Читать книгу Ein naheliegendes Opfer - Elisa Scheer - Страница 28
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ОглавлениеKira Merten war nicht verfügbar, als Liz sich am Empfang von DE meldete.
„Das ist jetzt ungünstig“, entschuldigte sich die Empfangsdame, die mit ihrem Headset doch sehr auf der Höhe der Zeit wirkte, vielleicht kein Wunder in einem Betrieb, der sich auf Kleinelektronik spezialisiert hatte. „Frau Merten ist noch bis halb zehn in einer Marketing-Konferenz.“
„Sie weiß so genau, wann die Konferenz fertig ist?“, staunte Liz, die so etwas auch anders kannte.
Die Empfangsdame lächelte. „Sie zieht ihre Sitzungen recht zügig durch, da kommt keiner lange vom Thema ab. Um halb zehn können Sie mit ihr sprechen. Sie hat mir aber etwas aufgetragen, anscheinend hat sie schon geahnt, dass Sie um diese Zeit vorbeikommen. Sie möchten doch bitte auch mit Dr. Söltl sprechen.“
„Ihrem Chef? Das hatte ich mir auch schon vorgenommen. Der hat jetzt Zeit?“
„Einen Moment, bitte.“ Zwei Tasten, kurzer Wortwechsel, Nicken. „Er erwartet Sie. Im zweiten Stock, das letzte Zimmer rechts.“
Liz bedankte sich und folgte der Wegbeschreibung.
Dr. Söltl war ein schmaler, dunkelhaariger Mann in den Fünfzigern, klassisch mit grauen Schläfen, Hornbrille und sehr dezenter, aber erstklassiger Kleidung.
Er begrüßte Liz mit herzlichem Händedruck und bot Besuchersessel und Kaffee an, dann fragte er nun doch: „Was kann ich denn jetzt für Sie tun? Kira hat mich gebeten, mich um Sie zu kümmern, bis sie mit ihrer Sitzung fertig ist. Eine ungemein fähige und rührige junge Frau. Ich bin sehr froh, dass sie bei uns arbeitet und nicht etwa bei einer Konkurrenzfirma.“
Liz lächelte. „Zum Beispiel bei Creutzer Electronics?“
Dr. Söltl erschauerte effektvoll. „Dort schon gar nicht. CE war mir immer schon ein Dorn im Auge. Und wenn Kira hier eine etwas – nun, sagen wir – feindselige Politik verfolgt hat, hat sie das stets mit meiner vollsten Billigung getan.“
„Ach, warum denn das? Sind Sie mit Hans Peter Creutzer persönlich bekannt?“
Ein etwas bitteres Lächeln. „Das kann man so sagen: Ich kenne ihn seit meiner Kindheit. Er war ein Klassenkamerad meines ältesten Bruders, den er – nun, heute würde man wohl sagen, gemobbt hat. Korbinian hat schließlich sogar versucht, sich umzubringen, glücklicherweise wurde er noch rechtzeitig gefunden. Allerdings ist ein leichter Schaden zurückgeblieben, und ich denke heute noch immer, wenn ich Korbinian treffe, daran, was Hans Peter für ein A – äh, was für ein mieser Charakter ist - war.“
„Sie dürfen gerne auch Arschloch sagen, das lag Ihnen doch auf der Zunge? Ganz ehrlich, etwas Gutes haben wir bis jetzt über Creutzer senior noch nicht gehört.“
„Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Immer dieses Schwadronieren von Starken und Schwachen… natürlich war er der Starke und alle anderen die Schwachen, nur dazu da, unterdrückt zu werden… Ich hätte es ihm ja gegönnt, wenn er einmal auf einen Stärkeren getroffen wäre, um in seinem Weltbild zu bleiben. Er hätte wohl selten dumm geschaut!“
„Ich glaube, genau das ist ihm auch passiert, als er seinen Mörder – oder seine Mörderin – getroffen hat. Wissen Sie, warum Frau Merten so zielstrebig versucht hat, CE zu schädigen?“
Ludwig Söltl lehnte sich zurück und lächelte. „Natürlich. Creutzer ist ihr Vater, und er hat sich nie für sie interessiert. Sie wollte sich so an ihm rächen, dass es ihm wehtut - und das so subtil wie möglich.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Ich könnte mir direkt vorstellen, dass sie jetzt etwas enttäuscht ist. Vermutlich wollte sie am Ende als Racheengel bei CE auftauchen und Creutzer erklären, wer ihn – und warum – ruiniert hat. Und ihm dann Hausverbot erteilen. Oder so ähnlich, wahrscheinlich wechselten die Details ihrer Rachepläne auch gelegentlich.“
Das passte zu dem, was sie bis jetzt schon zusammengetragen hatten. Liz lächelte ihn zutraulich an, mit dem Lächeln, das sie für freundliche ältere Herren reserviert hatte. Bei unfreundlichen älteren Herren konnte sie natürlich auch anders, da war dann Anne in grimmiger Laune ihr Vorbild.
„Nur der Vollständigkeit halber – was haben Sie am Donnerstag gemacht?“
„Da ist es also passiert? Wir hatten an diesem langen Wochenende ein Familientreffen, rund vierzig Personen. Ab Donnerstag – so gegen vier – reisten die ersten an, nämlich die, die bei uns im Haus untergebracht waren. Wir haben eine Kaffeetafel veranstaltet und später gegrillt, und am Freitag und Samstag – brauchen Sie das auch noch?“
Liz wehrte ab. „Wenn Sie mir nun noch sagen würden, was Sie für ein Auto fahren?“
Leicht verdutzt bekannte Dr. Söltl sich zu einem schwarzen Jaguar Baujahr 2008. „Möchten Sie ihn untersuchen? Er steht in der Tiefgarage.“
„Vielleicht sollte ich nachher einen Blick auf ihn werfen – aber dazu brauche ich Sie dann nicht. Welcher Stellplatz?“
„Nummer 1.“ Er schaute auf die Uhr. „Punkt halb zehn, da müsste -“
Es klopfte an der Tür, und Söltls Sekretärin schaute herein. „Frau Merten wäre jetzt fertig und ist bereit, die Dame von der Polizei zu empfangen.“
Dr. Söltl grinste. „Wie ich Ihnen ja sagte – ungemein effizient und exakt. Tja, wenn wir fertig sind, dann bringt Frau Walter Sie zum Büro von Frau Merten.“