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Die Dominikaner

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Erheblich weniger spektakulär ist die Geschichte des Dominikanerordens. Sie begann mit einer Brautwerbung: 1203 wurde Bischof Diego von Osma von König Alfons VIII. von Kastilien in die „Marken“ (wohl eher zu Hugo von Lusignan, Comte de la Marche, als nach Dänemark) als Brautwerber für den Infanten gesandt und konnte einen Vorvertrag abschließen. Als er zum zweiten Mal an den Hof der Braut kam, war diese eben gestorben. Auf dem Rückweg besuchte Diego Rom und bat Innozenz III., ihn aus dem Bischofsamt zu entlassen, damit er sich der Mission an den heidnischen Kumanen in Ungarn widmen könne. Der Papst verweigerte seine Erlaubnis. Auf dem Rückweg nach Spanien knüpfte Diego Kontakte zum Zisterzienserorden; in Montpellier lernte er den Kampf der aus dem Orden stammenden Legaten gegen den Katharismus kennen: Sie entfalteten die ganze Pracht ihrer Ämter und ihres Ordens, um dem Anspruch der hierarchischen Kirche Nachdruck zu verleihen – und erreichten nichts. Diego schlug einen radikalen Kurswechsel vor. Die antihäretische Predigt sollte in apostolischer Armut und Wehrlosigkeit ergehen, und er setzte diesen Plan mit seinen Begleitern selbst in die Tat um.

Die Katharer scheinen erkannt zu haben, dass sie hierdurch mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert wurden; die ältesten Berichte bezeugen, dass sie ihrerseits ihre Predigttätigkeit intensivierten und dass es zu einer Reihe von Religionsgesprächen kam.

1206 erzielte Diego einen dauerhaften missionarischen Erfolg: Er konnte mit Unterstützung des Bischofs von Toulouse in Prouille einen Konvent für Katharerinnen eröffnen, die zum katholischen Glauben übertraten und so ihre Lebensform beibehalten konnten.

Mit der Rückkehr Diegos nach Osma und seinem Tode (1208) tritt ein Mitglied seiner Gefolgschaft ins Licht der Geschichte: Der ca. 1180 in Calaruega/Kastilien geborene Dominikus, ein akademisch gebildetes Mitglied des nach der Augustinus-Regel lebenden Domkapitels von Osma, der den Bischof auf seinen genannten Reisen begleitet hatte; er übernahm nun selbständig die Arbeit seines Bischofs, setzte sie mit eigenen Akzenten fort und gab ihr einen Zug ins Große.

Als 1208 nach der Ermordung des Zisterzienser-Legaten Peter von Castelnau der Katharer-Kreuzzug (s.u. S. 93) begann, setzte Dominikus seine Predigt- und Missionstätigkeit fort. Simon von Montfort, der militärische Führer des Unternehmens, scheint das als eine willkommene flankierende Maßnahme gutgeheißen zu haben; jedenfalls stellte er Dominikus 1214 das eroberte Kastell Casseneuil zur Verfügung. Dominikus institutionalisierte seine Tätigkeit: Er sammelte Gefährten für eine Predigergenossenschaft, die der Bischof von Toulouse finanziell großzügig förderte. Auf dem Vierten Laterankonzil erlangte er deren Anerkennung und verpflichtete 1216 seine Brüder auf die Augustinus-Regel.

Der Gemeinschaft wurde in Toulouse eine Kirche übereignet. Ein Konvent entstand; 1216 unterstellte Papst Honorius III. den Besitz des Ordens dem Schutz des Heiligen Stuhles. Dauerhaft nahm sich der Beschützer und Former der franziskanischen Bewegung, Hugolin von Ostia (s.o. S. 74), auch dieses Ordens an.

Nun griff der neue Orden, dessen Mitgliedschaft sich aus Klerikern rekrutierte, in die damaligen Bildungszentren aus: Brüder gingen nach Paris, Bologna, Madrid und Lyon, wo sie, lernend und bald auch lehrend, Konvente bildeten.

