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Anne hatte die guten Laugenstangen mit Mohn, Sesam, Kümmel und etwas Käse darauf mitgebracht. Sie stellte den Teller in die Mitte und verkündete: „Eine Runde Frustfutter. Oder hat irgendjemand irgendeinen Verdächtigen ausgemacht?“

„Nur vergnügte, redselige Weiber. Der Arsch kann einem nachgerade direkt leidtun“, verkündete Max.

„Das würde ich so nicht unterschreiben wollen“, wandte Liz ein, die sich daran erinnerte, wie Creutzer die schwangere Christine Merten abgefertigt hatte.

„Komm, also zumindest diese Tochter hat ihn total fertiggemacht.“

„Hat er bestimmt verdient“, trat Liz noch nach. „Wie soll sie das denn überhaupt gemacht haben?“

Max kicherte. „Gar nicht blöd… sie arbeitet für die Konkurrenz und hat ihm die besten Leute abgeworben und bei irgendwelchen Abschlüssen ihn mit besseren Bedingungen ausgestochen. Ihr zufolge ist der Mord hauptsächlich ärgerlich, weil man ihr jetzt ihr Opfer weggenommen hat. Und anscheinend hat er so auch nie erfahren, wer ihm da die Geschäfte versaut. Das wollte sie ihm wohl hinreiben, wenn er so richtig am Boden liegt.“

Liz legte den Kopf schief. „Würdest du sagen, dass sie damit kein Motiv hat?“

„Schwer zu sagen. Sie könnte natürlich gelogen haben und sich im Inneren vor Rache verzehrt haben, aber ich glaube es nicht. Sie machte auf mich einen eher entspannten Eindruck. Und man sagt ja immer, die beste Rache ist ein gutes Leben – die Merten ist Marketingchefin bei Digital Equipment, das ist für eine Frau um die Dreißig doch schon ziemlich gut. Ohne Papas Hilfe.“

„Rabenpapas Hilfe“, korrigierte Liz. „Gut, mag sein. Der Mutter geht es auch nicht schlecht. Der Alte hat sie zwar sehr grausam abgebürstet, als sie schwanger war, aber sie kam auch so zurecht.“ Sie erzählte der Runde von Creutzers Vorschlag mit den gut platzierten Tritten, und alles schwieg kurz betroffen. „Schade, dass man einen Toten nicht mehr belangen kann“, knurrte Anne dann.

„Ihn wenigstens auf Gefängnisgrund verscharren“, schlug Joe vor. „Übrigens dürfte Creutzer mit seiner Neuen auch kein so glückliches Händchen gehabt haben.“ Er kramte in der Brezentüte herum, bis Liz schimpfte: „Jetzt mach´s nicht so spannend!“

Er sah auf und grinste. „Die Neue ist eine Azubine namens Alina Heckel, und sie mag Creutzer nicht. Was soll ich mit so einem Opa, und nett war er ja auch nicht, waren so ungefähr ihre Worte. Er wollte sie übers Wochenende in die Hütte mitnehmen, um ihre Zukunft zu besprechen, und sie hat die Einladung großzügig überhört. War wohl auch besser so.“

„Aha. Im Klartext: Ab in die Heia oder das mit der Zukunft hat sich erledigt? Echt schade, dass der Sack tot ist. Das wäre jetzt auch noch Nötigung. Vielleicht noch Missbrauch von Schutzbefohlenen… Den hätte man so schön vor Gericht bringen und ordentlich vorführen können“, maulte Anne.

Max lachte. „Setz dich mal mit Kira Merten zusammen, die denkt doch genauso. Haben die Firmenfinanzen denn etwas ergeben?“

Anne nickte. „Der Laden geht schlecht, und daran dürfte die Konkurrenz ja wohl nicht ganz unschuldig sein. Die Kreditlinie ist ziemlich ausgereizt, die Bank scheint an weiteren Krediten ohne einen ordentlichen Relaunch nicht interessiert zu sein – im Klartext: Geld nur bei Austausch der Geschäftsleitung. Creutzer soll in der Bank gedroht haben, die Bank zu wechseln, was dort aber nur auf freudige Zustimmung gestoßen ist. Der zuständige Sachbearbeiter war der Ansicht, je schneller der Sohn die Zügel in die Hand bekommt, desto eher ist der Laden noch zu retten. Das hat der Alte natürlich ganz anders gesehen und von einer Politik der Stärke gefaselt und dass man gegenüber Verhandlungspartnern entschieden auftreten muss.“

Joe gluckste. „Hat sich selbst ins Aus geschossen – kennen wir Vertragspartner?“

Max meldete sich: „Kira Merten hat was von einem Joint-Venture mit Criscom gesagt, könnt ihr damit etwas anfangen?“

