Читать книгу Ein gefährliches Alter - Eva Ashinze - Страница 8
Оглавление4 «Vielen Dank», sagte die schüchterne junge Bedienung und schaute mich ungläubig an. Ich hatte den zu bezahlenden Betrag grosszügig aufgerundet. Zu grosszügig, wie mir jetzt schien. Aber egal. Mir war wohlig warm, und ich hatte gut gegessen. Ich erhob mich, schlüpfte in meinen Mantel und verliess das «Dimensione», ein kleines Restaurant am oberen Ende der Altstadt.
Zuvor hatte die Sonne geschienen, aber mittlerweile nieselte es. Ich sah zum Himmel hinauf, vereinzelte Tropfen trafen mich. Ich mag den April. Er ist wie mein Leben: Ich weiss nie, was mich im nächsten Moment erwartet. Ich zog eine Packung Zigaretten aus meiner Manteltasche. Missmutig beäugte ich sie. Nur noch eine übrig – schon wieder. Irgendwie war mir in letzter Zeit der Zigarettenkonsum etwas entglitten. Es war Frühling. Zeit, meine guten Vorsätze fürs neue Jahr endlich umzusetzen. Weniger Alkohol. Weniger Nikotin. Mehr Zeit für Musse im Alltag.
Ich zündete mir die Zigarette an. Morgen würde ich damit anfangen.
Kaum hatte ich den ersten Zug getan, läutete mein Handy. Ich seufzte, zog es aus der anderen Manteltasche.
«Ich … Hier ist Behrens am Apparat, Beatrice Behrens.» Nach diesem zögerlichen ersten Satz herrschte erst einmal Stille. Das war nicht ungewöhnlich. Einen Anwalt anzurufen, kostet Überwindung. Ich wartete.
«Meine Tochter. Ich brauche einen Anwalt für meine Tochter.» Frau Behrens klang verzweifelt.
Was die Tochter wohl ausgefressen hatte? Wieder wartete ich.
«Es geht um diesen Luca Tanner.»
Luca Tanner. Luca T. Der tote Junge. «Was ist mit ihm?», fragte ich vorsichtig.
«Meine Tochter. Nina. Sie sagt … Sie sagt, sie war es.» Frau Behrens Stimme brach. «Sie sagt, sie hat Luca umgebracht.» Nun schluchzte sie unterdrückt.
Ich biss mir auf die Lippen, überlegte. Der tote Luca. Die geständige Nina. Wahrscheinlich waren sie im selben Alter. Soviel ich mitbekommen hatte, war bislang noch kein Tatverdächtiger festgenommen worden. «Wo ist Nina?», fragte ich.
«Nina? Sie ist hier, bei mir. Ich weiss nicht, was ich … Ich …» Die Stimme verlor sich. Die Frau schien fix und fertig zu sein.
Ich fasste einen Entschluss. «Geben Sie mir Ihre Adresse», sagte ich. «Ich komme zu Ihnen.»
Frau Behrens schien erleichtert. Ich machte mit ihr ab, dass ich vorbeikommen und mir ein Bild von Nina und ihrer
Aussage machen würde. Danach würden wir entscheiden, wie weiter.
«Nina soll bleiben, wo sie ist», sagte ich. Dann legte ich auf.
Meine Zigarette war mittlerweile bis auf den Stummel abgebrannt. Ich warf sie weg, tastete nach einer neuen, erinnerte mich an die leere Packung. «Mist, verdammter», murmelte ich und meinte damit nicht nur die Zigaretten. Wie es schien, hatte ich mir soeben einen neuen Fall eingehandelt. Und was für einen. So viel zu etwas mehr Musse. Aber ich war nicht unglücklich über die Wendung, die mein Tag genommen hatte. Meine Neugier war geweckt. Und die Büroarbeit, die ich am Nachmittag hatte erledigen wollen, lief nicht weg.
Ich machte einen kurzen Abstecher zum Kiosk am Obertor und holte mir neue Zigaretten, bevor ich mich zu der Adresse begab, die Frau Behrens mir angegeben hatte: Friedensstrasse Nr. 1. Wie passend.