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c) Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
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Es ist unmittelbar einsichtig, dass internationale Doppelbesteuerungen jeglicher Art und gleich welcher Höhe grundsätzlich prohibitiv auf Investitionsentscheidungen der Steuerpflichtigen wirken. Doppelbesteuerungen sind auch volkswirtschaftlich unerwünscht, weil sie eine effiziente Allokation von Produktionsfaktoren (insbesondere von Kapital) verhindern[71]. Zwar könnte ein Staat versucht sein, sich durch eine Extension seines Besteuerungsrechts kurzfristig ein Mehr an Einnahmen zu verschaffen, jedoch geriete dadurch der auf Wechselseitigkeit und Langfristigkeit angelegte grenzüberschreitende Wirtschaftsverkehr auf dem Weltmarkt in Gefahr. Mittlerweile besteht Einigkeit, dass internationale Doppelbesteuerungen letztlich keinem der beteiligten Staaten einen Nutzen bringen[72].
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Obwohl sich aus dem Völkerrecht nach hM keine Verpflichtung zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen ableiten lässt[73], haben die Staaten vor dem Hintergrund jener vorgenannten schädlichen Wirkungen die schon mehrfach erwähnten Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ergriffen. Dabei kann es sich einerseits um sog. unilaterale (einseitige) Maßnahmen handeln, also Maßnahmen, die im nationalen Recht eines Staates verankert werden und für deren normative Entstehung und Anwendung die Regeln des jeweiligen nationalen Rechts gelten[74]. Andererseits können diese Maßnahmen zwischen Staaten auch bilateral (zweiseitig), multilateral (mehrseitig) oder im Wege supranationalen Rechts vereinbart werden.
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Die beiden wichtigsten Methoden[75] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, die sich auch international durchgesetzt haben, sind die sog. Anrechnungsmethode (credit method) und die sog. Freistellungsmethode (exemption method). Bei der Anrechnungsmethode rechnet ein Staat (regelmäßig der Ansässigkeitsstaat) die im Ausland gezahlte Steuer auf die inländische Steuerschuld an, während der Ansässigkeitsstaat bei der Freistellungsmethode im Ausland erzielte Einkünfte des Steuerpflichtigen von der inländischen Bemessungsgrundlage ausnimmt.
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Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung dienen dem Ziel, den Wirtschaftsverkehr zwischen den Staaten zu fördern. Abgesehen davon jedoch, dass dies von Steuerpflichtigen missbräuchlich zum eigenen Vorteil ausgenutzt werden kann, führen die Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu einer Situation, in der sich die Staaten durch eine Ausweitung ihres Besteuerungsrechts allein im internationalen Wettbewerb kaum noch einen Vorteil verschaffen können. Stattdessen könnten sie versucht sein, über gesenkte Steuersätze in einen Steuerwettbewerb mit anderen Staaten einzutreten und über sonstige Maßnahmen wie besondere Steuervergünstigungen für ausländische Steuerpflichtige oder eine Informationsabschottung gegenüber dem Ausland Investitionen anzuziehen.
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Erreicht die Gesamtheit dieser Maßnahmen eine Intensität, die geeignet ist, die Steuerpflichtigen gezielt an Investitionen in anderen Staaten zu hindern, kommt es zu einem schädlichen Steuerwettbewerb, der aus der Sicht der Staatengemeinschaft und auch aus der Sicht der OECD nicht wünschenswert ist[76] (harmful tax competition). Nur im Extremfall handelt es sich bei den damit angesprochenen Staaten um typische Steueroasen. Auch innerhalb der Europäischen Union sind von der OECD schädliche Steuerpraktiken der Mitgliedsstaaten identifiziert worden[77].
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