„Oh ja“, sagte Anne. „Das ist in unserem kleinen Becken wohl der größte Fisch, was diese Sparte der Elektronik-Branche betrifft. Dominic Christen arbeitet eigentlich immer sehr konstruktiv mit uns zusammen. Ich frage Spengler mal, was er noch über ihn weiß, aber ich erinnere mich noch an ihn aus dem Fall Wenzel, und da war Christen wirklich hilfreich und offen. Wir fragen ihn, wie das Creutzersche Angebot ausgesehen hat. Und wir werden das mit den Informationen von Kira Merten gegenchecken.“

„Gestern, als die Leiche gefunden worden ist, waren doch auch der Sohn und der Geschäftspartner vor Ort, nicht? Die wissen sicher noch Genaueres darüber, wieweit Creutzer seinen Laden runtergewirtschaftet hat“, schlug Joe vor.

Anne nickte. „Gute Idee. Und bei der nächsten Runde sind auch die ganzen Alibis fällig – wer von all seinen Feinden konnte am Donnerstagnachmittag und – abend in dieser Hütte sein? Liz, hast du nicht gesagt, der Obduktionsbericht sollte etwa um diese Zeit herum kommen?“

„Haben die gesagt. Soll ich mal nachfragen?“

„Ich bitte darum.“

Liz verzog sich an ihren Schreibtisch und begann zu telefonieren. Währenddessen teilte Anne die anderen ein, um weitere Fragen zu stellen und vor allem die Alibis zu dokumentieren und gegebenenfalls zu überprüfen.

Max wurde ausgeschickt, bei der Spurensicherung anzufragen – da dort praktisch niemand ohne Musik im Ohr arbeitete, bestand immer die Gefahr, dass das Telefon überhört wurde.

Liz hatte zuerst Erfolg; sie lebte auf und wandte sich Anne und Joe zu. „Der Bericht kommt nachher rauf, aber sie haben bestätigt, dass der alte Creutzer verdurstet ist. Das muss etwa drei Tage gedauert haben, in der Hütte war es ja auch ziemlich warm, so dass sich auch auf diesem Weg die Flüssigkeit aus seinem System verabschiedet hat. Und da er ein fettes Hämatom am Hinterkopf hat, das auch ungefähr so lang gebraucht hat, um aufzublühen, bis er tot war, gehen sie davon aus, dass ihm jemand eins über den Schädel gegeben hat, und zwar bestimmt am Donnerstag. Spätestens am frühen Abend. Etwa siebzehn bis zwanzig Uhr. Mageninhalt: Steak und Kartoffeln. Ganz offensichtlich ein spätes Mittagessen. Und ein bisschen Kaffee dazu, aber schon ziemlich weit verarbeitet.“

„Komisch“, fand Joe. „Der wollte doch die Kleine aus der Firma mitnehmen, oder? Hätte die dort kochen sollen oder was? Gab es dort überhaupt Lebensmittel oder sowas wie einen Fresskorb, meinetwegen von der Feinkostoase?“

„Wenn schon, dann eher vom Aldi“, antwortete Anne. „Geizig soll er ja auch noch gewesen sein. Übrigens ein sehr guter Gedanke, Joe. Essen gehen wollte er da draußen ja wohl nicht, da gibt´s doch nichts, so mitten in der Pampa. Wie hat der sich das eigentlich vorgestellt?“

„Da liefert auch keiner hin“, stimmte Liz zu. „Vielleicht hat er einen Kasten Bier dabei und wollte sich bloß mal so richtig besaufen – aber der Typ war er wohl auch nicht… na, vielleicht taugt das Geresinger Wirtshaus etwas? Jedenfalls, seit Donnerstagnachmittag hat er nichts mehr zu sich genommen. Konnte er ja wohl auch nicht, so an die Heizung gefesselt. Diese Propangasflasche war offenbar halb leer, als er gefunden wurde. Wenn die vorher neu war… Ach ja, und er hat Hämatome und Abschürfungen an den Handgelenken, da, wo er versucht hat, aus diesen Handschellen rauszukommen.“

„Armer Hund“, fand Joe.

„Ja, das wünscht man nicht mal so einem“, stimmte Anne etwas mechanisch zu.

