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16. Was bringen Nahrungsergänzungsmittel?

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Einfach eine Pille einwerfen und sich so mit allem Nötigen versorgen, ohne Gemüse und Obst kaufen zu müssen: Das versprechen Nahrungsergänzungsmittel. Bei den allermeisten Produkten jedoch gilt: Im besten Fall wirken sie nicht, im schlimmsten Fall schaden sie. Wer sie braucht – und vor allem: wer nicht.

In den meisten Drogeriemärkten füllen Nahrungsergänzungsmittel inzwischen mindestens eine Regalreihe. Kein Wunder, denn wir greifen gern danach: Jeder Vierte hierzulande führt regelmäßig Vitamine, Mineralstoffe und Co. von außen zu. Nicht unbedingt eine gute Idee …

Ergänzungsmittel sind keine Medikamente

Die Pillenform verleitet zum Glauben, bei den Präparaten handele es sich um eine Arznei. Tatsächlich aber gehören Nahrungsergänzungsprodukte zu den Lebensmitteln: Damit dürfen sie nicht dazu bestimmt sein, Krankheiten zu heilen oder davor zu schützen. Entsprechend durchlaufen sie anders als Medikamente kein Zulassungsverfahren, sondern müssen lediglich beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) registriert sein. Das bedeutet für die Praxis: Werben Hersteller mit Gesundheitseffekten, sind diese nicht belegt. Gibt es doch einmal Studien, wurden diese oft von Produzenten gesponsert.

Wahlloses Supplementieren bringt nichts

Entsprechend zeigen ernsthafte Untersuchungen, dass Nahrungsergänzungsmittel größtenteils wirkungslos sind. Beispielsweise ergab eine Meta-Analyse von 49 Studien mit insgesamt knapp 300 000 Probanden: Das Supplementieren von Vitamin C, D, K, Magnesium, Selen und Zink schützt nicht vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs. Und eine US-amerikanische Studie mit mehr als 30 000 Probanden hat demonstriert: Vitamine und Mineralstoffe aus Nahrungsergänzungsmitteln verringern das Todesrisiko von Menschen nicht – bis auf Vitamin E und Folsäure mit sehr schwachem Effekt. Bei Kalzium zeigte sich im Gegenteil: Wer mehr als 1000 mg pro Tag per Pille zu sich nahm, hatte ein erhöhtes Risiko, an Krebs zu sterben – ebenso bei Vitamin A. Beta-Carotine bewirkten sogar eine Zunahme der Sterblichkeit insgesamt.

Besonders von den beliebten All-in-one-Produkten rate ich daher ab, auch wenn die einzelnen Stoffe darin nicht so hoch dosiert sind, dass wir daran sterben könnten. Denn die allermeisten Menschen hierzulande sind laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) über die Nahrung mit Mikronährstoffen ausreichend gut versorgt. Und rutschen daher, wenn sie diese unspezifisch über ein A-bis-Z-Präparat ergänzen, schnell in eine milde Überdosierung: Diese kann etwa zu Kopfschmerzen und heftigen Magen-Darm-Beschwerden führen.

VITAMIN B12 – HOFFNUNGSTRÄGER BEI BEGINNENDER DEMENZ?

Eine Vorstufe von Demenz bildet die „leichte kognitive Störung“ (Mild Cognitive Impairment, MCI). 10 bis 20 Prozent der Betroffenen entwickeln innerhalb eines Jahres eine Demenz. Da der im Alter wahrscheinlichere Vitamin-B12-Mangel das Erkrankungsrisiko erhöht, hofften Forscher, die Gabe entsprechender Nahrungsergänzungsmittel könnte das Auftreten einer MCI verzögern oder ihr Fortschreiten aufhalten. Zwei aktuelle Meta-Analysen zeigen jedoch: Es gibt keinen Hinweis darauf, dass irgendein Vitamin- oder Mineralstoffsupplement eine MCI bremsen oder Gesunde davor schützen könnte. Anders bei pflanzlichen Flavonoiden aus Tee, Beeren oder Gemüse: Sie fördern die Durchblutung im Gehirn und wirken gegen Vergesslichkeit.

