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Worms im Karolingerreich Worms als politisches Zentrum unter Pippin und Karl dem Großen (751–814)

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Ob es in der Merowingerzeit eine Pfalz in Worms gab, ist trotz des Aufenthalts der Brunichilde und ihrer Urenkel im Jahr 613 unsicher; die früher angenommene Existenz einer merowingischen Pfalz beim späteren Cyriacusstift in Neuhausen wird in der Forschung seit langem abgelehnt36. Pippin, der erste Karolinger auf dem Thron, berief 764 eine Reichsversammlung nach Worms ein. Nachdem Karl der Große 770 hier erstmals seinen Hoftag abgehalten hatte, wurde Worms zu einem Zentrum der politischen Macht, das erheblich von seiner strategisch günstigen Lage profitierte: Über den Rhein und über die Straße aus dem alten fränkischen Kernland von Paris und Metz, eine Verbindung, die bereits Brunichilde genutzt hatte, war Worms leicht zu erreichen und verband den fränkischen Kernraum mit den alemannischen, hessischen und thüringischen Gebieten. In dieser Zeit muss hier auch eine leistungsfähige Pfalz mit der nötigen Infrastruktur existiert haben, denn von 770 bis zum Brand der Pfalz im Winter 790/791 fanden hier insgesamt acht Hoftage statt (770, 772, 776, 781, 784, 786, 787, 790)37. Auf den Reichsversammlungen oder Hoftagen, bei denen sich das Heer – dem zumindest ideell alle freien, erwachsenen, männlichen Franken angehören sollten – und die Großen versammelten, wurden politische Entscheidungen getroffen und bekannt gegeben; es wurde Gericht gehalten, Urkunden wurden ausgestellt, Ämter neu vergeben; auch empfing der Herrscher die jährlichen Geschenke seiner Getreuen und Gesandtschaften aus nahen und fernen Ländern: aus Byzanz, von den Sarazenen aus Spanien, aus Jerusalem oder gar aus Bagdad. Die Besuche fremder Gesandter dienten nicht nur diplomatischen Verhandlungen, in denen Grenzverläufe festgelegt, Freundschaftsbündnisse geschlossen oder Unterwerfungen zelebriert wurden. Sie waren auch Ereignisse, bei denen der König seinem Volk wie den Vertretern aus der Ferne seine Macht und Stärke demonstrieren konnte38. Über den Zeitvertreib auf solchen Reichsversammlungen erfahren wir durch Nithard, einen Enkel Karls des Großen, der von einem längeren Aufenthalt der Könige Karl (»der Kahle«) und Ludwig (»der Deutsche«) mit ihren Heeren im Jahr 842 in Worms berichtet39. Dort hätten die Brüder häufig friedliche Kampfspiele durchgeführt, bei denen vor Zuschauern Mannschaften aus den verschiedenen Völkern des Reichs gegeneinander antraten; auch die Könige selbst nahmen teil.

Da die Versammlungen im Frühjahr häufig Kriegszüge einleiteten, könnte die Entscheidung Karls, 770 das Heer nach Worms zu rufen, mit dem sich zuspitzenden Konflikt mit seinem Bruder Karlmann zusammenhängen. Seit dem 9. Oktober 768 teilten sich die Brüder die Herrschaft über das Frankenreich. Karlmann hielt sich 770 im elsässischen Selz auf, das heißt relativ nahe der Grenze der Teilreiche, die südlich des Speyergaus verlief, und es ist gut möglich, dass sich beide Könige belauerten. Der Konflikt zwischen den Brüdern, in dem ihre Mutter Bertrada zu vermitteln suchte, brach nicht mehr offen aus, weil Karlmann schon 771 starb. Mit der Versammlung von 772 in Worms begann Karl den ersten Heereszug nach Sachsen, der mit der Eroberung der Eresburg und der Zerstörung des Heiligtums Ermensul an der Diemel endete. Es war der Auftakt der Sachsenkriege, die mit einigen Unterbrechungen über 30 Jahre andauern sollten. Möglicherweise ließ Karl um diese Zeit die so genannte Wormser Straße anlegen, die von Worms über Hofheim, Biblis, Rohrheim und Gernsheim zum Königshof Frankfurt verlief40.

