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1. Verstrickung bei Begründung des Besteuerungsrechts
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Wenn ein Wirtschaftsgut[91], das zuvor nicht der deutschen Besteuerung unterlag, in die deutsche Steuerpflicht hineinwächst, nennt man diesen Vorgang Verstrickung. Rechtstechnisch hat der Gesetzgeber die Verstrickung dadurch normiert, dass die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts in § 4 Abs. 1 Satz 7 HS 2 EStG einer Einlage[92] gleichgestellt wird. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Nr 5a EStG[93] zu sehen, wonach in den Fällen des § 4 Abs. 1 Satz 7 HS 2 EStG das Wirtschaftsgut mit dem sog. gemeinen Wert[94] anzusetzen ist.
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§ 4 Abs. 1 EStG ist durch das „Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften“ (SEStEG) vom 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782 ff in das Gesetz aufgenommen worden. § 4 Abs. 1 Satz 7 HS 2 EStG ist erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2005 enden (§ 52 Abs. 8b EStG). Zuvor gab es für die Verstrickung und die Entstrickung weder eine gesetzliche Normierung, noch war ein einheitliches gesetzgeberisches Konzept erkennbar[95]. Nach der Gesetzesbegründung soll durch die Neuregelung die Aufdeckung stiller Reserven in allen Fällen sichergestellt sein, in denen (sei es durch Einzel-, sei es durch Gesamtrechtsnachfolge) aufgrund der Bewegung des Wirtschaftsguts ein Rechtsträgerwechsel stattfindet, Vermögen die betriebliche Sphäre verlässt, die Steuerpflicht endet oder Wirtschaftsgüter anderweitig dem deutschen Besteuerungszugriff entzogen werden.
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Aus der Formulierung „Begründung des Besteuerungsrechts“ ist zu folgern, dass zuvor kein – auch kein beschränktes – Besteuerungsrecht an dem Wirtschaftsgut bestanden haben darf. Der Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht ist daher für § 4 Abs. 1 Satz 7 HS 2 EStG irrelevant, weil das Wirtschaftsgut bereits steuerverstrickt war[96]. Auf welche Weise das Wirtschaftsgut in die Steuerverstrickung gelangt, ist ebenso unerheblich wie die Tatsache, wie der Vorgang in dem ausländischen Staat behandelt wird, der zuvor das Besteuerungsrecht innehatte[97].
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Lösung Fall 1 (Rn 52):
Betriebsprüfer P irrt in zweierlei Hinsicht. Zum einen wären in den Fällen des § 4 Abs. 1 Satz 7 HS 2 EStG die überführten Einzelteile wegen § 6 Abs. 1 Nr 5a EStG mit dem gemeinen Wert und nicht mit dem Teilwert anzusetzen[98]. Zum anderen ist § 4 Abs. 1 Satz 7 HS 2 EStG bereits tatbestandlich nicht anwendbar, weil infolge der Überführung der Einzelteile (Wirtschaftsgüter) das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter nicht begründet wird. Da es sich bei der Republik Angola um einen Nicht-DBA-Staat handelt, unterlagen die im Betriebsvermögen der ausländischen Betriebsstätte gehaltenen Wirtschaftsgüter aufgrund des Welteinkommensprinzips ohnehin der deutschen Besteuerung. Eine bloße „Verstärkung“ des Besteuerungsrechts ist für § 4 Abs. 1 Satz 7 HS 2 EStG nicht genügend[99]. Ein Gleiches gilt in allen Fällen, in denen in einem DBA für Betriebsstättengewinne die Anrechnung vorgesehen ist. (Hinweis: Dies ist systematisch insofern inkonsequent, als der umgekehrte Fall – Überführung von Wirtschaftsgütern in eine sog. Anrechnungsbetriebsstätte – jedenfalls nach Ansicht der Finanzverwaltung als Fall einer Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG anzusehen ist.)