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Kriseneinrichtungen für »psychisch Gesunde« ebenso wie für »psychisch Kranke«?

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Die Frage, für welchen Personenkreis Kriseninterventionseinrichtungen bereitstehen sollen, ist stark vom Auftraggeber und vom Typus der Einrichtung abhängig. Geht es eher um sogenannte gesunde Menschen, die durch widrige Lebensumstände in eine Krise geraten können, oder sollen auch – vielleicht sogar vor allem – sogenannte psychisch kranke Menschen in den »Genuss« von Krisenintervention kommen können? Vielerorts vollzog sich in den 1990er Jahren mit dem Abbau stationärer Betten in Krankenhäusern und Heimen, der sogenannten Enthospitalisierung, eine Verschiebung der Zielgruppen hin zu Menschen mit bereits vorhandenen Störungen und Einschränkungen. Dem liegt eine veränderte Auffassung und generelle Erweiterung des Krisenverständnisses zugrunde: Alle Menschen haben Krisen, und längst nicht jede beobachtete Verschlechterung innerhalb eines Krankheitsbildes geht auf die angenommene Eigendynamik einer Depression, einer Psychose oder auch einer körperlich-geistigen Behinderung zurück ( Kap. 8 Henssler & Escalera). Nicht zuletzt durch die Etablierung des Vulnerabilitätskonzepts ist bei vielen Helfer*innen die Wahrnehmung dafür geschärft worden, wie scheinbar nichtige Anlässe einen verletzlichen Menschen völlig aus dem psychischen Gleichgewicht bringen können. Das müssen nicht nur »kritische Lebensereignisse« wie Scheidung oder eine Entlassung sein, manchmal genügt ein problematisches Telefonat mit den Eltern (um gegebenenfalls beide Seiten in die Krise zu stürzen).

Krankheit und Krise schließen daher einander nicht aus, sondern treten, wie viele Untersuchungen belegen, kumulativ auf oder gehen ineinander über. Dross (2001) stellt fest: »In der aktuellen Situation sind Krisen als passagere Ausnahmezustände und solche Krisen, die in Verbindung mit überdauernder Störung stehen, oft schwer zu unterscheiden« (S. 29).

Es gilt, sowohl in der Krise die dahinter liegende Krankheit zu sehen, als auch in der Krankheit die sie verschärfende oder überlagernde Krise. Während ambulante niedrigschwellige Einrichtungen regelhaft meist auch mit psychisch kranken Menschen arbeiten, besteht bei der stationären Aufnahme die Tendenz zu einer Aufteilung der Klientel in sogenannte Gesunde, die der Krisenstation und »Psychiatrie-Erfahrene«, die der psychiatrischen Station zugeordnet werden ( Kap. 18 Hölling).

Praxis Krisenintervention

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