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11. Wieso ist das Mikrobiom so entscheidend für unsere Gesundheit?

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Bakterien verbinden wir mit Krankheiten – und dem Desinfektionsmittel, das ihnen möglichst früh den Garaus macht. Aber: In unserem Darm leben Billionen Bakterien als fleißige Helfer, ohne die kein Menschen überleben könnte. Grund genug, sich einmal genauer mit diesem Mikrobiom auseinanderzusetzen.

Früher bekamen Mediziner wie Robert Koch Nobelpreise dafür, dass sie krankheitsauslösende Keime wie das Tuberkel-Bakterium entdeckten. Gut möglich, dass in nächster Zeit jene Wissenschaftler die Ehrung erhalten, die zur gesundheitsfördernden Macht der Mikroorganismen forschen. Denn die vielfältige Gesamtheit der Darmbakterien beeinflusst unseren Körper auf mannigfache Weise.

Was Bakterien in unserem Darm alles leisten

Der umgangssprachliche Begriff für das Darmmikrobiom ist Darmflora: Bei einem gesunden Menschen birgt diese geschätzt 100 Billionen Bakterien. Diese Mikroorganismen leben von dem, was wir ihnen über die Nahrung geben. Die besonders günstigen Dickdarmbakterien beispielsweise benötigen als Futter Ballaststoffe. Dafür geben sie uns umgekehrt das, was wir zum Leben brauchen. Einige Arten produzieren etwa Vitamin K für die Blutgerinnung. Andere wiederum kurzkettige Fettsäuren wie Buttersäure (Butyrat) oder Propansäure (Propionat), die dem Körper Energie liefern, Entzündungen entgegenwirken, das Immunsystem regulieren und die Nervenzellen gesund halten.

Die besonders hilfreiche Bakterienart Akkermansia muciniphila (muciniphila = schleimliebend) dagegen ernährt sich von der Darmschleimhaut: So regen ihre Vertreter die schleimproduzierenden Epithelzellen im Darm an, neue Bausteine für die Schleimhaut zu produzieren, was diese Barriere dicht und vital hält und so garantiert, dass krank machende Erreger nicht in die Blutbahn gelangen. Neueste Forschungen konnten sogar nachweisen, dass Akkermansia hilft, Blutzucker- und Blutfettwerte sowie das Gewicht zu normalisieren. Außerdem regen Bakterien die Darmbewegung an und sichern so eine beschwerdefreie Verdauung. Und schließlich beeinflusst das Mikrobiom über die sogenannte Darm-Hirn-Achse offenbar auch unsere Stimmung. Beide Organe sind unter anderem über den zehnten Hirnnerv, den Nervus vagus, miteinander verknüpft und „kommunizieren“ – etwa mithilfe von Neurotransmittern wie dem Glückshormon Serotonin, das sich sowohl im Gehirn als auch im Verdauungstrakt findet und dort von Darmbakterien gebildet wird.

GIBT ES MOPPELBAKTERIEN?

Vor einiger Zeit geisterten Schlagzeilen rund um sogenannte Moppelbakterien durch die Medien. Die Beobachtung dahinter: Übergewichtige haben häufig besonders viele Bakterien aus dem Stamm der Firmicuten im Darm – jenen Mikroorganismen, die im Dickdarm Ballaststoffe zu Nährstoffen umwandeln und damit Energie liefern. Als Adipositaspatient jetzt auf Verdacht auf Ballaststoffreiches wie

Gemüse zu verzichten, um den Firmicuten die Nahrung zu entziehen, wäre allerdings grundfalsch! Zum einen machen diese Bakterien nicht per se dick und sind grundsätzlich günstig für uns. Zum anderen ist das bakterielle Ungleichgewicht bei adipösen Menschen aktuell nur eine Beobachtung, aus der sich – noch! – keine Maßnahmen ableiten lassen. Zudem haben Ballaststoffe diverse Gesundwirkungen: Wer sie streicht, tut seinem Körper nichts Gutes!

Wie das Darmmikrobiom entsteht

Wie wir Menschen als Ganzes kommt auch unser Darminneres nackt zur Welt: So, wie es auf einem unbestellten Ackerboden viele Monate dauert, ehe eine Blumenwiese entsteht, bildet sich auch das Ökosystem des Mikrobioms erst mit der Zeit aus. Die ersten bakteriellen Saaten erhält es dabei im Geburtskanal: Kommen Babys auf natürlichem Weg zur Welt, finden sich im Darm der Neugeborenen vor allem typisch vaginale Mikroorganismen – bei Kaiserschnitt-Babys dagegen Bakterien, die für Krankenhäuser typisch sind. Ein Fehlstart, der möglicherweise erklären könnte, warum diese Kinder später häufiger Allergien und Asthma entwickeln. Nach der Geburt wird aus dem Acker langsam eine Wiese: Jede Minute an der mütterlichen Brust, jede Kuscheleinheit mit den Eltern überträgt Bakterien, die sich im Darm des Kindes zu Kolonien vermehren. Hinzu kommen die vielen Mikroorganismen, die wir über die Nahrung aufnehmen. Bis sich irgendwann ein Ökosystem entwickelt hat, in dem jedes Bakterium seine spezielle Aufgabe erfüllt und hilft, den menschlichen Körper gesund zu halten.

