Читать книгу Ein gefährliches Alter - Eva Ashinze - Страница 15
Оглавление11 «Ich bin nicht sicher, ob du an Halloween teilnehmen solltest.» Rosmarie Martin hat Mathilda den Rücken zugewandt und macht sich in der kleinen offenen Küche zu schaffen. «Das ist ein heidnischer Brauch. Und abends so lange unterwegs sein? Ich weiss nicht.»
«Ich gehe mit Nina und Alisar.»
Mathilda sitzt am Esstisch und betrachtet über die Theke hinweg den schmalen Rücken ihrer Mutter, sieht die rhythmischen Bewegungen, mit denen sie hingebungsvoll einen Kochtopf schrubbt. «Da ist doch nichts dabei. Wir gehen durchs Quartier, läuten an den Türen und fragen nach Süssigkeiten. Das ist nicht gottlos.»
Die Mutter stellt den Topf auf die Ablage, schweigt.
«Alle machen das», fügt Mathilda jämmerlich an.
«Wir sind aber nicht alle», sagt die Mutter.
Mathilda seufzt. Vor ihr liegt aufgeschlagen das Matheheft, mit einem Bleistift zeichnet sie abwesend kleine Figuren auf den Seitenrand. Einen Jungen im Kapuzenpulli. Ein Mädchen mit langen lockigen Haaren.
«Hast du gehört?» Die Mutter wendet sich ihr zu. Ihre Hände stecken in rosafarbenen Gummihandschuhen, Schaum tropft auf den Boden. «Wir sind nicht alle. Wir sind auserwählt. Gott hat uns auserwählt.» Ihre Augen haben wieder diesen entrückten Blick, den Mathilda so hasst.
«Ach Mama.» Mathilda schaut die Mutter unglücklich an, klingt aber zugleich ungeduldig. Weshalb kann ihre Mutter nicht einfach normal sein, so wie die Mutter von Alisar? Oder die von Nina? Wieso läuft sie die ganze Zeit in Röcken durch die Gegend und trägt das dünne, mit grau durchzogene Haar lang und offen, ohne erkennbare Frisur? Manchmal schämt sich Mathilda für ihre Mutter. Und dann fühlt sie sich schuldig, weil sie solche Gedanken hat. Früher war die Mutter nicht so extrem. Aber seit ihr Vater gegangen ist, ist es immer schlimmer geworden.
Rosmarie streift die Handschuhe ab, legt sie sorgfältig neben die Spüle, zieht die blaue Küchenschürze über den Kopf, faltet sie. «Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus, wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe», zitiert Rosmarie. Sie umrundet die Theke, setzt sich zu Mathilda an den Tisch. Diese klappt schnell das Matheheft zu.
«Lass uns beten, Mathilda.» Rosmarie greift nach Mathildas Händen. «Lass uns beten. Gott wird uns die Antwort geben.»