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b) Ketzer, Hexen und Dämonen

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Während Magie und Alltagsfrömmigkeit über die Normalität der christlichen Religion Auskunft geben, ruft der folgende Punkt zum Nachdenken auf, weil er eine der größten Gefahren des Christentums offen legt. Es ist zunächst der Umgang mit solchen Menschen, die man als Hexen oder als Besessene, als zu Bösem verdammte oder als von Gott verfluchte Missetäter gebrandmarkt hat. Das Problem ist, dass solche religiös motivierten Ausgrenzungen das Böse nicht aufarbeiteten, sondern durch neues Unrecht potenzierten. Zu nennen ist die Ketzerverfolgung durch das Rechtsinstitut der Inquisition, die sich spätestens seit 1231 ein ständiges Hausrecht erworben hat (Kieckhefer) und bis in die Gegenwart als Exponent eines ausgesprochen unbarmherzigen und menschenverachtenden Umgangs mit Dissidenten gilt. Zu nennen sind die regelmäßig wiederkehrenden Progrome gegen die Juden (Bein); zu nennen ist die Kreuzzugseuphorie, die das Europa des 11. und 12. Jahrhunderts überzog (Mayer), sowie die Begeisterung, mit der man seit Beginn des 16. Jahrhunderts Südamerika und später andere Kontinente „entdeckte“ und eroberte (Schmitt). Eine geradezu pathologische Sucht der Eroberung und Expansion hatte sich seitdem Europas bemächtigt (Gründer, Delgado).

Dazu gehört auch die Geschichte der späteren Hexenverfolgung, deren Höhepunkt im 16. und 17. Jahrhundert anzusiedeln ist (Decker, Schormann). Die Angst vor irrationalen Kräften äußerte sich als Hass gegen Frauen und als deren systematische Verteufelung. Nach allgemeinen (und äußerst schwierigen) Schätzungen wurden zwischen 100 000 und einer Million Opfer (davon bis 80% Frauen) gedemütigt, verflucht, gequält und getötet. Nicht minder grausam konnte der Besessenheitswahn sein, der heute noch (in Europa und sonst wo) anzutreffen ist.

Dieser Besessenheitswahn beansprucht noch immer ein christliches Heimatrecht, denn noch heute lebt in vielen Kreisen der „Glaube“ an einen persönlichen Teufel und an Dämonen (Russell 1981; 2000). Nun lässt sich bei aller Kritik nicht leugnen, dass das Neue Testament den Teufel u. a. als Versucher Jesu in der Wüste nennt, auch wenn ihn Jesus, wie es an anderer Stelle heißt, „wie einen Blitz vom Himmel fallen“ sah, der Teufel also seine Rolle, wie auch immer, ausgespielt hat.13 Aber auch noch für M. Luther war die Welt voller Teufel (Obermann) und ein wirksames Mittel, die Erfahrungen des Bösen besprechbar zu machen (Ricœur 1971). Es konnte nicht ausbleiben, dass die Kirche auch hier als Heilsbringerin und mit dem Anspruch auftrat, Teufel verjagen zu können (Haag 1974).

Noch heute gehört der Exorzismus (als Akt ausdrücklicher Teufelsaustreibung) zu den offiziellen Riten der katholischen Kirche und zur Praxis kleiner christlicher Gruppierungen, vom starken öffentlichen Echo auf Einzelereignisse oder filmische Präsentationen ganz zu schweigen. Noch heute wird diese Praxis zum Anlass entweder absurder Ablenkungsmanöver oder einer neuen Destruktivität, da die Opfer nicht von ihrer Rolle gelöst, sondern auf sie fixiert werden. Manches Opfer würde noch leben, hätte es stattdessen Zuwendung oder eine fachkundige Therapie erfahren; dieser Gesichtspunkt wird gerne bei neueren Überlegungen vergessen, die den Vorstoß von Haag unter Aufklärungsverdacht stellen (Claret).

Das Böse in den Weltreligionen

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