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Die Suche nach der Vergangenheit – Sammeln, Forschen, Bewahren

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Die vermutlich erste Grabung veranlasste, wie erwähnt, Kaiser Friedrich III. 1488 aus Neugier und brach sie enttäuscht ab, als das Gewünschte, die Gebeine eines Riesen, so nicht gefunden wurde. Der Humanistenfreund Johann von Dalberg, 1480 Dompropst und seit 1482 Bischof, sammelte erste Weiheinschriften und Grabsteine aus der Römerzeit am Bischofshof und schuf so eines der ältesten Museen. Weitere Steine und Denkmäler sammelte man, seit 1666 die Befestigungsanlagen vor dem Martinstor im Nordfriedhof angelegt und zahlreiche Gräber angeschnitten wurden. Gelehrte Reisende schrieben die Texte ab105. Doch auch die Bürgerschaft war stets stolz auf die Zeugnisse ihrer Geschichte und stellte »in stein gehauwenen Bildnusen, … nebenst vielen Antequiteten von ungeheuwern Riesen und thier gebeinen …« an ihrem Rathaus sichtbar aus, wie die Hamman-Brüder zu ihrer Zeichnung des Stadthauses Zur Münze 1692 schrieben106. Allerlei Figuren wurden dort also gezeigt und Mammutknochen (man kann sie noch heute im Rheinkies finden), die man für die Gebeine von Riesen hielt. Victor Hugo legte 1838 auf seiner Rheinreise in Worms an, dessen mittelalterliche Größe er suchte. Er erkundete die Stadt (gegen den Rat seines Schiffers, der empfahl, im Gasthaus an der Anlegestelle zu nächtigen) und fand im Zimmer seines Gasthofes römische Keramik vor, was ihm mit den Worten »dergleichen findet man hier oft« erklärt wurde.

Die Sammlung Bandel mit vielen römischen Gräberfunden und auch Grab- und Weihesteinen aus dem nördlichen Friedhof, wo Bandel außer dem Grundstück der »Eulenburg« auch Wingerte besaß, wurde 1862 vom Rat der Stadt nicht angekauft. Ein Teil der bedeutenden Sammlung (darunter die berühmten frühchristlichen Inschriften) gelangte wenigstens in das Landesmuseum Mainz. Dort sind sie noch immer ausgestellt. Dann aber gründeten Bürger, nicht nur von außen angestoßen, sondern auch durch die zahlreich beim Bau der verschiedenen Lederwerke und Fabriken auftretenden archäologischen Funde bewogen, am 14. Juli 1879 endlich den Altertumsverein. Der damalige Bürgermeister Heimburg übernahm den Vorsitz und teilte bereits in der Gründungsversammlung mit, man bemühe sich um ein Museum. Der Altertumsverein schuf sich alsbald eine Sammlung namentlich archäologischer Objekte, die vor allem Dr. Carl Koehl und Maximilian von Heyl ständig vermehrten. Eine Heimat fanden sie am 9. Oktober 1881 im »Paulusmuseum«, der renovierten Pauluskirche. Maximilian von Heyl betrieb die Renovierung, bezahlte alles und beauftragte den berühmten Münchner Bildhauer Lorenz Gedon mit der Einrichtung des Museums.

Die Sammlung wuchs zudem durch die Ausgrabungen, die alsbald in großem Stil unternommen wurden. Teils waren sie angestoßen durch Industriebauten, etwa im römischen Nordfriedhof oder im Süden bei Mariamünster, teils ging man Hinweisen aus dem Umland nach, wo vor allem die frühmittelalterlichen Gräberfelder der fränkischen Neuansiedlungen ausgegraben wurden. Eine frühe Grabung legte fränkische Gräber im Bereich der Schillerstraße frei, die Ergebnisse wurden in einem Plan dokumentiert, ein besonders reich ausgestattetes Frauengrab anschließend prachtvoll umgezeichnet (Tafel 4). Ebenso machte die Erforschung des Neolithikums große Fortschritte. Es sei hier an das linienbandkeramische Gräberfeld von Flomborn und die Hinkelsteingräber von Rheindürkheim und der Rheingewann erinnert, die noch immer als Marksteine der Archäologie gelten. Dr. Carl Koehl entwickelte eine besondere Art der Dokumentation von Gräbern. Er zeichnete unter Weglassung alles Überflüssigen seine berühmten »Strichmännchen« auf ein Blatt seines Rezeptblocks, doch im Gegensatz zu Kinderzeichnungen enthalten sie Maße (Tiefe, Länge, Breite), die einzelnen Beigaben oder Trachtbestandteile in Fundlage einschließlich Angaben zur Erhaltung, auch die Armhaltung wurde berücksichtigt. Insgesamt liefern diese Zettelchen eine Fülle von Informationen, und man wünschte sich, die Nachfolger hätten wenigstens diese Form beibehalten. Gräberfeldpläne allerdings gibt es nur in wenigen Fällen. Auch wollte das Inventarisieren erst gelernt sein. Viele Jahre behalf man sich mit Klebeetiketten auf dem Objekt und privaten Notizen. Erst spät, 1921, beauftragte Maximilian von Heyl den Speyrer Museumsdirektor Dr. Friedrich Sprater, der als letzte Abteilung die frühmittelalterliche Sammlung durchging und Stück für Stück in ein Inventarbuch eintrug. Dabei konnte Koehl noch Auskünfte zu seinen Grabungen liefern. Maximilian von Heyl sorgte wiederum für die Finanzierung. Das namhafte Honorar war pauschal festgelegt, weshalb Sprater wohl im Akkord arbeitete. Manche Fehler und Ungenauigkeiten entstanden vermutlich dadurch.