Nachdem die Eresburg von den Sachsen zerstört worden war, fand nach einem Hoftag in Worms 776 erneut ein Feldzug nach Sachsen statt, der, wie uns die fränkische Geschichtsschreibung (die einzige, die wir für diese Zeit haben) berichtet, ebenfalls siegreich war. Im Jahr 781, bei der nächsten Versammlung in Worms, ging es unter anderem um die seit langem gespannten Beziehungen zwischen Bayern, dessen Herzog Tassilo seinen Anspruch auf eine königsgleiche Herrschaft betonte, und der fränkischen Reichsgewalt. Tassilo musste nun dem seit seinen Erfolgen in Italien und Sachsen übermächtig gewordenen Karl in Worms die Treue schwören. Nach einem gescheiterten Versuch, mit Hilfe des Papstes Schutz vor Karl zu erlangen, musste er seinen Eid 787 wiederum in Worms erneuern und darüber hinaus seinen Sohn Theodo als Geisel stellen. 788 wurde ihm schließlich in Ingelheim unter einem Vorwand der Prozess gemacht; er wurde abgesetzt, in Klosterhaft genommen und Bayern ins Frankenreich integriert41. 783 feierte Karl in Worms seine Hochzeit mit der Ostfränkin Fastrada; ein Jahr später war Worms der Ausgangspunkt eines Winterfeldzuges nach Sachsen; 786 wurden Karl in Worms die Anführer der von seinem Seneschall Audulf geschlagenen Bretonen übergeben und 790 hielt sich Karl sogar fast das ganze Jahr in Worms auf.

Während sein Vater Pippin den Winter meist in den westlichen Reichsteilen verbracht hatte, spiegelt sich die wachsende strategische und wirtschaftliche Bedeutung des Mittelrheins und der großen Pfalz Worms auch in den Winteraufenthalten Karls wider: Dreimal – 779/80, 789/90 und 790/791 – verbrachte Karl den Winter in Worms und feierte dort Weihnachten und Ostern. Diese Winteraufenthalte spielten eine wesentliche Rolle in der fränkischen Politik, auch wenn sie in den Quellen meist mit lapidaren Formulierungen abgehandelt werden. Wie wir von Hinkmar von Reims wissen, der unter explizitem Rückblick auf die Verhältnisse unter Karl dem Großen berichtet, versammelten sich dort die engsten Berater des Königs, die Großen des Reichs, und planten die Angelegenheiten des kommenden Jahres, etwa Kriegszüge. Die Beschlüsse in kleinem Kreise sollten allerdings den Franken auf den großen Versammlungen im Frühjahr so präsentiert werden, dass diese den Eindruck erhielten, an der Entscheidung mitgewirkt zu haben42.

Nach einem Brand der Pfalz im Winter 790/91 verlor Worms seine herausragende Stellung als Pfalzort, wenn auch offenbar nur ein Teil der Gebäude abbrannte und Karl noch bis Ostern in Worms blieb43. In der Folge wurde Aachen massiv ausgebaut und stieg nach der Kaiserkrönung im Jahr 800 zur kaiserlichen »Residenz« auf; hier ließ sich Karl der Große begraben; unter den Karolingern war es neben Rom sedes regni und wurde im hohen und späten Mittelalter regelmäßiger Krönungsort der deutschen Könige.

Leider führt die gestiegene Bedeutung von Worms unter Karl dem Großen nicht dazu, dass wir etwas über das städtische Leben erfahren. Selbst über die Bischöfe wissen wir nur wenig. Ermbert, wahrscheinlich ein »Rupertiner«44, Bischof von Worms spätestens 764–793 und zugleich Abt von Weißenburg45, ist der erste Wormser Bischof, von dem wir wissen, dass er im Auftrag des Königs tätig war: 769 nahm er als einer von zwölf fränkischen Bischöfen am Laterankonzil teil46. Bischof Bernhar (vor 799–826), spätestens seit 811 auch Abt von Weißenburg, war ebenfalls 809 beim Papst in Rom, um im Auftrag Karls theologische Streitfragen zu besprechen47. 813 nahm er an der Mainzer Synode teil, einem der großen Reformkonzilien dieses Jahres48.

Über Größe und Aussehen der Stadt können wir nichts sagen; nicht einmal die Lage der Pfalz in der Stadt ist sicher. Lediglich zwei der diskutierten fünf Standorte49 kommen mit guten Gründen infrage: Der spätere Bischofshof am Dom, der 1689 abbrannte, und der Vorläufer der salischen Burg, an deren Stelle Bischof Burchard 1016 das St. Paulusstift errichten ließ50. Vermutlich aber hatte der Bischof seine Residenz schon in frühester Zeit direkt am Dom; wenn spätere Könige und Kaiser bis hin zu Maximilian und Karl V. im Bischofshof residierten, ist dies kein Beweis, dass er ursprünglich Königsgut war; spätestens seit Heinrich II. war es üblich geworden, dass die Könige in Bischofsstädten beim Bischof zu Gast waren. Eher kommt die Grafenburg der Salier infrage, sie dürfte auf ehemaligem Reichsgut errichtet worden sein und lag zudem wie andere Stadtpfalzen an der Stadtmauer51. Der letzte Beleg für einen öffentlichen/königlichen Palast (Wormatiae palatio publico), eine Urkunde Bischof Annos, die zwischen 962 und 979 ausgestellt wurde, erlaubt keine eindeutige Aussage über die Lage52.

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