Die späteren Legenden berichten von einem Treffen zwischen Franziskus und Dominikus auf oder kurz nach dem Vierten Laterankonzil; sie sollen sich gegenseitig so sehr in umständlichen Bekundungen von Demut und Selbstlosigkeit überboten haben, dass es nur unter Schwierigkeiten zum sachlichen Gespräch kommen konnte. Es spricht nichts dafür, dass diese Begegnung tatsächlich stattgefunden hat. Nichtsdestotrotz: In der Legende steckt ein wahrer Kern. Die beiden neuen Orden weisen unübersehbare Strukturanalogien auf. Beide erhoben einen universalen Anspruch, der durch engstmögliche Anbindung an die Kurie realisiert wurde; beide widmeten sich gezielt der Predigt und der Seelsorge an Laien. Aber sie weisen auch charakteristische Differenzen auf: Die frühe franziskanische Bewegung war spontan; sie war unvergleichlich attraktiv und erfolgreich; das machte sie zum Problempotenzial, das erst durch teils schmerzhafte und gewaltsame Ordnungsbemühungen so kanalisiert werden konnte, dass es nach den Begriffen der Zeit konstruktiv wirksam werden konnte. Die Stiftung des Dominikus dagegen ist vom ersten Moment an planvoll und reflektiert; sie weiß geschickt die gegebenen institutionellen Möglichkeiten zu nutzen und sich anzuverwandeln. Zwangsläufig ergab sich dauerhaft ein intensives wechselseitiges Verhältnis: Gleichsam osmotisch fand ein Austausch intellektueller und institutioneller Impulse statt, und die Arbeit unter gemeinsamer Zielsetzung auf gemeinsamen Feldern führte sowohl zu Kooperationen als auch zu Konflikten.

All das spiegelt die Legende in symbolischer Verdichtung; historisch greifbar wird es erstmals 1220, als auf dem ersten Generalkapitel der Dominikaner in Bologna der Entschluss gefasst wurde, auf jeden Besitz an Grund und Boden sowie auf sichere Einkünfte zu verzichten; es wird sich um einen Akt der Anpassung an die erfolgreiche franziskanische Massenbewegung gehandelt haben. In der praktischen Ausformung wurde das Armutsgebot stets so gefasst, dass seine Befolgung der Erfüllung der Hauptaufgaben des Ordens nicht hinderlich war.

Diese bestanden in Predigt und Seelsorge sowie der hierfür erforderlichen Bildung, die daher in den Konstitutionen (vollendet 1238–1240 durch Raymund von Peñaforte) des Ordens gleichsam Verfassungsrang erhielt; hierin nun haben die Dominikaner den Franziskanern den Weg gewiesen: Der Orden teilt die abendländische Welt in Provinzen ein, denen jeweils ein Provinzialmagister vorsteht, der jährlich Provinzialkapitel abhält, dem die Vorsteher (Priores) der einzelnen Häuser und weitere gewählte Mitglieder (Definitoren) angehören. Am Hauptort jeder Provinz ist eine Ordenshochschule einzurichten (studium generale; zuerst Montpellier/Paris, Bologna, Oxford, Köln); jeder Konvent hat daneben eine eigene Bildungsanstalt (studium speciale); eine feste Studienordnung wurde 1259 geschaffen.

An der Spitze des Ordens steht das Generalkapitel mit dem in Rom residierenden, auf Lebenszeit gewählten Generalmagister; ihm gilt der Gehorsamseid, den jeder Professe leisten muss. Charakteristisch für diese Verfassung ist die Mischung aus demokratischen/aristokratischen und monarchisch-zentralistischen Elementen; sie ermöglicht die Heranbildung einer intellektuellen Elite in einem durchdachten System der Förderung und Selektion mit einem Höchstmaß an grenzüberschreitender Durchlässigkeit; die starke Stellung der Ordensprovinzen und ihrer Bildungseinrichtungen sorgt für in die Breite und Tiefe gehende Einflussmöglichkeiten, während die ideelle und rechtlich-institutionelle Anbindung an die römische Kurie für die Zentrierung der Aktivitäten im Sinne der Ordensleitung und der vom Papst geleiteten Gesamtkirche bürgt.

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