Die Zeit der ersten Kustoden, des Arztes und Sanitätsrats Dr. Carl Koehl, der aus Neigung und Talent zum Altmeister der rheinhessischen Archäologie wurde, und des Gymnasiallehrers Prof. Dr. August Weckerling (er betreute später die Bibliothek des Vereins respektive des Museums, aus welcher die Stadtbibliothek erwuchs), war auch die Zeit der stärksten Entwicklung des Museums107. Auf der Sammel- und Forschungstätigkeit von Koehl und Weckerling, unterstützt vom Altertumsverein und vor allem durch Maximilian von Heyl, beruht der Ruf des Museums noch heute108. Andere Schwerpunkte wurden nach 1929/30 gesetzt, als die Sammlungen in das Eigentum der Stadt übergegangen, in das Andreasstift umgezogen und zum Museum der Stadt Worms umgewandelt worden waren. Im Zusammenhang mit dem Orts- und Generationswechsel müssen nicht nur Verluste an Wissen verbucht werden.

In den folgenden Jahrzehnten konnte nicht an die große Tradition der Grabungen angeknüpft werden. Die Methoden wurden nicht zeitgemäß fortentwickelt, auch politische Einflüsse der Zeit sind an manchen Interpretationen auszumachen. Vor allem entstand unter dem Historiker und Stadtarchivar Dr. Friedrich Maria Illert, der auch zum Direktor aller Kultureinrichtungen ernannt wurde, der Mythos von Worms als Mittelpunkt Europas in allen Zeiten der Geschichte. Worms wurde in seiner Epoche zur »ältesten Stadt Deutschlands« und hatte selbstverständlich eine der größten römischen Stadtmauern besessen. Sammlungen ebenso wie Forschungen zur Stadtgeschichte entwickelten sich nicht angemessen. Funde, die sich zur musealen Präsentation nicht eigneten, wurden gar nicht erst dokumentiert oder aufgehoben. Erst mit Dr. Georg Illert kam 1954 das Museum wieder unter die fachliche Leitung eines Archäologen, der sich sogleich bemühte, die Inventare zu sichten und fortzuführen. Allerdings waren ihm nur wenige Jahre bis 1958 hierfür beschieden, dann folgte er seinem Vater in der Leitung der Kulturinstitute nach109. Während aber Bibliothek und Archiv, die ebenfalls aus Sammlungen des Altertumsvereins hervorgegangen waren, fachlich ausgewiesene Leiter erhielten, ging das Museum leer aus und musste notgedrungen ebenso vernachlässigt werden wie die archäologische Forschung. Nur so ist zu verstehen, dass in der Zeit des Wiederaufbaus und der starken Neubautätigkeit, die sich bis in die 1970er Jahre erstreckte, keine Grabungen stattfanden, sondern allenfalls Notbergungen. Ernstfried Töpfer, seines Zeichens Fundpfleger und Ausgräber der Stadt Worms bis 1987, verlor oftmals den Kampf gegen Bagger und Bauleute. Unermessliche Verluste entstanden so im Baugebiet Kirschgarten (Gräberfeld mit sehr reichen Funden), im Eckgrundstück Mainzer Straße – Berliner Ring (Nordfriedhof mit Gräbern des 5. Jahrhunderts) an der Schönauer Straße mit dem Einkaufszentrum.


Abb. 9: Museum der Stadt im Andreasstift: Blick in den Kreuzgang mit Lapidarium

Zum Ende des Jahres 1979 löste man die Kulturinstitute wieder auf, Bibliothek, Archiv, Volkshochschule, Museum bekamen als Einzelinstitutionen fachlich ausgewiesene Amtsleiter. Das Museum erhielt zu seinem 100-jährigen Bestehen 1981 unter Oberbürgermeister Neuß die beste personelle Ausstattung seiner bisherigen Existenz: Grabungstechniker, Zeichner, Magazinverwalter. Neue Abteilungen konnten eingerichtet werden. Bis 1989 wurden, veranlasst durch Bauvorhaben und unterstützt durch das staatlich geförderte Instrument der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM), Ausgrabungen in antiken und mittelalterlichen Siedlungsbereichen durchgeführt: Eisenzeitliche Siedlung Rautwiesen in Abenheim, Haus an der Schönauer Straße, Gerbergruben am Fischmarkt, Stadtmauer am Mayfels, das Gelände bei St. Paulus u.a. Ein Ausschnitt des römischen Nordfriedhofs, als letzte Grabung 1989 durchgeführt, konnte ein Jahr später sowohl in einer Ausstellung im Museum als auch in einer Publikation dargestellt werden, wodurch erstmals Erkenntnisse zur römerzeitlichen Bevölkerung von Worms gewonnen und veröffentlicht wurden, die auf wissenschaftlichen Methoden der Archäologie wie der Anthropologie beruhten110.

Im Museum im romantischen Andreasstift, einem der schönsten Gebäude der Stadt, konnten 1983 das »Lutherzimmer«, 1986 das Glaskabinett und eine neue Römische sowie 1991 die lange geplante Prähistorische Abteilung entstehen. Weitere Ausstellungsbereiche harren noch einer neuen Gestaltung. Seit dem Jahre 1990 ist im Übrigen ausschließlich das Landesamt für Denkmalpflege mit der Durchführung der Bodendenkmalpflege in Worms betraut. Nicht immer einfach ist die Abwägung der Interessen nach einer Nutzung der Baulichkeiten und der notwendigen Beachtung denkmalpflegerischer Belange und des Schutzes der überkommenen Kulturgüter.

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