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2. Rechtsfolge
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Sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, ordnet § 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AStG die Besteuerung einer fiktiven Veräußerung an, dh es kommt zu einer Besteuerung, obwohl tatsächlich kein Anteilsverkauf stattgefunden hat. § 6 Abs. 1 Sätze 4 und 5 AStG enthalten (abweichend von § 17 Abs. 2 EStG) Sonderregeln für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns: An die Stelle des Veräußerungspreises tritt der gemeine Wert der Anteile in dem nach § 6 Satz 1 oder 2 AStG maßgebenden Zeitpunkt[140], und für den Fall der späteren tatsächlichen Veräußerung wird bestimmt, dass der nach § 17 Abs. 2 EStG anzusetzende Gewinn aus der Veräußerung der Anteile um den nach § 6 AStG besteuerten Vermögenszuwachs zu kürzen ist. Doppelbelastungen[141] werden auf diese Weise vermieden.
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Gegenüber dem reinen Inlandsfall (Besteuerung nach § 17 EStG nur bei Veräußerung) benachteiligt die Besteuerung auch ohne Anteilsverkauf diejenigen Steuerpflichtigen, die – aus welchen Gründen auch immer – ihren inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aufgeben und in das Ausland ziehen (Wegzug). Eine solche Benachteiligung wäre gemeinschaftsrechtlich inakzeptabel[142]. § 6 Abs. 5 Satz 1 AStG sieht daher vor, dass die nach § 6 Abs. 1 AStG geschuldete Steuer zinslos und ohne Sicherheitsleistung zu stunden ist, wenn ein Staatsangehöriger eines EU- oder EWR-Mitgliedsstaates in einen EU- oder EWR-Mitgliedsstaat verzieht (Zuzugsstaat) und er dort einer der unbeschränkten deutschen Einkommensteuer vergleichbaren Steuerpflicht (also einer auf Gewinn oder Einkommen gerichteten Steuer) unterliegt[143]. Voraussetzung hierfür ist nach § 6 Abs. 5 Satz 2 AStG, dass die Amtshilfe und die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung der Steuer zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zuzugsstaat gewährleistet sind[144].
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§ 6 Abs. 5 Satz 4 AStG benennt Sachverhalte, bei denen die Stundung zu widerrufen ist. Dies ist insbesondere der Fall, soweit der Steuerpflichtige Anteile veräußert oder verdeckt in eine Gesellschaft im Sinne des § 17 EStG einlegt oder einer der Tatbestände des § 17 Abs. 4 EStG erfüllt wird. Die spätere tatsächliche Veräußerung führt also zu einem Widerruf der Steuerstundung.
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Die Stundung wird auch widerrufen, soweit (1) Anteile auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person übergehen, die nicht in einem EU- oder EWR-Mitgliedsstaat einer der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegt, soweit (2) in Bezug auf die Anteile eine Entnahme oder ein anderer Vorgang verwirklicht wird, der nach inländischem Recht zum Ansatz des Teilwerts oder des gemeinen Werts führt oder wenn (3) für den Steuerpflichtigen durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts keine Steuerpflicht nach § 6 Abs. 5 Satz 1 AStG mehr besteht. Der Steuerpflichtige hat dem für ihn nach § 19 AO zuständigen Finanzamt (sog. Wohnsitzfinanzamt) nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck die Verwirklichung eines dieser Tatbestände mitzuteilen. Die Mitteilung ist binnen eines Monats zu erstatten und vom Steuerpflichtigen eigenhändig zu unterschreiben (§ 6 Abs. 7 Sätze 1 und 2 AStG).
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Darüber hinaus sind in § 6 AStG die folgenden Regelungen enthalten: In die Berechnung der 10-Jahres-Frist des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG werden auch die Zeiträume einbezogen, in denen ganz oder teilweise unentgeltliche Rechtsvorgänger unbeschränkt steuerpflichtig waren (§ 6 Abs. 2 AStG). Unterliegt der Steuerpflichtige der unbeschränkten Steuerpflicht nur vorübergehend nicht, wird das Besteuerungsrecht Deutschlands nur vorübergehend beschränkt oder ausgeschlossen und nimmt der Steuerpflichtige keine der in § 6 Abs. 1 Satz 2 AStG genannten Handlungen vor, entfällt der Steueranspruch (§ 6 Abs. 3 AStG). § 6 Abs. 4 AStG enthält eine Stundungsmöglichkeit für Fälle, in denen die Beitreibung der Steuer eine erhebliche Härte bedeuten würde. § 6 Abs. 6 Sätze 1 und 2 AStG schließlich eröffnen die Möglichkeit, Steuerbescheide rückwirkend in den Fällen zu ändern, in denen bei einer tatsächlichen Veräußerung der Anteile der Veräußerungsgewinn im Sinne des § 17 Abs. 2 EStG niedriger ist als der nach § 6 Abs. 1 AStG zu besteuernde Vermögenszuwachs und die Wertminderung im Zuzugsstaat keine Berücksichtigung findet. Dies gilt jedoch nur bei betrieblich veranlassten Wertminderungen[145].