Читать книгу Internationales und Europäisches Steuerrecht - Florian Haase - Страница 36

IV. Verstrickung und Entstrickung bei Kapitalgesellschaftsanteilen (§ 17 EStG)

Оглавление

90

Fall 5:

Die natürliche Person X wohnt seit ihrer Geburt in dem Nicht-DBA-Staat A. Am 1.1.2000 erwirbt sie eine 5%ige Beteiligung an der Internetunternehmung Y-Ltd. (Sitz und Geschäftsleitung im ausländischen Staat B). Die Anschaffungskosten betragen 200. Im Juni 2004 zieht X nebst Familie nach Deutschland und begründet Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt. Zu diesem Zeitpunkt betrug der gemeine Wert der Beteiligung 600. Aufgrund abweichender Bewertungsvorschriften kommt der ausländische Staat B jedoch auf einen gemeinen Wert von 500, der im Rahmen einer Wegzugsbesteuerung im Staat A zugrunde gelegt wird. Im Mai 2020 veräußert X die Beteiligung für 1000. Der Veranlagungsbeamte B ist neidisch und möchte die Steuer auf einen Veräußerungsgewinn von 800 berechnen. Zu Recht? Lösung Rn 96

91

Fall 6:

Die natürliche Person A hat ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Sultanat Oman (kein DBA-Staat). A ist seit dem 1.1.2006 zu 25% an der X-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland beteiligt. Die Beteiligung wird im Privatvermögen gehalten. Nunmehr verlegt die X-GmbH (unter Zurückbehaltung ihres Sitzes in Deutschland) ihre Geschäftsleitung in die Schweiz. Der Veranlagungsbeamte B ist misstrauisch und sinnt in seinen Diensträumen über die Besteuerungskonsequenzen nach. Lösung Rn 97

92

In § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG ist eine besondere Verstrickungsregelung für den wichtigen Fall von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften enthalten[154]. Gemeint ist der Fall, dass der Veräußerer im Sinne des § 17 EStG Anteile an einer Kapitalgesellschaft hält und vor der Veräußerung im Inland unbeschränkt steuerpflichtig wird[155]. Die Anteile wachsen aufgrund dieses Vorgangs gleichsam in die deutsche Besteuerung hinein. Weist dann der Veräußerer nach, dass ihm die Anteile bereits im Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG zuzurechnen waren und dass der bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Vermögenszuwachs aufgrund gesetzlicher Bestimmungen des Wegzugsstaats im Wegzugsstaat einer der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen hat, tritt an die Stelle der Anschaffungskosten[156] (und in der Höhe begrenzt durch den gemeinen Wert) der Wert, den der Wegzugsstaat bei der Berechnung der der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer angesetzt hat[157].

93

Gleichsam korrespondierend enthält § 17 Abs. 5 EStG eine besondere Entstrickungsregelung für im Privatvermögen gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften. Sie fügt sich systematisch wie folgt ein: Während § 6 AStG den Wegzug natürlicher Personen und deren Besteuerung regelt, betrifft § 12 KStG (insbesondere Abs. 3) den Wegzug von Körperschaften und deren Besteuerung. § 17 Abs. 5 EStG schließt die verbleibende Lücke und enthält besondere Besteuerungsregeln für die Besteuerung des zurückbleibenden Gesellschafters bei einem Wegzug der Gesellschaft[158].

94

Nach § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG wird eine Anteilsveräußerung zum gemeinen Wert fingiert, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Fall der Verlegung des Sitzes oder des Orts der Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft in einen anderen Staat beschränkt oder ausgeschlossen wird.

95

Wenn allerdings eine Europäische Gesellschaft oder eine andere Körperschaft ihren Sitz in einen anderen EU-Mitgliedsstaat verlegt[159], greift die Veräußerungsfiktion nicht ein (§ 17 Abs. 5 Satz 2 EStG), um Konflikte mit dem Gemeinschaftsrecht zu vermeiden. In diesen Fällen ist der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der Anteile ungeachtet der Bestimmungen eines DBA[160] in der gleichen Art und Weise zu besteuern, wie die Veräußerung dieser Anteile zu besteuern gewesen wäre, wenn keine Sitzverlegung stattgefunden hätte (§ 17 Abs. 5 Satz 3 EStG).

96

Lösung Fall 5 (Rn 90):

Hier waren der natürlichen Person X die Anteile an der Y-Ltd. bereits im Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht für steuerliche Zwecke zuzurechnen (§ 39 AO). Die Wegzugsbesteuerung im Staat A soll zudem der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG entsprechen. Dies bedeutet, dass B im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht die Anschaffungskosten (200), sondern den Wert anzusetzen hat, den der Wegzugsstaat B im Rahmen der Wegzugsbesteuerung angesetzt hat (500), vgl § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG. Der Veräußerungsgewinn beträgt daher nur 500, was eine Doppelbesteuerung vermeidet.

97

Lösung Fall 6 (Rn 91):

B ist zu Recht misstrauisch, denn hätte die X-GmbH ihre Geschäftsleitung nicht in die Schweiz verlegt, wäre A hinsichtlich eines etwaigen Gewinns aus der Veräußerung der GmbH-Anteile nach §§ 1 Abs. 4 iVm 49 Abs. 1 Nr 2 Buchstabe e EStG in Deutschland beschränkt steuerpflichtig gewesen. Da aber nach der Verlegung der Geschäftsleitung die X-GmbH gemäß Art. 4 Abs. 8 Satz 1 DBA Schweiz gegenüber Deutschland als in der Schweiz ansässig gilt, endet damit zugleich die beschränkte Steuerpflicht des A, so dass nach § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Verlegung der Geschäftsleitung eine Anteilsveräußerung zum gemeinen Wert angenommen wird.

§ 1 Die internationale Dimension des Steuerrechts › C. Begründung, Ausschluss und Beschränkung des Besteuerungsrechts › V. Exkurs: Entstrickung bei Umwandlungsvorgängen

Internationales und Europäisches Steuerrecht

Подняться наверх