Читать книгу Ein gefährliches Alter - Eva Ashinze - Страница 23

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19 Ich kontrollierte mit der Hand die Temperatur des Badewassers, liess mehr heisses Wasser hineinfliessen. Im Bademantel ging ich in die Küche, nahm eine Flasche Chardonnay aus dem Kühlschrank und goss mir ein Glas ein. Ein einsamer Sonnenstrahl fiel durch das Fenster und liess den Wein hellgelb leuchten.

Zurück im Bad stellte ich das Glas auf den Wannenrand, liess den Bademantel zu Boden fallen und glitt vorsichtig ins Wasser. Es war wohlig warm und roch zart nach Lavendel. Ich streckte die Hand nach meinem Glas aus, trank einen ersten Schluck. Den hatte ich mir wahrlich verdient.

Der Nachmittag mit Nina, Koller und Frau Behrens war kein Zuckerschlecken gewesen. Erst die Einvernahme, dann hatte ich Nina und ihre Mutter nach Hause begleitet; ich hatte sie nicht gleich allein lassen wollen. Frau Behrens hatte abwechselnd geweint oder auf Nina eingeschrien und wirkte alles in allem wie eine Frau kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Nina, stumm und blass, zeigte keine Reaktion, sondern liess die Mutter auflaufen. Teenager. Mich schauderte.

Ich lehnte mich entspannt zurück, nahm noch einen Schluck, behielt den kühlen Wein einen Moment im Mund. Im Wohnzimmer klingelte mein Handy. Ich entschied, dass der Anruf nicht wichtig sein konnte. Auf jeden Fall nicht wichtig genug, um meine Wohlfühloase zu verlassen. Das Handy verstummte.

«Na, wer sagt’s denn», flüsterte ich vor mich hin.

Kaum ausgesprochen, klingelte es von Neuem. Und nach einiger Zeit ein drittes Mal. Ich seufzte missmutig. Widerwillig hievte ich mich aus der Badewanne. Mit dem Fuss stiess ich gegen das Weinglas, es fiel zu Boden, Scherben und Wein verteilten sich auf den weissen Steinplatten. Ich fluchte laut. Im Gehen schlüpfte ich in meinen Bademantel.

«Das hat ja gedauert», sagte Béjart anstelle einer Begrüssung.

Danke, du mich auch, dachte ich.

«Warst du unter der Dusche?», fuhr Béjart fort.

Ich ignorierte die Frage. «Ich hoffe, es ist wichtig», schnauzte ich stattdessen.

«Es geht um heute Abend. Ich fürchte, wir müssen die Pizza verschieben.»

«Du fürchtest?», ahmte ich ihn nach.

«Ich habe Lily. Aimée muss für einen kranken Kollegen die Nachtschicht übernehmen.»

Lily ist Béjarts fünfjährige Tochter. Sie ist an zwei Tagen pro Woche bei Béjart, den Rest bei der Mutter. Wenn einer der beiden verhindert ist, springt der andere ein. So wie an diesem Abend.

«Es tut mir leid, Moira.»

«Kein Problem.» Ich überschlug im Kopf den Inhalt meines Kühlschranks. Es würde wohl wieder bei Pasta mit gekauftem Pesto bleiben. Beim Gedanken daran seufzte ich.

«So schlimm?», fragte Béjart spöttisch.

Ich errötete. «Ich seufze nicht wegen dir. Ich hab nichts zu essen hier.» Meine Rechtfertigung klang ziemlich lahm.

«Komm zu mir», lud Béjart mich spontan ein. «Ich koche uns was, bringe Lily zu Bett, und dann können wir uns unterhalten.»

«Ich weiss nicht.» Ich wollte mich nicht aufdrängen.

«Ich bin ein guter Koch.»

Das war er tatsächlich; ich hatte auch schon das Vergnügen gehabt.

«Und du hast Lily noch nicht kennengelernt. Komm schon. Sie wird sich freuen.»

Ich hatte Lily kennengelernt. Béjart hatte es vergessen. Im Zusammenhang mit dem Verschwinden meiner Schwester hatte ich im letzten Jahr Aimée, die Mutter von Lily, befragt. Sie ist Polizistin, spezialisiert auf verschwundene Personen. Leider hatte sie mir nicht weiterhelfen können. Bei unserem Gespräch hatte sie Lily dabeigehabt.

«Ich kanns nicht gut mit Kindern», sagte ich.

«Woher willst du das wissen?», fragte Béjart. «Hattest du jemals mit einem zu tun?»

Ehrlicherweise musste ich diese Frage verneinen. Ich habe mit Kindern nicht viel am Hut.

«Ausserdem ist Lily nicht irgendein Kind», sagte er voll Vaterstolz.

Nein, natürlich nicht. Auf diese Idee wäre ich nie gekommen. Ich unterdrückte einen weiteren Seufzer.

«Also gut», kürzte ich diese Unterhaltung ab, «wann soll ich bei euch sein?»

Nach dem Telefonat liess ich das Bad Bad sein. Stattdessen kehrte ich die Scherben zusammen, wischte den Boden. Dann zog ich schnell einen Pulli und eine Jeans über, kämmte meine Haare und legte einen Spritzer Parfum auf. Ich musste, bevor ich zu Béjart fuhr, kurz in die Stadt. Ich musste etwas für Lily kaufen. Kinder waren mir unbekannte Wesen. Ich begegnete ihnen lieber nicht mit leeren Händen.

Ein gefährliches Alter

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