Читать книгу Ein gefährliches Alter - Eva Ashinze - Страница 22
Оглавление18 Koller musste Nina mit ihrem falschen Geständnis konfrontieren. Er wollte herausfinden, was der Grund dafür war. Schützte sie jemanden? Versuchte sie, die Ermittlungen zu sabotieren? Nicht, dass diese schon sehr weit gediehen wären. Koller gab zu, dass sie momentan auf der Stelle traten, die Befragung der engsten Freunde und Bekannten hatte nichts ergeben, die Auswertung der Handydaten und der kriminaltechnischen Untersuchung liess auf sich warten. Einzig der provisorische Obduktionsbericht lag vor. Bei Kindern arbeitet die Rechtsmedizin schneller. Und Luca war mit seinen fünfzehn Jahren noch immer ein Kind.
Ich wollte kurz mit Nina allein sprechen. Koller verliess das Büro und schickte sie herein. Ich sagte ihr auf den Kopf zu, dass sie gelogen hatte. Ich war nicht wütend, aber ich war auch nicht besonders freundlich. Etwas in Ninas Gesicht verschloss sich. Sie sprach nicht mit mir. Koller verweigerte sie anschliessend ebenfalls jegliche Antworten, so sehr er versuchte, sie zum Reden zu bringen. Schliesslich ordnete Koller seufzend an, dass Ninas Fingerabdrücke genommen wurden. Vielleicht war sie ja doch am Tatort gewesen, hatte aber den Schlag nicht ausgeführt. Auch ihre Handydaten würden ausgewertet werden. Danach entliess man uns – fürs Erste.
Die ganze Zeit über blieb Nina stumm wie ein Fisch. Erst als wir auf ihre Mutter zugingen, sagte sie etwas. Sie sagte: «Reden Sie mit ihr? Bitte.»
«Was? Gelogen?» Frau Behrens war ausser sich. Sie packte Nina an den Oberarmen und schüttelte sie. «Du hast mich belogen? Du hast Luca nicht umgebracht?»
Ich legte ihr beruhigend die Hand auf die Schultern. «Frau Behrens. Wir sind nicht allein.»
Tatsächlich wurden wir angestarrt; Frau Behrens Stimme war auf dem ganzen Stockwerk zu hören.
«Weshalb hast du das getan?», schrie sie. «Weshalb? Bekommst du dermassen wenig Aufmerksamkeit?» Sie versuchte Nina zu schlagen, aber es war keine gewalttätige Geste, vielmehr Ausdruck äusserster Hilflosigkeit. «Weisst du, was du mir angetan hast? Weisst du das?»
Tränen liefen über Ninas Gesicht. Sie sagte kein Wort. Irgendwie gelang es mir, die beiden nach draussen zu lotsen, die eine links, die andere rechts. Ich steuerte auf einen der wenig genutzten Rundbänke zu, die auf dem Kiesplatz vor dem Gebäude der Kantonspolizei und der Staatsanwaltschaft stehen.
«Jetzt wird erst einmal geraucht», verkündete ich. Rauchen war immer gut. Ich zündete eine Zigarette an, reichte sie Nina, dann tat ich das gleiche für Frau Behrens und schliesslich kam ich selbst zum Zug. Die Gemüter schienen sich etwas zu beruhigen. Ich inhalierte und sah in den blauen Himmel hinauf. Ein hübsches Lüftchen wehte. Ich schloss kurz die Augen und stellte mir vor, was für ein Leben ich führen könnte. Ein Leben ohne Mandanten, ohne Verbrechen, ohne Abgründe. Ich öffnete die Augen wieder. In der Ferne türmten sich dunkle Wolken auf. Bald würde es wieder regnen.
«Mama, ich habe dich noch nie rauchen sehen», sagte Nina. Frau Behrens liess den Oberkörper nach vorne fallen und brach in Tränen aus.