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3.3.2 Von der «Kirche für das Volk» zur «Kirche des Volkes»

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Die gegenwärtige Wirklichkeit der Volkskirche entspricht nach Bäumler keinesfalls dem intendierten Leitbild – dies zu behaupten wäre eine Illusion oder gefährliche Ideologie. Sie sei vielmehr durch eine pastorale Grundstruktur geprägt, in der neben bürokratischer und hierarchischer Organisation vor allem das «Ein-Mann-Prinzip» und die «Ein-Weg-Kommunikation» vorherrschen.[465] Diese Struktur helfe der Kirche zwar, die von der Mehrheit der Gemeindegliedern erwünschten Funktionen wie Sinnvermittlung (Unterricht) und Lebenshilfe in Krisensituationen (Kasualien) zu erfüllen, die Realisierung der «Gemeinde der Befreiten» in Kerygma, Koinonia und Diakonia als wünschenswerte Funktion werde dadurch aber mehr gehindert als gefördert. Der Pfarrer bleibe in der Schlüsselrolle, die Laien werden entmündigt und bleiben in der «Konsumentenrolle passiver Beteiligung»[466]. Die Strukturen der Gemeinden seien daher in Richtung einer «geistlichen Kommunikationsgemeinschaft»[467] zu verändern, durch die die wünschenswerten Funktionen besser wahrgenommen werden können. Durch kommunikative Gemeindepraxis müsse ein Transformationsprozess angeregt werden, in dem aus der «Betreuungskirche» eine «Beteiligungskirche», aus der «Kirche für das Volk» eine «Kirche des Volkes» werde.[468] Bäumler wendet sich dabei aber kritisch gegen die Gemeindeaufbaukonzeption «Kirche für andere», deren Kirchenreform auf eine vollständige Ablösung der Betreuung durch Beteiligung ziele. Derartige Versuche entbehren der «Menschenfreundlichkeit, die das Bedürfnis nach Entlastung und Betreuung ernst nimmt»[469]. Es gehe vielmehr um eine dialektische Vermittlung von Beteiligung und Betreuung: Die Betreuung soll um der Beteiligung willen erfolgen:

«Jedes Glied der Gemeinde soll sich beteiligen, die Gemeinde als seine eigene Sache ansehen können. Jedes Glied der Gemeinde soll aber auch, insbesondere in Krisen seiner Lebensgeschichte, Angebote der Betreuung in der Gemeinde in Anspruch nehmen können.»[470]

In der «Gemeinde der Befreiten» habe der Pfarrer nicht mehr die Funktion des Generalisten, sondern sei als «Moderator» im offenen Diskurs der Gemeinde «eine selbständige Person unter selbständigen Personen».[471] Als Kernbestand seines beruflichen Selbstkonzeptes solle er kommunikative Kompetenz entwickeln. Seine Professionalität werde dann gerade darin bestehen, «die Möglichkeit für die Subjektwerdung der Gemeindeglieder» zu schaffen, d.h. «das durch Taufe begründete, potentielle Subjektsein der Gemeindeglieder in die aktuelle Subjektwerdung zu überführen».[472]

Charisma als Grundbegriff der Praktischen Theologie

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