„Ganz schön grausam“, fuhr Joe fort. „Ich meine, da muss sich doch ein gewaltiger Hass angestaut haben – aber bei wem?“

„Frage ich mich auch.“ Liz stellte ihre Kaffeetasse ab. „Ich meine, Creutzer war ein unglaubliches Arschloch – schau nicht so streng, Chefin! -, aber er hat doch bei jedem etwas angestellt und nicht bei einem so richtig viel. Da müssten sich ja zum Beispiel seine vier Frauen kurzgeschlossen haben!“

Anne lachte. „Club der Teufelinnen? Glaube ich nicht so recht. Wenn man sich die ganzen Aussagen anschaut, haben die das alles doch anscheinend recht gut verarbeitet. Und dass sie sich tatsächlich kurzgeschlossen haben, wissen wir ja. Zumindest hat Marie Louise Kontakt zu Carina und zu Christine. Die kleine Alina hatten sie wohl noch nicht auf dem Schirm, aber die hat sich mit ihrer Kollegin Lilo ja offenbar schon darauf gefreut, Creutzer nach allen Regeln der Kunst anzuzeigen und einen richtigen Skandal loszutreten.“

„Wahrscheinlich ist die jetzt genauso enttäuscht wie Kira Merten, dass die lustige Beute weg ist“, überlegte Joe.

„Diese Kira ist wohl von allen souveränen Mädels in dieser Geschichte die raffinierteste“, fand Liz. „Ob Max mit der wirklich fertig geworden ist? Unser Jungspund?“

„Ein bisschen entnervt hat er ja schon gewirkt“, gab Anne zu. In diesem Moment öffnete sich die Tür und Max kam zurück, den Bericht der Spurensicherung in der Hand. Auf das allgemeine Schweigen reagierte er misstrauisch: „Ihr habt wohl gerade über mich gesprochen? Hab ich was falsch gemacht?“

Allgemein eifrige Versicherungen, dass sie natürlich nicht…

Anne unterbrach das Gestotter. „Was steht denn drin?“

Max reichte ihr den Bericht und setzte sich an seinen Rechner. „Sie haben uns gerade eben auch alles Wichtige gemailt.“ Er tippte eine Zeitlang herum, dann tauchten Details vom Tatort an der Wand auf: der gefesselte und wirklich sehr gequält wirkende Creutzer ganz und in verschiedenen Details: Hämatome, geschwollene Zunge und Handschellen. Außerdem Reifenspuren vor der Hütte, ein Strauch mit hübschen rosa Blüten vor der Hüttenwand („Was soll das denn?“, maulte Max. „Kleiner Romantikanfall der Fotografin?“), das Türschloss, das Ventil der Propangasflasche und ihre Pegelstandsanzeige.

„Hm“, machte Anne, die sich das alles betrachtete. „Max, halte dich mit voreiligen Urteilen ein bisschen zurück. Der Strauch wird schon seinen Sinn haben. Von den Reifenspuren wurde ein Abdruck gemacht?“

„Natürlich!“, versicherte Max, leicht geknickt ob des Tadels.

„Komisches Profil“, fand Joe, der näher an die Tafel herangetreten war und die Aufnahme mit einer raschen Fingerbewegung vergrößert hatte. „Ist das ein Geländewagen? Oder ein SUV?“

Max trat zu ihm, von Anne nachsichtig betrachtet: Jungs eben! „SUV, würde ich sagen. Sehr breit.“

„Wo bitte ist der Unterschied zwischen Geländewagen und SUV – was die Reifen betrifft, meine ich?“, wollte Liz wissen und erntete einen „Mädchen!“-Blick, aber keine Antwort.

„Wir haben doch eine Datenbank von Reifenprofilen?“, überlegte Joe weiter. „Ich schau gleich mal nach – vielleicht hat ja einer der Verdächtigen einen passenden Wagen.“

„Mach das“, sagte Anne friedlich. „Ich denke, wir erledigen noch etwas Kleinkram und nehmen uns alle Beteiligten morgen noch einmal gründlich vor – vor allem eben, was die Alibis betrifft. Besonders für den Donnerstagnachmittag und den Abend, später kann es ja nicht passiert sein. Siehe Obduktionsbericht. Ein langes Wochenende… ich bin mal gespannt. So, und ich möchte wissen, was das für Blüten sind…“

Sie nahm den Hörer ab.

„Aha“, sagte sie einige Momente später. „Hartriegel, sagst du? Nie gehört – aber ich hab´s ja nicht so mit Pflanzen, weißt du ja. Rosablühender Hartriegel… ja, hab ich. Ist der selten? Ja, okay – schade, aber das hilft ja nun nichts. Jedenfalls danke.“

Etwas frustriert sah sie danach die anderen an. „Man hofft ja immer, dass dieser Strauch der einzige in ganz Bayern ist und seine Blüten hinter dem Scheibenwischer des Hauptverdächtigen klemmen. Leider gibt´s das Zeug aber überall.“

„Kann man nicht auch bei Pflanzen sowas wie eine DNA-Analyse machen?“, fragte Max.

„Kann man, ist aber teuer – und ob uns das weiterbringt? Heute frage ich da auch nicht mehr nach, erst morgen. So, hat jemand noch was? Nein? Dann machen wir für heute Schluss.“

Ein naheliegendes Opfer

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