Читать книгу Ein gefährliches Alter - Eva Ashinze - Страница 25

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21 «Schläft sie?», fragte ich Béjart, als er auf den Balkon trat. Ich hatte hier draussen eine Zigarette geraucht, während er Lily zu Bett gebracht hatte. Béjart bewohnte eine hübsche Wohnung in einem alten Bauernhaus am Stadtrand. Von seinem Balkon aus sah man über die Felder und weiter hinten ein Stück Wald.

Er nickte.

«Sie ist süss», sagte ich. Ich musste nicht einmal lügen. Lily war süss; sie hatte langes, seidiges Haar, dunkle Augen und ein glückliches Lächeln.

«Sie sieht aus wie du», sagte ich.

Béjart schwoll die Brust vor Stolz.

«Abgesehen von ihrem Lächeln», fügte ich hinzu. Ich zündete mir noch eine Zigarette an, reichte ihm die Packung. Er nahm sich eine, ich gab ihm Feuer. Mein Gesicht war nah an seinem.

«Was stimmt an meinem Lächeln nicht?», fragte er.

«Du lächelst nie», erwiderte ich. Ich sah Béjart an. Er sah immer ein wenig müde aus, ein wenig traurig und von Sorgen zerfurcht. Ich verspürte plötzlich den Drang, ihn an der Wange zu berühren. Béjart war mein Freund. Vielleicht war er mehr als mein Freund. Aber ich wollte nichts riskieren. Und sowieso: Schwang nicht in den meisten Freundschaften eine Spur körperlicher Anziehung mit?

Ein Geschrei, halb Mensch, halb Tier, liess mich zusammenzucken.

«Schon wieder diese Katzen!» Béjart war ungehalten. «Jeden Abend veranstalten sie ihre Kämpfe.»

Der Moment war vorbei. Ich trat einen Schritt zurück, drehte mich um und spähte über das Geländer in die Dunkelheit. Ich konnte keine Katzen sehen, aber das Geschrei hörte nicht auf.

«Lass uns rein gehen.» Béjart berührte mich am Arm. «Es ist kalt.»

Im Wohnzimmer setzte ich mich auf die dunkle Ledercouch, Béjart sich in einen Sessel mir gegenüber. Zwischen uns auf einer zum Beistelltisch umfunktionierten alten Truhe standen eine Flasche Wein und unsere Gläser. Ich beugte mich vor, griff nach meinem.

«Frau Behrens hat mich gebeten, Nachforschungen anzustellen. Sie will, dass ich herausfinde, wer Luca tatsächlich getötet hat. Sie will wissen, weshalb Nina die Schuld auf sich nehmen wollte.» Ich hatte Béjart, während Lily am Fernsehen das Sandmännchen geguckt hatte, bereits von meinem ereignisreichen Nachmittag erzählt.

«Wie ich dich kenne, hast du eingewilligt.» Béjart griff ebenfalls nach seinem Glas.

Ich zuckte mit den Schultern, nippte am Wein. «Ich musste.»

«Du musstest?», fragte Béjart mit einem ungläubigen Unterton.

Ich fuhr mit dem Finger über den Rand meines Weinglases, versuchte, ihm einen Ton zu entlocken. Ich dachte an Luca und an Nina. Irgendetwas musste vorgefallen sein zwischen ihnen. Wie Koller bemerkt hatte: Ninas Wut war echt. Ich fragte mich, wozu Nina gezwungen worden war. Und von wem.

Ich sah auf. Béjarts Blick ruhte auf mir; seine dunklen, tiefliegenden Augen verrieten nichts über seine Gedanken.

«Du vergisst, dass du Anwältin bist, keine Detektivin, Moira», sagte er sanft.

«Ist das nicht manchmal fast dasselbe?», entgegnete ich.

«Du weisst genau, weswegen du diesen Fall angenommen hast. Aber egal, wie sehr du dich anstrengst, du kannst deine Schwester nicht mehr retten.»

«Meine Schwester nicht. Aber eine andere Fünfzehnjährige.»

Ein Weinen aus Lilys Zimmer unterbrach unsere Unterhaltung. Béjart eilte zu ihr.

Ich trank mein Glas aus und fing dann an, die Küche zu machen. Ich war gerade dabei, die Pfannen abzuwaschen, als Béjart zurückkam. «Alles gut?»

Er nickte. «Nur ein schlechter Traum.» Er nahm ein Küchentuch und begann abzutrocknen. Ich betrachtete ihn. Ich fragte mich, was für eine Art Mann er vor Lily gewesen war. Manchmal wünschte ich, ich hätte, was er hatte. Manchmal wünschte ich, ich hätte etwas zu verlieren.

«Du guckst traurig, Moira.»

Unbewusst hatte ich beim Abwaschen innegehalten. Schnell machte ich weiter. «Alles gut», sagte ich. «Ich habe nur nachgedacht.»

Schweigend machten wir weiter, setzten uns danach zurück ins Wohnzimmer.

Béjart schenkte uns beiden Wein nach.

«Wie geht’s Asim?», fragte Béjart aus heiterem Himmel.

Asim war seit Jahren ein guter Freund von mir. Manchmal half er mir bei meinen Fällen; so hatten Béjart und er sich kennengelernt.

«Er ist für einen Monat in Pakistan bei seiner Familie.»

«Und das «Alibaba»?» Das «Alibaba» war Asims Restaurant, sein Baby.

«Bilal, sein Hilfskoch übernimmt in dieser Zeit. Ich hoffe, er enttäuscht Asim nicht.» Asim nahm es sehr genau, was die Zubereitung seiner Gerichte betraf. Deswegen lief das «Alibaba» seit Jahren gut.

«Vermisst du ihn?»

«Was?» Die Frage überraschte mich.

«Ob du Asim vermisst?» Béjarts Gesichtsausdruck war unergründlich.

Jetzt, wo ich darüber nachdachte, vermisste ich Asim tatsächlich. Ich war es gewohnt, ihn mindestens einmal pro Woche zu sehen, mich im «Alibaba» verköstigen zu lassen oder eine Flasche Wein mit ihm zu trinken. «Ja», antwortete ich.

Béjart sah mich nicht an. Bildete ich mir das ein, oder hatte sich seine Miene verdüstert? Ich nahm die Flasche vom Couchtisch, verteilte den Rest Wein auf unsere Gläser. Er nahm seines, trank einen grossen Schluck.

«Eifersüchtig?», fragte ich Béjart.

Seine Augen bohrten sich in meine. «Habe ich Grund dazu?», fragte er.

Ich erwiderte den Blick und schüttelte wortlos den Kopf.

Ein gefährliches Alter

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