Was das Darmmikrobiom stört

Der größte Feind der Mikroben sind Medikamente, vor allem Antibiotika. Wie der Name ankündigt, töten sie Bakterien, allerdings nicht nur krank machende, sondern auch nützliche. Eine Studie ergab: Selbst ein halbes Jahr nach Behandlungsende blieben einige Bakterienarten verschwunden. Beinahe noch erschreckender, weil überraschender: Von 1000 untersuchten gängigen Nicht-Antibiotika beeinflusst jedes vierte das Wachstum von Darmbakterien ebenfalls ungünstig. Daneben spielt jedoch die Ernährung die entscheidende Rolle bei der Frage, wie gut oder schlecht das mikrobiotische Ökosystem gedeiht. Die typisch westliche Ernährung mit Fertig- und Weißmehlprodukten, Fast Food, viel Fleisch und gezuckerten oder künstlich gesüßten Softdrinks liefert im Übermaß schnell verdauliche Nährstoffe. Diese Nahrung erreicht daher den Dickdarm gar nicht erst, sodass die dortigen nützlichen Bakterien verhungern und sich ungünstige, entzündungsfördernde Bakterien ausbreiten können. Die Folgen lassen sich bereits heute beobachten: Jeder Vierte von uns weist mittlerweile eine verringerte Vielfalt und ein Ungleichgewicht der Bakterienstämme auf – eine sogenannte Dysbiose. Was dem nachgewiesenermaßen vorbeugt und auch dagegen hilft: eine Ernährungsweise, die reich ist an pflanzlichen Lebensmitteln wie Gemüse und Hülsenfrüchten, zum Beispiel die mediterrane Kost.

Stuhltransplantation: die Therapie der Zukunft

Studien zufolge haben Menschen mit Krankheiten wie Adipositas, Depression, Morbus Crohn oder Reizdarm ein Mikrobiom, das sich deutlich von dem Gesunder unterscheidet. Noch ist unklar, ob dies eine Folge der Krankheiten ist oder deren Ursache. Was feststeht: Die von einem spezialisierten Arzt durchgeführte Verpflanzung eines wirklich intakten Mikrobioms in den Darm von Kranken kann dafür sorgen, dass die veränderte Darmflora gesundet und sich die Beschwerden bessern. Zunächst zeigten dies nur Tierstudien. Inzwischen gibt es aber erste beeindruckende Fälle von Patienten mit entzündlichen Darmkrankheiten wie Colitis ulcerosa, denen eine regelmäßige Stuhltransplantation hilft. Gängig ist die Therapie bereits bei Darminfektionen infolge einer Antibiotika-Therapie: Dabei kann sich die Bakterienart Clostridioides difficile ungehemmt ausbreiten, weil die natürlichen Gegenspieler fehlen. Schlimmstenfalls führt dies zur Auflösung der Darmwände und so zu einer lebensgefährlichen Sepsis. Bekommen Betroffene eine Stuhlspende gesunder Menschen, bessert sich die Fehlbesiedlung und damit auch die Symptomatik. Das Spannende: Experten zufolge haben wir gerade einmal zu 5 Prozent verstanden, wie das Wunderwerk Darmmikrobiom funktioniert und wirkt. Wir können also ziemlich sicher sein, dass die Forschung zu diesem Thema eine Zukunft verspricht, die wirklich golden ist!

ZAHLEN, BITTE!

1,3-mal mehr Bakterien als Körperzellen weist der menschliche Körper auf.

1000 verschiedene Bakterienarten kommen im Darm eines gesunden Menschen vor.

2 Kilo wiegen alle 100 Billionen Bakterien des Darms zusammengenommen.

99 Prozent aller Bakterien des Darmmikrobioms gehören vier Stämmen an: den Firmicutes, Bacteroidetes, Proteobacteria und Actinobacteria.

50 Prozent der im Darm beobachteten Mikroorganismen lassen sich nicht kultivieren.

Forever young? Wissenschaftler vermuten, dass unser Mikrobiom den Schlüssel zur ewigen Jugend bergen könnte. Hoffnung machen ihnen Experimente mit Killifischen, einer auffallend bunten Art von Zahnkarpfen. Ältere Männchen sind blass und schlapp. Transplantieren Forscher ihnen allerdings den Stuhl junger Killi-Vertreter, werden sie wieder bunter, agiler und leben länger!

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