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2.3.2 Die Praxis vor Ort Die Nutzer*innen bestimmen das Setting – oder das Setting bestimmt die Nutzer*innen

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Ein Schlüssel zum Verständnis einander manchmal widersprechender Klassifizierungen liegt im unterschiedlichen institutionellen Setting, in dem Krisenintervention betrieben wird. Der eigene berufliche Rahmen erscheint leicht als »normal« und so werden die Einteilungen und Merkmale von Krisen vor diesem Hintergrund entwickelt. Während bei der stationären Krisenintervention in der Regel Psychiater*innen darüber befinden, ob eine Indikation zur Aufnahme besteht, liegt bei vielen ambulanten Einrichtungen – dem Konzept der Niedrigschwelligkeit folgend – häufig das Definitionsrecht bei den Nutzer*innen, die selbst entscheiden dürfen, ob sie eine Krise haben (Schürmann, 2001). Daraus resultiert im ambulanten Bereich vielfach eine Krisenerfahrung und Krisenbeschreibung, die »an den Rändern ausfranst«, da sie zu weit gefasst ist.

Die Wiener Psychiater*innen Heinz Katschnig und Teresa Konieczna nehmen eine Unterteilung zwischen gewollten und problematischen Nutzer*innen vor, die sich an der breitgefassten Klientel in niedrigschwelligen Einrichtungen orientiert (1987).

Gewollte Nutzer*innen seien:

• Menschen mit akuten psychiatrischen Krankheitsbildern, für die medizinische und psycho-soziale Interventionskompetenz erforderlich ist.

• Menschen in akuten psychosozialen Krisensituationen, in die Gesunde durch z. B. Verlustereignisse geraten, die aber auch vorbelastete Menschen treffen können.

• Chronisch psychisch Kranke, die bereits im gemeindepsychiatrischen System leben und von Haus aus labil erscheinen.

• Demgegenüber erscheinen ihnen als problematische Nutzer*innen:

• Solche mit geringfügigen Problemen, die ihre Selbsthilfefähigkeiten einbüßen, wenn sie sich von professioneller Krisenhilfe abhängig machen.

• Die chronische Klientel: Dauer- und Wiederholungsanrufer*innen, die sich genötigt sehen, eine Notsituation zu kreieren, um darüber in Kontakt treten zu dürfen.

Dieses Krisenverständnis bezieht also »Gesunde«, »Kranke« und »Chroniker« bei der Klassifizierung psychosozialer und psychiatrischer Krisen gleichermaßen mit ein. Differenziert wird hier jedoch nach Art und Anlass der Inanspruchnahme.

Was Sonneck (2000) – scheinbar in sich widersprüchlich – als »chronifizierte Krisen« bezeichnet, hat starke Entsprechungen mit den chronisch-psychisch Kranken, denen ein »abweichendes Krisenbild« aufgrund ihrer erhöhten Vulnerabilität zugestanden wird. Deren hochfrequente Inanspruchnahme ambulanter Kriseneinrichtungen kann jedoch schnell Züge annehmen, die sie als Dauerklient*innen erscheinen lassen, und für die ein angemessener Umgang entwickelt werden muss, weil sie enorme Personalressourcen binden können (Neumann 2002). Kliniken haben damit aufgrund der höheren Zugangsschwelle, wo die psychiatrische Diagnostik den Eingangsschlüssel für die Aufnahme darstellt, seltener ein Problem.

Praxis Krisenintervention

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