Читать книгу Ein naheliegendes Opfer - Elisa Scheer - Страница 17
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ОглавлениеCarina Creutzer hatte Anne und Max sehr freundlich empfangen und sofort gefragt: „Ist Hans Peter etwas zugestoßen?“
„Wie kommen Sie darauf?“, gab Anne vorsichtig zurück.
„Nun, ich habe heute Mittag schon mit Jonathan telefoniert – also, er hatte mich angerufen, weil sein Vater nicht im Büro aufgetaucht ist, aber ich hatte ihn seit Donnerstagnachmittag ja auch nicht mehr gesehen. Wir haben hin und her überlegt, aber dann haben wir uns natürlich beide gefragt, ob wir ihn überhaupt vermissen. Ob „vermissen“ eigentlich das richtige Wort ist. Wir haben uns dann allerdings doch überlegt, dass jemand in der Hütte mal nachsehen müsste, nur wussten wir beide nicht so genau, wo diese vermaledeite Hütte überhaupt ist. Er ist ja immer alleine dorthin gefahren!"
„Und wer wusste dann, wo diese Hütte ist? Leicht zu finden war sie ja wirklich nicht!“, wollte Anne wissen. Max beschränkte sich auf atemloses Zuhören – mit Befragungen hatte er noch wenig Erfahrung, aber er hoffte, hier viel zu lernen. Anne Malzahn war da legendär, wenn sie ihm auch ziemlich Angst machte.
„Marie Louise konnte sich erinnern. Anscheinend war er ganz früher noch nicht so strikt – von wegen Plappernde Weiber stören nur den himmlischen Waldfrieden – und hat sie ab und an mal mitgenommen. Ich war nur einmal dort, und da sind wir im Dunkeln hingefahren und ich hatte damals nicht wirklich auf den Weg geachtet. Jonathan und seine Geschwister waren offenbar nie dort. Ich glaube, Hans Peter mochte seine Kinder nicht so besonders.“
„Aus einem bestimmten Grund?“
Carina Creutzer zuckte mit den Schultern. „Schwer zu sagen. Mit Jonathan gab es in der Firma häufiger Ärger, kein Wunder. Sebastian ist Kunstmaler geworden und hat auf Kleinelektronik gepfiffen, Tatjana und Sybilla sind bloß Mädchen. Und generell, glaube ich, kann er mit Kindern nicht so viel anfangen. Ich habe ihn nur ein paar Mal mit seinen Kindern erlebt, aber da herrschte so ein – wie soll ich sagen? – gezwungener Ton, als kennten sie sich gar nicht richtig. Als – ja, als hätte er sie erst als Erwachsene überhaupt erst kennengelernt. Sie müssten die Kinder fragen – aber als wir geheiratet haben, das war 1996, da waren die Kinder vierzehn, zwölf, zehn und eins. Mein Gott, eins? Das hatte er mir damals natürlich nicht so genau gesagt… also, ganz ehrlich, er war schon ein ziemlicher Arsch, wenn man es recht bedenkt.“
Anne zwinkerte. „Wird das ein Geständnis?“
„Tut mir leid – ich war´s nicht, auch wenn es mich ab und zu in den Fingern gejuckt hat. Und nicht nur mich, da bin ich sicher. Fragen Sie mal Marie Louise, seine erste Frau. Die war zwar sicher auch sauer auf mich, aber bestimmt noch mehr auf den Göttergatten.“
Max nickte und wollte auch etwas fragen: „Wissen Sie, wie Ihr Mann seinen Besitz hinterlassen hat?“
„Da fragen Sie mich was… ich denke, die Firma kriegt wohl Jonathan, der interessiert sich wenigstens dafür. Sein Geld… vielleicht verteilt er es unter die Kinder? Wäre ja wohl auch das Übliche. Ich denke, ich kriege nur ein bisschen was – er hat erst vor ein paar Tagen gesagt, im Falle seines Todes müsste ich mir keine großen Hoffnungen machen.“
„Ist ja reizend“, fand Max.
Carina lachte spöttisch. „Wir hatten uns gestritten und ich habe wahrscheinlich recht mordlüstern dreingeschaut. Vielleicht ist es wenigstens etwas mehr als bei einer Scheidung – oops, rede ich mich gerade um Kopf und Kragen?“
„Wir wissen das schon einzuordnen“, beruhigte Anne sie. „Und Ihre Vorgängerin bekommt nichts?“
„Ich weiß es nicht. Vielleicht eine Kleinigkeit. Eigentlich hat er sie bei der Scheidung schon über den Tisch gezogen, da könnte er ihr doch wenigstens jetzt… naja, zu spät.“
Anne nickte und kam zu einem delikateren Thema: „Herr Creutzer war ja nun offenbar nicht jemand, der die eheliche Treue erfunden hat… kann es sein, dass er zurzeit wieder einmal ein außereheliches – äh – Interesse hatte?“
Carina lächelte. „Haben Sie hübsch gesagt. Ja, ich denke, das hatte er. Er hat mich vor einigen Tagen so angeschaut und gemeint, ich würde auch nicht jünger. Der Arsch!“, fügte sie finster hinzu.
„Und was haben Sie geantwortet?“, wollte Max wissen.
Jetzt kicherte sie regelrecht. Eher ungewöhnlich für eine frisch gebackene Witwe, fand Anne. Aber vielleicht hatte der bewundernde Blick von Max ja damit etwas zu tun – soo alt war Carina Creutzer ja wirklich noch nicht, dreiundvierzig, wenn die Daten stimmten.
„Ich hab ihn gefragt, ob er keinen Spiegel hat. Und er hat gemeint, er könne sich das leisten, er habe schließlich andere Qualitäten. Dazu ist mir nichts mehr eingefallen, ich hätte bestenfalls hysterisch kreischen können. Hab ich keine anderen Qualitäten? Und was soll das bei ihm überhaupt gewesen sein? Charmant war er nicht, großzügig war er nicht – vielleicht hat er gedacht, Macht macht sexy, aber CE ist nun nicht gerade ein Weltkonzern, oder?“
Max gab ihr eilfertig Recht, was ihr durchaus zu schmeicheln schien. Anne hatte jetzt allerdings das Gefühl, aus Carina Creutzer alles herausgeholt zu haben, deshalb leitete sie den Abschied ein. Beim Hinausgehen sahen sie noch, wie die trauernde Witwe sich über das Sofa streckte und nach ihrem Handy angelte.
Weißt du schon das Neueste? Jemand hat meinen Alten umgelegt…