Читать книгу Ein gefährliches Alter - Eva Ashinze - Страница 19
Оглавление15 «Ich passe auf Mathilda auf, machen Sie sich keine Sorgen, Frau Martin. Und Gott wird auch ein Auge auf sie haben.» Mathilda ahmt Nina nach, imitiert deren Stimme.
«Das hat Nina echt zu deiner Mom gesagt?», fragt Alisar.
«Echt. ‹Gott wird auch ein Auge auf sie haben›, ich bin fast gestorben.» Mathilda ist aufgedreht, ihre Wangen sind gerötet und sie schwatzt viel mehr als sonst. «Aber meine Mutter hat ihr alles abgekauft. Sobald sie ‹Gott› hört, dreht sie total ab. Dabei – Nina und Gott, ich lach mich tot.»
«Hab ich da grad meinen Namen gehört?» Nina kommt ins Zimmer und posiert theatralisch unter dem Türrahmen. Sie hat die Haare mit Silberspray eingefärbt, die Augenbrauen mit dicken schwarzen Strichen nachgezogen, violette Lippen. Statt der üblichen Jeans trägt sei einen verschlissenen Rock über einem fadenscheinigen Petticoat und löchrige Strumpfhosen.
«O my God, du siehst so geil aus!», kreischt Alisar. «Lass mich mal deine Haare anfassen.»
Die drei Mädchen sind bei Nina und stylen sich für Halloween. Nachdem Nina sich für Mathilda stark gemacht hat, hat Frau Martin ihr im letzten Moment erlaubt, mit den Freundinnen mitzugehen.
«Um zehn muss ich zu Hause sein», murrt Mathilda. «Meine Mutter behandelt mich wie ein Baby.»
«Ach komm», Alisar stösst ihr den Ellbogen in die Seite. «Besser als nichts.»
«Genau. Besser als nichts», bekräftigt Nina. «Und jetzt mach mal vorwärts, los, zieh dich um! Alisar, gib ihr das Kleid.» Sie schaut Alisar misstrauisch an. «Du hast es doch mitgebracht?»
Alisar deutet stumm auf die Tüte zu ihren Füssen. Mathilda bückt sich danach, zieht das hellblaue Kleid hervor, lässt den glatten Stoff durch die Hände gleiten. «Ihr seht richtig halloweenmässig aus», sagt sie verzagt, «ein bisschen gruselig und trotzdem, naja, sexy.» Mathilda errötet und schaut von Nina zu Alisar, die ein enganliegendes schwarzes Kleid und einen schwarzen Schlapphut trägt; die Lippen hat sie blutrot angemalt, und sie hat ein paar falsche Vampirzähne dabei, die sie einsetzen kann. «Aber ich sehe in diesem Kleid einfach nur normal aus. Ich meine – hellblau. Das passt doch nicht.»
Nina und Alisar tauschen einen Blick.
«Wart ab», ergreift Alisar das Wort. «Wir haben da noch ein paar geile Accessoires.» Sie greift nach einer zweiten Tüte und reiht den Inhalt Stück für Stück vor Mathilda auf. Ein lila Tüllschleier. Ein lila Cape. Ein lila Spray für die Haare. Eine venezianische Augenmaske.
«Und dazu eine Tonne Schminke», sagt Nina. «Du wirst unsere Geisterbraut.» Sie schaut Mathilda erwartungsvoll an. «Na, wie gefällt dir das?»
Mathilda schaut sich an, was die Freundinnen da aufgetrieben haben. Alles nur für sie. Tränen treten ihr in die Augen, sie schluckt leer. «Ach ihr», sagt sie, «ihr spinnt ja.» Sie beugt sich vor und umarmt Alisar, streckt einen Arm nach Nina aus.
«Ich störe wohl gerade.» Beatrice Behrens steht im Türrahmen, betrachtet die drei. Sie ist dankbar, hat Nina gute Freundinnen. Und sie ist umso dankbarer, weil alle anständige Mädchen sind, liebe Mädchen. Arme Mathilda. Ihre Mutter hat nicht alle Tassen im Schrank. Dabei ist ohne Vater aufzuwachsen sowieso schon schwer genug.
«Erde an Mom. Hallo, Erde an Mom.» Nina schwenkt die Hand vor ihrem Gesicht.
Beatrice lächelt. «Entschuldigt. Ich war gerade woanders.» Sie betritt das Zimmer, geht zu Ninas Schreibtisch und stellt das Tablar ab. «Ich habe einen kleinen Imbiss für euch vorbereitet. Menschenblut», sie hebt den Krug mit Grenadinesirup, «und Schrumpfmumien.» Sie deutet auf die Würstchen im Blätterteig, denen sie mit Senf Augen aufgemalt hat.
«Mein Gott, Mama», sagt Nina. «Wir sind doch keine kleinen Kinder mehr! Menschenblut und Schrumpfmumien. Wie peinlich ist das denn?»
Es ist Frau Behrens anzusehen, dass Ninas harsche Art sie verletzt. Trotzdem lächelt sie ein schiefes Lächeln: «Du hast recht, Nina. Ich habe nicht nachgedacht.»
«Es sieht lecker aus, Frau Behrens», sagt Alisar.
Ninas Mutter schaut sie dankbar an, bevor sie das Zimmer verlässt.
«Mann, Nina», herrscht Alisar Nina an. «War das wirklich nötig? Sie hat es gut gemeint.»
Nina grummelt etwas vor sich hin.
Mathilda hat das Zwischenspiel aufmerksam verfolgt. Sie steht auf, holt sich ein Würstchen. «Du hast wirklich Glück mit deiner Mutter», sagt sie zu Nina und beisst hinein.