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1. Die Kreuzzugsbewegung
ОглавлениеDer erste von Innozenz III. initiierte kirchliche Kriegszug in den Osten, der in der hergebrachten Zählung als 4. Kreuzzug figuriert, hatte sein Ziel, die „Heiligen“ Stätten, nicht erreicht. 1212 sammelten sich in Frankreich und im Rheinland Tausende von Kindern und Jugendlichen, um ins „Heilige“ Land zu ziehen. Ein Geflecht von Motiven aus der Armuts- und Kreuzzugsbewegung trieb sie: Sie vertrauten darauf, dass Gott ihnen, den Armen und Wehrlosen, ermöglichen werde, was er den Ritterheeren versagt hatte. Die meisten von denen, die so auszogen, sind spurlos verschollen.
Innozenz III. soll versucht haben, die Kinder, die um seinen Segen nachsuchten, zur Aufgabe ihres Unterfangens zu bewegen. Umso intensiver verfolgte er trotz oder wegen des ersten Fehlschlags die Kreuzzugspläne weiter. Der 71. canon des Vierten Laterankonzils entwirft den Plan eines gesamtabendländischen Kriegszuges unter päpstlicher Leitung. Er legt fest, dass sich die Truppen 1217 in mehreren Häfen Süditaliens sammeln sollen; dort will der Papst selbst zugegen sein und die Heere dann unter Leitung eines Legaten aussenden. Unterdessen soll für das Unternehmen mit reichen Ablass- und Immunitätsversprechen an potenzielle Teilnehmer und Unterstützer geworben werden. Auch die Finanzierung des Unternehmens wird an der Kurie zentralisiert: Alle Inhaber geistlicher Stellen haben drei Jahre lang 5 Prozent ihres Einkommens als Kreuzzugs-Sondersteuer abzuführen. Die Vision hinter den nüchternen legislatorischen Maßnahmen und hinter den Strafandrohungen für Säumige ist deutlich: Die gesamte abendländische Christenheit soll sich unter dem Papst als Universalbischof und Kriegsherrn zur Streitmacht für die Sache Jesu Christi organisieren und formieren.
Die Wirklichkeit gestaltete sich dann jedoch ganz anders. Am 16. Juli 1216 starb Innozenz III. Sein Nachfolger Honorius III. trieb das Unternehmen zwar energisch voran, aber nicht nur Friedrich II., sondern auch die anderen wichtigsten politischen Akteure des Abendlandes hielten sich fern. So landeten im Herbst 1217 französische, österreichische und ungarische Ritter in Akkon. Einen militärischen Führer hatten sie nicht, und es war auch kein päpstlicher Legat angereist. So übernahm Johann von Brienne, der Titularkönig von Jerusalem, das Kommando. Als Anfang 1218 weitere Kreuzfahrer nachkamen, gewann der Plan Gestalt, vom Nildelta aus zunächst Ägypten anzugreifen und von dort her später auf Jerusalem zu marschieren. Am 24. August gelang tatsächlich eine wichtige militärische Aktion: Die wichtigste Festung im Nildelta, Damiette, wurde erobert. Aber durch Zaudern wurde der mögliche strategische Gewinn verspielt: Der rasche Angriff ging in einen langwierigen Stellungskrieg über. Als zwei päpstliche Legaten mit weiteren Truppen hinzukamen, vermehrten sich nochmals die Rivalitäten und machten konzentriertes Handeln unmöglich. Die Verluste durch Epidemien sowie durch den Abzug von Kreuzfahrern, die ihr für ein Jahr abgelegtes Gelübde erfüllt hatten, konnten durch nachrückende Kräfte nicht ausgeglichen werden. Nur eine geschlossene Streitmacht unter einheitlicher Führung hätte noch einmal das Blatt wenden können, aber Friedrich II. verweigerte sich den Appellen des Papstes. Als die Kreuzfahrer dann doch im August 1221 ins Landesinnere vorstoßen wollten, wurde ihnen verfrüht einsetzendes Hochwasser zum Verhängnis: Sie mussten die Waffen strecken und geschlagen heimkehren. So endete dieser Kreuzzug, den das Papsttum zu seiner ureigenen Sache gemacht hatte wie keinen zuvor, in einer Katastrophe. Die Schuld für das Scheitern ließ sich zunächst leicht und nicht ohne Berechtigung dem Kaiser aufbürden. Wichtiger ist, dass sich hier auf handgreifliche Weise der universalabendländische Führungs- und Intergrationsanspruch des „Stellvertreters Christi“ als uneinlösbar erwiesen hatte.