Einige wenige Menschen brauchen Nahrungsergänzungsmittel

Manche Gruppen jedoch profitieren davon, ausgewählte isolierte Mikronährstoffe zu ergänzen. Dazu gehören Veganer: Sie sollten die Vitamine aus der B-Gruppe (insbesondere Vitamin B2 und B12) supplementieren, denn diese sind beinahe ausschließlich in tierischen Produkten enthalten. Außerdem müssen sie im Zweifelsfall ihre Jodzufuhr über entsprechende Präparate erhöhen, mitunter auch die von Kalzium, Eisen und Zink. Schwangere sollten ebenfalls Jod zuführen sowie Folsäure, um Entwicklungsstörungen des Kindes zu verhindern. Für die allermeisten von uns ist eine Vitamin-D-Supplementierung in den Wintermonaten sinnvoll: Denn dieses Vitamin bildet der Körper mithilfe von Sonnenlicht über die Haut, allerdings nur, wenn die Strahlung intensiv genug ist. Da es bei der fettlöslichen Substanz leicht zu Überdosierungen kommen kann, sollte man die Vitamin-D-Einnahme bitte immer mit dem Arzt besprechen! Vom Arzt verordnete Prä- und Probiotika, die die Bakterienvielfalt im Darm erhöhen, können eine kluge Ergänzung darstellen. Lediglich Patienten mit geschädigter Darmbarriere oder einer chronischen Entzündung der Bauchspeicheldrüse sollten darauf verzichten oder einen auf diesem Gebiet erfahrenen Ernährungsmediziner kontaktieren.

Vor jeder Einnahme ärztlich beraten lassen

Allein auf Basis dieser Empfehlungen ein Präparat auf Verdacht zu kaufen, ist immer eine schlechte Idee! Denn jeder Organismus ist verschieden, entsprechend muss eine Supplementierung stets individuell erfolgen. Nur ein Arzt kann beispielsweise den Einfluss bestehender Erkrankungen einschätzen: So können etwa Gastritis und Darmprobleme die Aufnahme von B-Vitaminen hemmen. Außerdem ist es am Mediziner, gefährliche Wechselwirkungen zu benennen: Bestimmte Antioxidantien wie die Vitamine C und E können die erwünschten Effekte einer Strahlen- oder Chemotherapie hemmen. Und Raucher sollten nicht mehr als 20 Milligramm Beta-Carotin am Tag zu sich nehmen, da darüber hinausgehende Mengen das Risiko für Lungenkrebs erhöhen. Hinzu kommt: Allein eine Blutuntersuchung gibt Aufschluss darüber, welche Mängel überhaupt bestehen. Sie ist also zum einen nötig, um Überdosierungen zu vermeiden, zum anderen, um Mangelversorgungen zu verhindern, die entstehen können, wenn die Nahrungsergänzung zu niedrig dosiert wird.

Artgerechte Ernährung ist Ergänzungspräparaten überlegen

Zwei Ergebnisse der bereits erwähnten Studien faszinieren mich besonders: Wer sich ausreichend mit Vitamin K und Magnesium versorgt, hat ein geringeres Mortalitätsrisiko. Dazu ist eine ausreichende Zufuhr von Vitamin A und Zink mit einem geringeren Todesrisiko durch Herz-Kreislauf-Krankheiten verbunden. Das Spannende dabei: Diese Wirkungen zeigen die Mikronährstoffe nur dann, wenn sie aus natürlichen Lebensmitteln stammen. Ein weiterer Beleg für die vergleichsweise junge Erkenntnis der Forschung: Es sind nicht einzelne, isolierte Substanzen, die unserem Körper nützen, sondern das Zusammenspiel aus vielen – in unverarbeiteter Nahrung!

ZAHLEN, BITTE!

6 von 10 erwachsenen Deutschen haben bereits Nahrungsergänzungsmittel gekauft, weitere 30 Prozent können sich dies für die Zukunft vorstellen.

61 Prozent der Nutzer hoffen, mit Nahrungsergänzungsmitteln allgemein ihre Gesundheit zu stärken, etwa jeder Dritte will seine körperliche Fitness steigern.

Gut 2 Milliarden Euro geben die Deutschen insgesamt pro Jahr für Nahrungsergänzungsmittel aus, die Hälfte davon entfällt auf Vitamin- und Mineralstoffpräparate. Die höchsten Umsatzsteigerungen erzielen aktuell Vitamin-B-Kombiprodukte sowie Prä- und Probiotika.

Etwa 6 Prozent beträgt das jährliche Umsatzwachstum bei Nahrungsergänzungsmitteln seit 2014.

Rund ein Viertel des Umsatzes mit Nahrungsergänzungsmitteln wird inzwischen über Versandapotheken generiert. Die Wachstumsrate 2019 lag im Vergleich zum Vorjahr bei knapp 10 Prozent.

Achtung! Hände weg von Diätpillen, selbst wenn diese „rein pflanzlich“ sein sollen! In den Produkten wurden wiederholt illegal zugesetzte pharmakologische Wirkstoffe gefunden, etwa Sibutramin, ein mit Crystal Meth verwandtes Amphetamin, dessen Nebenwirkungen bis zu Schlaganfall und Herzinfarkt reichen. Oder Phenolphthalein, ein Stoff, der die Darmschleimhaut enorm schädigen kann und im Verdacht steht, krebserregend zu sein.

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