Читать книгу Ein gefährliches Alter - Eva Ashinze - Страница 26

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22 In der Nacht hatte ich wieder den gleichen Traum; wieder versuchte ich Maria einzuholen und kam nicht vom Fleck. Wieder mischte mein Vater mit. Auch diesmal stand er plötzlich vor mir, in ein violettes Boubou gekleidet, das Gesicht dunkel und faltig. Wenigstens lachte er mich heute nicht aus.

«Du bist auf dem falschen Weg, Mmesoma», sagte er. «Deswegen kommst du nicht vom Fleck. Hör auf deinen Namen. Er leitet dich.»

Mmesoma ist mein zweiter, nigerianischer Vorname. Er bedeutet «Der gute Weg». Obwohl ich mit den Worten meines Vaters nicht viel anfangen konnte, schrieb ich sie später in mein Traumtagebuch. Vielleicht konnte James sie entschlüsseln. Dann erhob ich mich und setzte Kaffee auf. Ich fühlte mich wie gerädert.

Gestern bei Béjart war es spät geworden. Wir öffneten eine zweite Flasche Wein, was im Nachhinein betrachtet ein Fehler war. Dazu hatten wir «The Pledge» mit Jack Nicholson als obsessivem Ex-Polizisten Jerry Black geschaut.

«Wirst du auch mal so wie Black?», hatte ich Béjart gefragt.

«Wie denn?»

«Bitter und voller Sehnsucht und mit einer Reihe zerbrochener Beziehungen.»

Béjart überlegte. «Eine Reihe zerbrochener Beziehungen habe ich schon», hatte er geantwortet. «Und voller Sehnsucht bin ich auch.» Béjart hatte mich wieder mit diesem unergründlichen Gesichtsausdruck angeschaut. Ich hatte den Blick gesenkt. Ich war mir Béjarts Nähe plötzlich wieder sehr bewusst gewesen.

«Fehlt also nur noch die Bitterkeit», hatte ich leichthin gesagt. «An der musst du noch arbeiten.»

Bald darauf hatte ich mich verabschiedet. Ich hatte lange nicht einschlafen können.

Nach der ersten Tasse Kaffee fühlte sich mein Kopf schon etwas weniger wie in Watte gepackt an. Ich goss mir eine zweite Tasse ein und rauchte dazu am Fenster eine Zigarette. Ich verdrängte alle Gedanken an meinen Vater und an Béjart. Damit konnte ich mich nach Feierabend wieder befassen. Ich hatte zu tun. An diesem Morgen stand eine Gerichtsverhandlung an; die sollte nicht lange dauern. Die Parteien hatten im Vorfeld eine Scheidungsvereinbarung geschlossen, und ich begleitete die Ehefrau mehr als moralische Stütze denn als rechtlichen Support.

Fünf Stunden später stand ich vor dem Istanbul-Döner und biss heisshungrig in einen Dürüm mit allem, extra scharf. Die Verhandlung war zum Desaster mutiert. Der Anwalt des Ehemannes und ich hatten im Gerichtssaal verzweifelte Blicke ausgetauscht, als sowohl der Mann als auch die Frau angefangen hatten, sich gegenseitig zu beschimpfen und sich der Inhalt der Vereinbarung sozusagen in Luft aufgelöst hatte. Statt einer einvernehmlichen Scheidung hatte ich es nun mit einem Rosenkrieg zu tun.

Missmutig schaute ich mich nach einem Sitzplatz um, aber alle Bänke vor der Migros waren besetzt, von den Stühlen vor dem Istanbul-Döner ganz zu schweigen. Es war immer etwas los hier am Obertor. Ich setzte mich auf eine der steinernen Baumumrandungen und widmete mich meinem Dürüm. Meine Laune hob sich mit jedem scharfen Bissen. Als ich fertig war, wischte ich mir den Mund mit einer dünnen Papierserviette, zerknüllte sie und warf sie in den nächsten Papierkorb. Dann nahm ich mein Telefon zur Hand, wählte.

«Frau Behrens, hier ist van der Meer», sagte ich. «Ist Nina zu Hause?»

Ein gefährliches Alter

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