Ein vergleichbares Unternehmen ist in der Folgezeit nicht mehr versucht worden. Der „Kreuzzug“ des gebannten Kaisers Friedrich II. ist schon erwähnt worden (s.o. S. 68f.). Zwar blieb die Hilfe für das Heilige Land auf der Tagesordnung päpstlicher Politik, aber die beiden letzten großen militärischen Operationen, die diesem Ziel galten, waren Unternehmen des französischen Königs Ludwig IX. (1219–1270, heiliggesprochen 1297): 1249 konnte er mit einem rein französischen Heer nochmals Damiette einnehmen, wurde aber auf dem weiteren Vormarsch vernichtend geschlagen und geriet in Gefangenschaft. Gegen ein hohes Lösegeld freigekommen, blieb er noch bis 1254 in Palästina. 1267 nahm er nochmals das Kreuz und zog gegen Tunis; er starb an einer Seuche nach der Einnahme von Karthago. – Mit der Einnahme der Hafenstadt Akkon durch die Mamelucken endete dann 1291 die Zeit der Kreuzfahrerstaaten auf dem Boden Palästinas.
Der Niedergang der Kreuzfahrerstaaten in Palästina und ihr Ende bedrohten die geistlichen Ritterorden (s.o. S. 98). Welche Gefahren hier lauerten, zeigt das Ergehen des Templerordens, gegen den Philipp der Schöne von Frankreich erfolgreich einen Schauprozess wegen Götzendienst und Apostasie vor der Kurie anstrengte – mit dem Ziel, einen lästigen Gläubiger loszuwerden und sich dessen immenses Vermögen anzueignen (1308–11).
Die jüngste unter diesen eigentümlichen Gemeinschaften war der 1198/99 gegründete Deutsche Orden. Sein vierter Hochmeister, Hermann von Salza (1209–1239), war ein wichtiger Politiker. Als Vertrauensmann des Kaisers, welcher doch auch an der Kurie Achtung genoss, versuchte er im Kampf zwischen Friedrich II. und den Päpsten zu vermitteln. Die guten Beziehungen zu beiden höchsten Gewalten im Abendland nutzte er auch bei seinen Versuchen, seinem Orden ein möglichst geschlossenes Herrschaftsgebiet zu errichten, das dann als Operationsbasis für sein Wirken in Palästina dienen sollte.
Nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen in dieser Richtung erreichte den Orden das Hilfsersuchen des polnischen Teilherzogs Konrad von Masowien: Er sollte sich am Kampf gegen die Pruzzen beteiligen, eine Gruppe von Stämmen, die das Gebiet zwischen Weichsel und Memel besiedelten und sich schon mehreren Christianisierungsversuchen mit Erfolg gewaltsam widersetzt und nun ihrerseits das südlich gelegene Kulmerland erobert hatten. Der Orden ging nun sein Projekt der Begründung von Territorialherrschaft strategisch geschickt an: Erst nachdem Friedrich II. in der Goldenen Bulle von Rimini dem Orden für die zu erobernden Gebiete sowohl über die zu bekehrende Bevölkerung als auch über neu ins Land zu holende Kolonisten reichsfürstliche Rechte zugesagt und der Herzog von Masowien diese Zusagen seinerseits bestätigt hatte, begann der Orden seit 1231 mit dem Eroberungskampf. 1234 übergab er alle Eroberungen symbolisch dem Papst und erhielt sie von ihm als Lehen zurück – damit war die werdende Territorialherrschaft des Ordens mit einem dritten Legitimations- und Sicherungssystem versehen.
1243 wurden vier landsässige Bistümer gegründet und mit Ausnahme von Ermland dem Orden inkorporiert, d.h., die Domkapitel wurden mit Ordensmitgliedern besetzt. Mit Hilfe von Kreuzrittern aus dem gesamten Abendland, die den Orden jeweils eine Zeit lang unterstützten, ging die militärische Eroberung des Pruzzengebietes von Süden her zunächst zügig vonstatten. Der dauerhaften Sicherung des Landes dienten Ordensburgen und planmäßig in deren Schutz gegründete Städte mit deutschen Kolonisten (1231 Thorn, 1232 Kulm, 1233 Marienwerder, 1237 Elbing, 1255 Königsberg).
Im Osten allerdings entspann sich ein Dauerkrieg mit den Litauern, und auch die Eroberung des Kernlandes wurde durch große Aufstandswellen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zweimal empfindlich zurückgeworfen. Die Christianisierung der Bevölkerung gelang nur unvollkommen; in dem klosterarmen Land – die Ordensritter holten weder Zisterzienser noch Prämonstratenser, also die klassischen Orden der Ostkolonisation, ins Land, weil sie deren Konkurrenz fürchteten – waren die Weltgeistlichen mit dieser Aufgabe überfordert. Erst nach der Reformation und der Säkularisierung des Ordensstaates wurde diese Aufgabe gelöst. Die Blütezeit des Ordensstaates endete 1410 mit der Niederlage bei Tannenberg gegen die Polen und die inzwischen christianisierten Litauer.