Читать книгу Ein gefährliches Alter - Eva Ashinze - Страница 11

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7 «Du sagst, du hast dich heimlich aus dem Haus geschlichen.»

Nina nickte. Sie schaute mich nicht an, sondern starrte auf ihre Fingernägel, kratze einen Rest lila Nagellack ab. Ich war dabei, mit ihr die folgenschwere Nacht durchzugehen.

«Wie hast du dich hinausgeschlichen?»

«Ist das wichtig?» Nina hatte einen betont gelangweilten Gesichtsausdruck aufgesetzt. «Ich meine – das ist doch nur ein blödes Detail.»

«Details sind wichtig.»

Sie zuckte mit den Schultern.

Ich wurde nicht schlau aus Nina. Einerseits wollte sie ein Geständnis ablegen, andererseits musste ich ihr jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Gut, ich war nicht die Polizei. Aber bevor sie den Ermittlern etwas erzählte, wollte ich die ganze Geschichte kennen. Ich musste wissen, womit ich es zu tun hatte.

«Mein Zimmer ist im Erdgeschoss. Ich kann durchs Fenster in den Garten klettern und von da …» Wieder zuckte Nina mit den Schultern, was wohl so viel hiess, wie von da an war es nur ein Katzensprung bis zum Schulhaus St. Georgen.

«Machst du das öfter?»

«Was?»

«Dich nachts hinausschleichen.»

«Manchmal.»

«Weshalb?»

Nina schaute mich an, als ob ich den Verstand verloren hätte. «Weshalb wohl? Denken Sie, ich beobachte die Einhörner, die um Mitternacht auf der Wiese des Münzparks grasen? Oh Mann.» Mit einer übertriebenen Geste langte sie sich an die Stirn.

Ich musste mich aufs Äusserste zusammenreissen, um ruhig zu bleiben. Blöde Göre. Sie hatte keine Ahnung, in was für einen Schlamassel sie sich manövriert hatte. Zudem war ihr Gehabe zu übertrieben, es wirkte aufgesetzt. Mit einer Hand tastete ich in meiner Tasche nach der Zigarettenpackung, zog sie hervor. Ich stand auf, ging zum Fenster und öffnete es einen Spalt. Dann zündete ich mir eine Zigarette an. Keine Ahnung, was Frau Behrens dazu sagen würde. Es musste einfach sein.

«Darf ich auch eine?»

Ich sah Nina erstaunt an. «Du bist erst fünfzehn. Du darfst nicht rauchen.»

«Ich darf eine Menge nicht.»

Nun war ich diejenige, die mit den Achseln zuckte. Was sollte ich hier den Aufpasser spielen. Ich hielt ihr die Packung hin. «Von mir aus.»

Nina nahm sich eine Zigarette. Dann schnellte ihr Blick zur Tür. «Sie sagen doch meiner Mutter nichts.»

Beinahe hätte ich gelacht. Frau Behrens würde sich momentan wahrscheinlich die glücklichste Frau nennen, wenn es nur darum ginge, dass ihre fünfzehnjährige Tochter heimlich rauchte. «Keine Angst. Deine Mutter erfährt nichts», sagte ich.

Nina war keine geübte Raucherin. Sie hielt die Zigarette wie einen Kugelschreiber und machte vorsichtige Züge. Trotzdem schien das Rauchen sie zu entspannen. Ich machte mir Gedanken über sie. Hinter der ganzen Fassade, dem taffen Auftreten und den lackierten Nägeln steckte ein kleines Mädchen, das sich keinen Ärger einhandeln wollte.

«Was hast du getan?» Ich sah Nina nicht an, sondern konzentrierte mich darauf, den Rauch zum Fenster hinaus zu blasen.

Nina paffte vor sich hin. «Ich habe Luca Tanner getötet», sagte sie.

«Bist du sicher», fragte ich.

«Ja.»

Ich drückte meine Zigarette vorsichtig am äusseren Fensterrahmen aus, schnippte den Stummel in den Garten. Ich drehte mich zu Nina. «Dann erzähl mir jetzt alles. Es ist ernst, Nina.» Diesmal schien ich den richtigen Ton getroffen zu haben.

Nina sah mich an und nickte. Dann begann sie zu reden.

Zwanzig Minuten später kannte ich die ganze Geschichte. Ich hatte nicht gewusst, welche Abgründe sich bereits in Fünfzehnjährigen auftun können. Ich konnte mich kaum an meine eigene Jugend erinnern. Diese war geprägt von dem einen Ereignis, das mich bis heute beschäftigt: Dem Verschwinden meiner kleinen Schwester. Alles andere liegt im Schatten. Vielleicht trafen mich Ninas Schilderungen deswegen mit voller Wucht. Ich hatte nicht das Gefühl, jemals fünfzehn Jahre alt gewesen zu sein. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeutete. Nina zeigte es mir.

Ein gefährliches Alter

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