu pflegen und zu nutzen. Erfolgreich nutzt solche Pools bereits seit Jahren Porsche mit »Pole Position«. Man spricht dann auch von Bewerber oder Talent Relationship Management, kurz BRM bzw. TRM (vgl. Trost, 2012, S. 1). Ein solches besteht aus verschiedenen Elementen (vgl. Geke & Eisele, 2003, S. 75):

• Zentral ist eine Datenbank mit hochqualifizierten Kandidaten, der Bewerber bzw. Talent Pool. In den Talent Pool gelangen Initiativbewerber und Kandidaten, die aus einem konkreten Prozess ausgeschlossen wurden, aber für andere, zukünftige Positionen im Unternehmen als potenziell interessant eingestuft wurden. Daneben umfasst er auch ehemalige, von der Fachabteilung empfohlene Praktikanten, Werkstudierende und Thesenbearbeiter, Stipendiaten des Unternehmens sowie ehemalige Mitarbeiter (vgl. Bruckner, 2008, S. 31 und Dewitz, 2006).

• Wichtig sind geeignete Suchfunktionen oder eine Funktion zum Matching, also ein Abgleich von Profilen und offenen Stellen anhand von geeigneten Kriterien. Auch ein individueller Stellenmarkt (z. B. mit Auslandspraktika für ehemalige Inlandspraktikanten) und Einblick in den Status aktiver Bewerbungen gehören dazu.

• Attraktiv für die Bewerber wird ein BRM bzw. TRM durch Services (wie Shops mit Produkten des Unternehmens zu günstigen Konditionen, Zugang zu unternehmensinternen Datenbanken, wie Bibliotheken, Linklisten fürs Studium oder Mitarbeiterzeitschriften). Darüber hinaus sollten in Foren Fragen an Unternehmensvertreter gestellt und Chats mit Personalverantwortlichen zu aktuellen Themen des Personalmanagements geführt werden können. Etwas individueller sind Geburtstagsgrußkarten, Paten- oder Mentoringprogramme. Kostenintensiv, aber attraktiv sind auch Einladungen zu firmeninternen Veranstaltungen mit Unternehmensvertretern. Im Idealfall sind die Services adaptiv und lassen sich nicht nur zielgruppengerecht, sondern individuell anpassen.

Diese Zielgruppenorientierung der Beziehungspflege ist sehr wichtig. Im Zentrum wird hier regelmäßig die Kontaktpflege zu Praktikanten sowie zu ehemaligen Mitarbeitern stehen, mit denen der engste Kontakt bestand und auch weiter bestehen sollte. Dagegen ist für die Zielgruppe der Initiativbewerber ein eher loser Kontakt angemessen. Inhaltlich das Wichtigste ist letztlich die bevorzugte Ansprache von Poolmitgliedern bei der Besetzung möglicher Stellen. Eigene Bewerber- bzw. Talentdatenbanken bieten sich mit Blick auf Berufsanfänger und größere Unternehmen an, da hier ein konstanter Bedarf zu decken ist. Die Kandidaten sind in diesem Fall bereits mit dem Unternehmen vertraut und vorab ausgewählt. Dies ist bei der Nutzung von anderen Datenbanken, allen voran Business Netzwerken oder Jobbörsen, nicht der Fall. Dennoch ist auf engen Arbeitsmärkten die aktive Suche und Direktansprache, auch Active bzw. Social Sourcing genannt, durch Unternehmen selbst oder externe Dienstleister immer mehr im Kommen (vgl. Müller, 2017, S. 272 f.).

Der Active Sourcing-Prozess besteht aus drei Phasen:

• Wahl der Datenbank(en) und des Sourcing-Kanals,

• Kandidatensuche und

• Kandidatenansprache.

Hierbei sind zunächst die Zielgruppe und bevorzugte Kanäle zu recherchieren. Auf dieser Grundlage wird der Sourcing-Kanal gewählt. In Lebenslaufdatenbanken von Jobbörsen wird man hauptsächlich auf aktive Jobsuchende treffen. Nicht zu vergessen ist eine eventuell vorhandene unternehmensspezifische Lebenslaufdatenbank wie vorstehend kurz beschrieben. Im Gegensatz zu Lebenslaufdatenbanken sind die Profile in Karrierenetzwerken keine klassischen Bewerber-Lebensläufe und dienen nicht vorrangig dem Ziel eine Stelle zu finden. Sie bieten Möglichkeiten, sich beruflich aktiv auszutauschen, zu vernetzen und individuell darzustellen sowie ggf. aktiv Einfluss auf Meinungsbildungsprozesse zu nehmen. Hierbei haben sich Karrierenetzwerke hauptsächlich auf die Arbeitnehmergruppe der akademischen Fachkräfte spezialisiert, welche überwiegend zu den passiven Kandidaten zählen. Obwohl Karrierenetzwerke nicht primär der Stellensuche und -besetzung dien(t)en, werden diese zunehmend von beiden Seiten dafür genutzt. Vor diesem Hintergrund bieten XING und LinkedIN nicht nur besondere Erfolgschancen im Active Sourcing, sondern mit dem »XING TalentManager« und dem »LinkedIN Recruiter« auch entsprechend (kostenpflichtige) Tools der Suche und Ansprache. Dabei ist das Preisleistungsverhältnis von XING vorzuziehen, wenn die Firma hauptsächlich oder ausschließlich im DACH-Raum rekrutiert. Anders, wenn ein Unternehmen auch international rekrutieren möchte, an LinkedIN kommt man hier nicht vorbei (vgl. Ullah et al., 2017, S. 79 ff.).

Im gewählten Sourcing Kanal erfolgt dann die eigentliche Recherche nach möglichen Kandidaten, die Kandidatensuche. Recruiter sollten in der entsprechenden Datenbank geschult sein, um effizient und erfolgreich Kandidaten aufzuspüren (vgl. Ullah et al., 2017, S. 41 ff.). Kann oder will ein Unternehmen die Suche nicht eigenständig stemmen, etablieren sich, neben der Personalberatung und -vermittlung, mittlerweile auch Sourcinganbieter, die ausschließlich diesen Schritt übernehmen.

Die Kandidatenansprache liegt dann wieder beim Unternehmen (vgl. Ullah et al., 2017, S. 67 ff.). Der wichtigste Aspekt einer Ansprache ist, dass der Kandidat sich von der Art und Weise, wie das Unternehmen mit ihm in Kontakt tritt, individuell abgeholt fühlt. Das kann auch über eine telefonische Ansprache erfolgen, wenn das Profil sehr spezifisch ist und die Person signalisiert hat, dass sie dafür offen ist. In den meisten Fällen wird es allerdings eine Nachricht sein, die entsprechend einladend aufbereitet sein muss. Dazu gehört ein aussagekräftiger Betreff, ein individueller Bezug auf das Profil des Kandidaten sowie Hinweise auf besondere Leistungen und die Aufforderung in Kontakt zu treten. Fachkräfte, Spezialisten und vor allem Führungskräfte werden entweder so oder über Personalberater und Headhunter akquiriert, worauf später eingegangen wird.

Eine weitere Möglichkeit Vakanzen zu füllen bietet sich mit Zeitarbeit und Interimsmanagement. Dabei sind die Arbeitnehmer vertraglich beim Leiharbeitsunternehmen gebunden, werden jedoch in den Entleihbetrieb integriert. Auch diese Möglichkeit wird nachfolgend noch betrachtet. Zunächst wird jedoch ein kurzer Blick auf die Alternative geworfen, Aufgaben nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern in anderen Konstellationen bearbeiten zu lassen.

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