Читать книгу Mein Weg zur gesunden Ernährung - Dr. med. Matthias Riedl - Страница 26
20. Sind Insekten bei uns wirklich die Nahrung der Zukunft?
ОглавлениеIn Asien, Afrika und Lateinamerika stehen Insekten bei vielen Menschen seit jeher auf dem Speiseplan. Aufgrund ihres günstigen Nährstoffmusters betrachten einige Ernährungsspezialisten die Tiere auch in Europa als Lebensmittel der Zukunft. Was ich vom Hype um Heuschrecken und Co. halte.
Jeder siebte Deutsche hat schon einmal freiwillig ein Insekt gegessen. Auch ich gehöre zu dieser Gruppe – während eines „Ernährungs-Docs“-Drehs habe ich das Trendfood getestet. Ich gestehe: Die Vorstellung, in eine Heuschrecke zu beißen, in ein ganzes Tier mit Augen, Beinen und hartem Hautpanzer, hat mir ein Kopfkino beschert, das ich nicht noch einmal brauche. Den Mehlwurm im Anschluss? Bekam ich schon leichter runter. Der Geschmack war deutlich weniger gewöhnungsbedürftig als die Konsistenz der Insekten: Er erinnerte mich an ungewürzte, komprimierte Erdnussflips, eine sehr trockene, fade Nussmischung oder frittierte Sardellen.
In der Theorie spricht einiges dafür, seinen persönlichen – anerzogenen – Unwillen zu überwinden: Insekten liefern wertvolle Omega-3-Fettsäuren, extrem viele leicht verdauliche Proteine, außerdem Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe wie Kupfer, Zink und Selen. Darüber hinaus verbrauchen die Tiere weniger Wasser, Land und Futter als Vieh: Rinder etwa benötigen für ein Kilo Körpermasse acht Kilo Futter, Insekten nur zwei Kilo. Zudem produzieren beispielsweise Mehlwürmer bis zu hundert Mal weniger Treibhausgase als Schweine. All das macht Insekten zu einer guten Fleisch- und Fischalternative.
Warum die Nachteile überwiegen
Das Problem: Nur in der Wildnis gesammelte und naturbelassene Insekten bilden ein gutes Lebensmittel. Würden Trendprodukte wie Nudeln aus Insektenmehl, Mehlwurm-Eiweißriegel und schokolierte Heuschrecken bei uns Massenware, wären wir auf Tiere aus industrieller Zucht angewiesen. Doch genau die macht nicht nur den Klimavorteil der Insekten zum Großteil zunichte – etwa weil Züchter mitunter proteinreiches Futter wie Fisch- oder Sojamehl nutzen. Es droht auch eine Keimbelastung der Produkte, ähnlich wie in der konventionellen Fleischherstellung – zumal die Insekten samt Darm verarbeitet werden.
Da Tiere in der Massenzucht anfälliger für Krankheiten sind, lässt sich der Einsatz von Bioziden kaum vermeiden. Hinzu kommt: Die Zucht wäre sehr kostenintensiv, Verbraucher müssten für die entsprechenden Produkte mehr zahlen als für Fleisch und natürlich auch mehr als für pflanzliche Eiweißlieferanten. Ein weiterer Punkt auf der Kontra-Liste: Je mehr professionelle
Insektenproduzenten es gibt, desto stärker verlieren jene Menschen ihre Existenzgrundlage, die die Tiere in freier Wildbahn sammeln und von deren Verkauf leben. Schon jetzt hat eine Studie ergeben: Vom wachsenden Handel mit Insekten profitieren vor allem die sowieso schon Privilegierten.
ZAHLEN, BITTE!
60 Prozent aller beschriebenen Tierarten sind Insekten, etwa 2000 Spezies dienen Menschen als Nahrung – vor allem Käfer, Raupen, Bienen, Ameisen, Heuschrecken, Grillen und Termiten.
2 Milliarden Menschen weltweit brauchen Schätzungen zufolge Insekten, um sich bedarfsdeckend zu ernähren.
42 Prozent der Deutschen geben an, auf keinen Fall Insekten zu essen – Ekel ist dabei die größte Barriere. Nur 5 Prozent würden die Tiere als Nahrungsmittel auf jeden Fall akzeptieren.
Mein Schluss daraus
Äßen wir in Europa anstelle von Fleisch in großem Umfang Heuschrecken und Grillen, würden wir nur das eine Schlechte durch etwas anderes Schlechtes ersetzen. Das Nahrungsmittel der Zukunft sind für mich daher nicht Insekten, sondern Hülsenfrüchte. Auch sie liefern wertvolle Proteine, auch sie sind deutlich klimafreundlicher als Fleisch und Fisch – und darüber hinaus halten sie uns nachgewiesenermaßen gesund.