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Freie Aufsätze:

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Das gelegentliche Anfertigen von freien Aufsätzen ist eine gute Möglichkeit, die inneren Konflikte der Schüler zu verstehen. Ich möchte dies an zwei Beispielen veranschaulichen. Der erste Aufsatz ist von einem stotternden, lernbehinderten 10-jährigen Jungen: »Der Cowboy. Es war einmal ein Cowboy. Er hatte einen Colt. Er konnte sehr schnell schießen. Alle Leute hatten Angst vor ihm. Sie sind ihm aus dem Weg gegangen. Er hatte einen Stern. Er musste immer die Räuber einfangen und sie ins Gefängnis sperren. Dann kamen sie auf das Gericht und wurden verurteilt. Sie bekamen eine Strafe. Sie wurden erschossen. Da kamen die anderen Gangster und erschossen den Sheriff. Da kam die Kavallerie und fing die 100 Gangster ein. Die Gangster wehrten sich, aber sie schafften es nicht.«

Zeigt sich hier nicht die ganze innere Dynamik eines stotternden Kindes ( Kap. 29), der nichtendende Konflikt zwischen aggressiven Impulsen und hemmendem Über-Ich und der Suche nach männlicher Identität?

Der Aufsatz eines lernbehinderten 12-jährigen Mädchens: »Die grünen Männchen. Die grünen Männchen sind die gefährlichsten Männchen auf der Welt. Ich habe sie gemalt und über Nacht sind sie verschwunden. Sie sind aus dem Papier heraus wirklich geworden. Sie lungerten in der Wohnung herum, bastelten eine Pistole und stellten die Pistole auf den Schreibtisch. Als dann ein Mann vorbeikam, schossen sie. Er duckte sich und die grünen Männchen verschwanden. Der Mann erhob sich langsam wieder. Da kam der Besitzer der Wohnung und fragte: ›Was ist denn los?‹ Der Mann erzählte von den grünen Männchen. Das waren die Männchen, die ich gemalt hatte. Wir suchten sie. Ich suchte im Arbeitszimmer. Im Arbeitszimmer fand ich sie dann.«

In der Nacht kommen die unbewussten aggressiven Impulse, erschießen den Mann, in der Übertragung die Lehrerin, vielleicht sind Mutter oder Vater gemeint. Der Mann (die Lehrerin) kann sich aber ducken und das Mädchen zusammen mit ihm die Männchen, sicher nicht zufällig im Arbeitszimmer, wiederfinden. Zeigt die Geschichte nicht sehr schön, wie das Mädchen, das mit einem IQ von 100 auf der Sonderschule für Lernbehinderte war, ihre eigenen Produkte aggressiv besetzte und eine Lernhemmung entwickeln musste, solange sie diese Aggression nicht ins Ich integrieren konnte, weil sie befürchten musste, dass ihr Gegenüber diese Aggression nicht überlebt? Ohne den Bezug zum Elternhaus herstellen zu müssen, können solche Interpretationen in Einzelgesprächen oder auch in der Klasse, wenn das entsprechende Klima erreicht ist, besprochen werden.

Psychische Störungen in Kindheit und Jugend

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