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Der Brief des Hieronymus

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»Ungezählte, sehr wilde Stämme halten ganz Gallien besetzt. Das ganze Gebiet zwischen Alpen und Pyrenäen, zwischen Ozean und Rhein, haben Quaden, Wandalen, Sarmaten, Alanen, Gepiden, Heruler, Sachsen, Burgunden, Alamannen, und, o weh, der pannonische Feind völlig zerstört … Mainz, einstmals eine vornehme Stadt, ist eingenommen und verwüstet, in den Kirchen wurden tausende Menschen erschlagen, Worms nach langer Belagerung erledigt, die stolze Stadt Reims …« usw. Dies ist der Ausschnitt aus einem Brief des Eusebius Hieronymus, der seit 386 in Bethlehem lebte79.

Wohl zwischen August 408 (nach dem Verrat Stilichos) und vor der Plünderung Roms im August 410 schreibt Kirchenvater Hieronymus an Ageruchia (oder Geruchia), die junge Witwe eines Mannes namens Simplicius, den (nicht datierten) Brief. Eine Weltuntergangsstimmung schildert Hieronymus in düsteren Farben, um eine junge Witwe davon abzubringen, sich wieder zu verheiraten. Hier wird das alte römische Ideal von der Univira, der nur mit einem einzigen Mann verheirateten Frau, gemäß den asketischen Vorstellungen des Hieronymus umformuliert.

Kein weiteres Schriftzeugnis unterstützt die vermeintliche Zerstörung ganz Galliens vom Rhein bis zum Atlantik. Dennoch gründeten sich weit reichende Hypothesen auf die Briefpassage. Auch wenn immer wieder erkannt wird, dass der erschlossene Zeitpunkt (inzwischen hat sich die Forschung auf die Neujahrsnacht 406/7 verständigt) keineswegs die zu postulierende Unterbrechung des Lebens in den Städten und Festungen am Rhein darstellt – »406/7« ist eine feste Größe geworden so wie »1945« für das unbestrittene Ende des Zweiten Weltkriegs. Jedoch konnten die Archäologen nirgendwo passende Zerstörungshorizonte oder Brandschichten aus dem Beginn des 5. Jahrhunderts finden.

Vangiones, wie man Borbetomagus auch nannte, wurde im frühen 5. Jahrhundert ebensowenig zerstört wie andere Orte. Ein grenznaher Zerstörungshorizont ist nicht vorhanden. Mutmaßliche Zerstörungen und Schadensfeuer, wie sie die ersten Wormser Altertumsforscher Carl Koehl und August Weckerling interpretierten, können wir gleichfalls nicht verifizieren. Sie betreffen vor allem die Südstadt südlich der Schönauer Straße, wo seither nicht gegraben wurde. Manches hat sich durch den damaligen Stand der Forschung ergeben: Funde wie lange Knochenkämme oder Hanseschüsseln, Ende des 19. Jahrhunderts noch als antik angesehen, stammen aus dem Mittelalter. Sie datieren die entsprechenden Brandschichten sinngemäß und können nicht als Beweis für Zerstörungen des 5. Jahrhunderts herangezogen werden.

Die Stadt ist offensichtlich bis hoch in das 5. Jahrhundert nicht beeinträchtigt worden, dies vermittelt auch die akribische Untersuchung der Versorgung mit Argonnensigillata von Lothar Bakker80. Der Schwerpunkt dieser Importe liegt sogar überaus deutlich in der Zeit vom letzten Drittel des 4. Jahrhunderts bis nach 430, wahrscheinlich bis um die Mitte des 5. Jahrhunderts Auch wenn die Versorgung mit neu geprägten Münzen nicht mehr die Regel war, denn die Anzahl der Fundmünzen sinkt im späten 4. Jahrhundert stark ab, so zeigt doch das von weit her gebrachte Geschirr, dass die Ware mit Geld bezahlt werden konnte. Der Übergang von der römischen Verwaltung zu frühmittelalterlichen Verhältnissen ist nicht als brutale Zäsur zu verstehen, sondern er gestaltete sich fließend.

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